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Henryk Górecki: Sinfonie der Klagelieder

Henryk Mikołai Górecki, 2011. Foto: Malcolm Crowthers. Aus dem Programm der Badischen Staatskapelle Karlsruhe anlässlich des 4. Sonderkonzerts am 23.05.2014 während der 22. Europäischen Kulturtage in Karlsruhe
Henryk Mikołai Górecki, 2011. Aus dem Programm der Badischen Staatskapelle Karlsruhe anlässlich des 4. Sonderkonzerts am 23.05.2014 während der 22. Europäischen Kulturtage in Karlsruhe

Im Herbst 1973 reiste Górecki zusammen mit seiner Frau und den beiden Kindern nach West-Berlin, um ein einjähriges Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) im Rahmen des Berliner Künstlerprogramms wahrzunehmen.[1] Die Einladung hatte schon seit langem bestanden, jedoch hatten gesundheitliche Probleme und die Geburt seines Sohnes, des späteren Komponisten Mikołaj Piotr, im Februar 1971 den Studienaufenthalt bislang verhindert. In Berlin erkrankte Górecki erneut während des Jahreswechsels 1973/74 mit Nierenproblemen und benötigte ein halbes Jahr um sich davon zu erholen. Bei seiner Rückkehr nach Polen beschloss das Ehepaar zunächst, nach Warschau zu ziehen, entschied sich jedoch schließlich für Kattowitz, wo Górecki an der Staatlichen Musikakademie studiert und später als Dozent gearbeitet hatte. 1975 nahm er dort den Ruf als Rektor an die auf das Jahr 1929 zurückgehende Musikakademie/Akademia Muzyczna w Katowicach an.

Bereits einige Monate vor seinem Aufenthalt in Berlin hatte Górecki den ebenfalls an der Musikakademie lehrenden Ethnologen und Musikwissenschaftler Adolf Dygacz (1914-2004) nach interessanten, alten Melodien in dessen Sammlung gefragt, wie der britische Spezialist für polnische Musik, Adrian Thomas (*1947), in seiner grundlegenden Werkbiografie über Górecki schreibt.[2] Dygacz antwortete mit vier Liedern aus Schlesien, darunter einem Volkslied aus der Gegend von Oppeln. Es ist das Klagelied einer Mutter, deren Sohn bei einem Aufstand ums Leben kam: „Kajze mi sie podzioł mój synocek miły? / Wohin ist er gegangen, mein geliebter Sohn?“[3] Während die Melodie vermutlich aus dem 19. Jahrhundert stammt, geht der Text auf die Aufstände in Oberschlesien in den Jahren 1919 bis 1921 zurück. Mit diesem Lied begann für Górecki, so Thomas, die über drei Jahre dauernde Konzeption und Vervollständigung der 3. Sinfonie (Symfonia pieśni żałosnych/Sinfonie der Klagelieder), Op. 36, für Sopran solo und Orchester. „Für mich ist dies ein wundervoll poetischer Text“, referierte Górecki 1977 während einer Musik-Konferenz in Baranów Sandomierski: „Ich weiß nicht, ob ein ‚professioneller‘ Dichter eine solch kraftvolle schöpferische Einheit aus derart prägnanten und einfachen Worten kreieren könnte. Es sind nicht Trauer, Verzweiflung, Resignation oder Händeringen: Es sind der Kummer und das Klagen einer Mutter, die ihren Sohn verloren hat.“

Górecki begann mit der Komposition, sah sich jedoch bald unüberwindbaren Schwierigkeiten gegenüber, auf Grundlage der überlieferten Melodie eine ähnlich dichte Harmonie wie in seinen vorangegangenen Stücken zu erzielen. Er legte das Material beiseite und suchte nach weiteren Texten, die den ersten ergänzen konnten. Den folgenden Textabschnitt seiner künftigen Sinfonie fand er in dem 1970 erschienenen Buch von Alfons Filar und Michał Leyko, „‚Palace‘. Katownia Podhala“ (dt. ‚Palace‘. Die Folterkammer des Podhale), das die Gräueltaten der deutschen Gestapo in dem zur Kommandantur der Sicherheitspolizei umfunktionierten Hotel Palace in Zakopane zwischen 1939 und 1945 schildert. In den im Keller untergebrachten Gefängniszellen wurden nach dem Krieg in die Wände eingekratzte Namen und Schriftzeilen gefunden. Darunter befand sich auch ein Graffito der dort seit dem September 1944 gefangen gehaltenen achtzehnjährigen Helena Wanda Błażusiakówna aus Szczawnica: „Mamo, nie płacz, nie. Niebios Przeczysta Królowo. Ty zawsze wspieraj mnie. Zdrowaś Mario. / Nein, Mutter, weine nicht. Unbefleckte Himmelskönigin. Steh mir allzeit bei. Ave Maria“, von dem Teile auf ein Lied des polnischen Widerstands aus dem Jahr 1918 zurückgehen. Górecki referierte 1977, er müsste zugeben, dass er stets von großen Worten beeindruckt worden sei: „Vielleicht im Angesicht des Todes würde ich selbst in dieser Weise aufschreien. Aber der Satz, den ich fand, ist anders, gleichsam eine Entschuldigung oder Rechtfertigung dafür, dass sie [die Verfasserin] sich selbst in eine solche Lage gebracht hatte; sie sucht Trost und Unterstützung in einfachen, kurzen, aber bedeutungsvollen Worten. Ich mag solche Texte: einfach und kurz.“

