Der Autor und Filmemacher Konrad Bogusław Bach – Zwischen Polen und Deutschland
Geboren wurde Konrad Bogusław Bach 1984 in Nakło nad Notecią (Nakel an der Netze). Bald aber zogen seine Eltern in eine ländlichere Gegend in der Nähe, und so kreisen die frühen Kindheitserinnerungen des Künstlers um den Hühnerstall und den Versuch, mit einem Nachbarsjungen auf einem besonnten Stein Eier zu braten, den Opa, der mit einer Angel samt Köder vorm Klavier sitzt, um die dort drinnen musizierende Maus zu fangen, und die weiten Himmel über dem nördlichen Polen. Auch ans Schachspielen mit dem Großvater kann er sich noch erinnern, auch wenn sich natürlich das Gedächtnis im Laufe der Jahre mit familiären Anekdoten und der fortgeschriebenen Selbsterzählung angefüttert hat. Zumindest brachte der Opa ihm das Schachspielen bei, ließ ihn anfangs gewinnen, um ihm das Spiel schmackhaft zu machen, spielte dann aber „richtig“, damit der Junge lernen konnte, zu spielen und zu verlieren. Der kleine Konrad verlor aber nicht gerne. Nahm man ihm die geliebte Dame, weinte und tobte er. Der Opa hatte bald Angst vor den Schachspielen, vernachlässigte seine pädagogischen Ambitionen aber nicht: Der Junge musste lernen mit der Realität klarzukommen. Manchmal sind andere eben besser.
Trotzdem: Das Leben war schön. So hätte es weitergehen können. Die Eltern aber wollten mehr. Sie wollten in den verheißungsvollen Westen. Und gab es da nicht diese Verwandten in den USA? Ende der 1980er war der Weg dorthin aus Polen nicht ganz so einfach. Zunächst brauchten sie eine Adresse in Westdeutschland. Die bekamen sie von einem deutschen Paar, dem sie in Polen halfen, als es dort eine Autopanne hatte. Dann mussten sie im „Tränenpalast“, der Grenzabfertigungshalle am Bahnhof Friedrichstraße, in der DDR vorsprechen, um ein Besuchsvisum zu erhalten. Eine Familienanekdote besagt, dass der DDR-Beamte sehr skeptisch auf die junge Familie und deren Papiere schaute: War diesen energiegeladenen, wachen Menschen zu trauen? Würden die nicht ganz rübermachen. Und so geht die Anekdote weiter: Der kleine Konrad soll sich plötzlich an den Hintern gegriffen und gesagt haben: „Ich muss dringend Kacka!“ Und schon hatte der Beamte ein Einsehen und ließ Familie Bach ausreisen. In Hamburg wollten sie sich mit einer anderen Familie aus Polen treffen und dann ein Flugzeug in die Vereinigten Staaten nehmen. Die Bachs kamen zu spät, blieben 1989 noch etwas in Hamburg und stellten schnell fest, dass das Geld vom Verkauf ihres Häuschens und Autos im goldenen Westen nur für ein paar Wochen reichte. An ein teures Flugticket war da nicht mehr zu denken. Und so ging es nach Friedland im Landkreis Göttingen, wo sich ein großes Auffanglager für Spätaussiedler befand. Konrad Bach erinnert sich noch gut an den großen Fernseher im Aufenthaltsraum und wie er zum ersten Mal David Hasselhoff als Knight Rider sah. Wie der gelockte Mann mit seinem schwarzen Auto durch die Wüstenlandschaften preschte – phantastisch. Da konnte „der häusliche Kindergarten“ (domowe przedszkole) einpacken. Die Bachs, die bis dahin den Nachnamen Blechacz führten, wurden schnell als Spätaussiedler anerkannt, galten somit gesetzlich als Deutsche, bekamen sogar einen neuen Nachnamen und durften arbeiten. Und dass taten Konrads Eltern nicht zu knapp. In ihrer neuen Heimat im südlichen Hannover machte die Mutter eine Ausbildung zur Industriekauffrau und bekam später eine Stelle bei der städtischen Friedhofsverwaltung. Der Vater arbeitete erst als Landschaftsgärtner, dann als Hausmeister in der Grünflächenpflege. Nebenher lernten beide Eltern Deutsch und kümmerten sich um Konrad und seinen zwei Jahre jüngeren Bruder (später kamen noch eine Schwester und Zwillingsbrüder dazu). Konrad Bach erinnert sich, dass gerade seine Mutter trotz allen eigenen Lernens noch Zeit fand, ihm und seinem Bruder bei den Schulaufgaben zu helfen, Fragen zu beantworten und Orientierung in der neuen Heimat zu geben. „Ich denke heute, dass das sehr wichtig war“, sagt der inzwischen 40-Jährige, der eine Zeitlang selbst an einer Grundschule unterrichtet hat. Die deutsche Sprache lernte er schnell. Heute sieht er sie als seine Muttersprache an, auch wenn ihm bewusst ist, dass der Begriff schief wirkt. Als Grundschüler lernte Konrad Bach Deutsch nicht nur in der Schule und auf der Straße, sondern auch aus dem Fernsehen. Wenn er und sein Bruder sonntags mit den Eltern in die Kirche gingen und die Lieder nicht kannten, die gesungen wurden, dann stimmten sie einfach Melodien aus der Werbung an. Ob Ültje-Nüsse, Allianz Versicherungen oder Parmaschinken, die kleinen Bachs waren um Gesangseinlagen nicht verlegen.