Der Lyriker Martin Piekar – Das Innere mit dem Äußeren verbinden
Die Gedichte, die dabei entstehen, findet sein Umfeld oft sperrig, seltsam, teilweise unlesbar. Doch Piekar verfolgt den Weg des Denkenden und Schreibenden konsequent weiter. Er studiert in Frankfurt Philosophie und Geschichte und geht zu den Treffen von „sexyunderground“, die vom Literaturhaus Frankfurt als Förderung des literarischen Nachwuchses bis heute angeboten werden. Vor allem feilt er weiter an seinem Stil und reicht manche seiner Texte auch ein. Veröffentlichungen in den Literaturzeitschriften etcetera und Federwelt beflügeln ihn dazu, sich auch an Wettbewerben zu beteiligen.
2012 wird ein besonderes Jahr für Martin Piekar. Sähe man das Dichten als Karriereweg, könnte man vom Durchbruch sprechen. Zum einen wird Piekar für eine Teilnahme am Literaturlabor Wolfenbüttel ausgewählt, wo er mit anderen Autor:innen in professioneller Atmosphäre an Texten arbeiten und darüber diskutieren kann. Besser noch: Er gehört zu den Finalisten des open mike Literaturwettbewerbs, der einmal jährlich von der Literaturwerkstatt Berlin ausgerichtet wird. Wer hier zu den 21 Teilnehmenden gehört, deren Texte unter hunderten von Einreichungen die Jury überzeugen konnten, hat sich damit bereits Sichtbarkeit im Literaturbetrieb erarbeitet. Zum open mike kommen Agent:innen, Verleger:innen, Literaturkritiker:innen und erfolgreiche Autor:innen, für die der Wettbewerb in früheren Jahren ein Sprungbrett gewesen ist. Martin Piekar trägt aus seinen Gedichtzyklen „Bastard“ und „Bedürfnis nach dir und Kirschblüte“ vor. Zum Beispiel Zeilen wie diese:
„Ich fühle mich so Bastard, wenn ich träume.
Nur Tunnelschachttage. Und nachts sind
meine Fantasien ans Hirninterieur genagelt.“
Jury und Publikum sind begeistert. Martin Piekar gewinnt den Preis in der Sparte Lyrik und wird gleich nach seinem Auftritt von Verleger:innen und Agent:innen angesprochen. Es dauert jedoch noch zwei Jahre, bis sein erster Gedichtband mit dem Titel „Bastard Echo“ im Verlagshaus Berlin erscheint. Piekars Stimme findet Gehör. Er gewinnt weitere Preise wie den Irseer Pegasus oder den Alfred-Gruber-Preis in Meran und veröffentlicht 2018 einen weiteren Gedichtband: „AmokPerVers“. Seine Stoffe bleiben weiterhin so vielfältig wie persönlich. Nach seinen Themen gefragt, antwortet Piekar: „Alles, was mich verwirrt, fasziniert, zweifeln lässt: Menschen. Der Mensch und sein ewiger Kampf mit den eigenen Emotionen, Gefühlen und dem Verstand.“ In seinen Augen sind Gefühle längst ein wichtiges Politikum in unserer Gesellschaft und es wert, poetisch untersucht zu werden. Er sagt: „Diese Befindlichkeitspolitik lässt sich mit der Sprache sehr gut herausarbeiten und hinterfragen. Mein Stoff ist also das gesprochene Wort der Menschen, die sich äußern, offenbaren, in Kommunikation treten, versuchen, sie selbst zu sein.“
Die Bedeutung seines polnischen Hintergrundes für sein Schreiben wurde Piekar im Lauf der Jahre immer klarer. „Die polnische Sprache hat mich sehr geprägt“, sagt er heute. „Sie ist wie ein Fluss, der elegant mäandert. Die deutsche Sprache sehe ich als soliden Weg aus Pflastersteinen. Beim Dichten ist es wichtig beide Wege zu beherrschen, den selbstgelegten und den, sich einfach treiben zu lassen.“
Auch die Erfahrung, ein weißer Ausländer zu sein, wertet Piekar als wichtigen Teil seiner Inspiration. Er sei von seinen weißen Freunden einer der wenigen, die wüssten, wie es sei, in einem Ausländeramt zu schwitzen. Seine Familiengeschichte mit den Traumata aus Krieg, Gefangenschaft und Flucht hat Piekar ebenfalls geprägt. Ihm ist klar, dass Freiheit und Demokratie keine Selbstverständlichkeit sind, sondern mühsam erkämpft wurden. Und in unseren Tagen womöglich ebenso mühsam verteidigt werden müssen.