Auf der Suche nach einem weiteren Text mit einer ähnlichen Stimmung entschied sich Górecki für den vierten Vers aus dem „Lament świętokrzyski“ (dt. Heiligkreuz-Klagelied), einem Planctus von etwa 1470, dessen Handschrift im Heiligkreuz-Benediktinerkloster auf dem Berg Łysa Góra in Südostpolen offenbar im Zweiten Weltkrieg verloren ging: „Synku miły i wybrany. Rozdziel z matką swoje rany … / Geliebter, auserwählter Sohn. Teile mit der Mutter deine Wunden …“ Hierzu bemerkte Górecki später in seinem Vortrag: „Dieser Text war volkstümlich und anonym. Jetzt hatte ich drei Abschnitte, drei Personen. Ursprünglich wollte ich diese Texte mit einer Einführung und einer Schlussfolgerung abschließen und entschied mich für zwei Verse aus den Psalmen 93 und 94 in der Übersetzung von Wujek: ‚Herr, sie zerschlagen dein Volk und plagen dein Erbe …‘“ Letztlich beschloss Górecki jedoch, sich auf die ersten drei Klagelieder zu beschränken.

 

[1] Vergleiche die Gästeliste für das Jahr 1973, https://www.berliner-kuenstlerprogramm.de/de/gaeste.php. „Seit 1963 werden in den Sparten bildende Kunst, Film, Literatur und Musik jährlich etwa zwanzig international bekannte wie qualifizierte Künstler aller Altersgruppen, die bereits eine herausragende, eigenständige künstlerische Position und einen Werkkorpus vorweisen können, für zwölf Monate nach Berlin eingeladen.“ https://www.berliner-kuenstlerprogramm.de/de/stipendien.html

[2] Thomas 1997 (siehe Literatur), Seite 81-94; von dort der folgende Bericht und die eingeschlossenen Zitate.

[3] Vollständige Texte siehe Anhang

Mediateka
  • Abb. 1: Henryk Górecki, 1977

    Henryk Górecki, 1977. Aus dem Programm des 14. Internationalen Festivals zeitgenössischer Kunst in Royan, 02.-08.04.1977
  • Abb. 2: LP-Cover, 1978

    Erste Schallplattenaufnahme der 3. Sinfonie mit dem Großen Sinfonieorchester des Polnischen Radios unter der Leitung von Jerzy Katlewicz, bei Polskie Nagrania Muza, 1978
  • Abb. 3: LP-Cover, 1985

    Schallplattenaufnahme von der Uraufführung der 3. Sinfonie (1977) in Verbindung mit dem Kinofilm „Police“, bei Erato,1985
  • Abb. 4: LP-Cover, 1993

    Schallplattenaufnahme von der Uraufführung der 3. Sinfonie mit dem Sinfonieorchester des Südwestfunks Baden-Baden (1977), bei Belart (Polygram), 1993
  • Abb. 5: LP-Cover, 2007

    Schallplattenaufnahme von der Uraufführung der 3. Sinfonie mit dem Sinfonieorchester des Südwestfunks Baden-Baden (1977), bei Apex (Warner Classics, 2003), Neuauflage 2007
  • Abb. 6: LP-Cover, 1992

    Schallplattenaufnahme der 3. Sinfonie mit der London Sinfonietta unter der Leitung von David Zinman, bei Elektra Nonesuch, 1992
  • PDF 1: Programmheft, 2014

    Programmheft des Konzerts am 23.05.2014 während der 22. Europäischen Kulturtage in Karlsruhe mit der Badischen Staatskapelle Karlsruhe
  • PDF 2: Festival Royan 1977

    Programm des 14. Internationalen Festivals für zeitgenössische Kunst in Royan, 1977 (Auszug, Seiten 1, 3, 49, 51, 54-55)
  • PDF 3: Programmheft, 2018

    Programmheft des Konzerts „Urbański & Anderszewski“ in der Elbphilharmonie Hamburg am 17.11.2018