Porta Polonica
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Jurek Becker. Autor von „Jakob der Lügner“

Jurek Becker 1981 bei einem Vortrag in Amsterdam. Foto: Rob C. Croes / Anefo – Nationaal Archief / CC-0
Jurek Becker 1981 bei einem Vortrag in Amsterdam.

Aus dem Ghetto zum Ost-Berliner Autor
 

Nach dem Krieg ließen sich Vater und Sohn Bekker in Ost-Berlin nieder, wo der Vater den Familiennamen in Becker umwandeln ließ und sich selbst Max nannte. Mit dem Sohn sprach der Vater nur Deutsch, damit dieser die Sprache schneller lernte. Denn für einen künftigen Schriftsteller verlief Beckers Sprachentwicklung bis dahin alles andere als ideal. Was wirklich seine Muttersprache war, ist auch für Beckers Biograf Gilman nicht eindeutig. Als Kind sprach er demnach Polnisch, kam durch seine Eltern aber auch mit dem Jiddischen in Berührung, bevor er die „Lagersprache“ kennenlernte, also die Drills und Kommandos in den Lagern. Im Gedächtnis blieben Becker Worte, die damals zum Überleben notwendig waren: „Alles alle“, „Antreten – Zählappell“, „Dalli-dalli“. Als sein Vater ihn 1945 wiederfand, sprach er laut eigener Aussage Polnisch wie ein Vierjähriger, nicht wie ein Achtjähriger.[5]

Im Vordergrund stand aber nun die Sprache der neuen Heimat, auch, um in der Schule kein Außenseiter zu sein. Denn durch den Krieg wird Becker erst mit neun Jahren eingeschult. Dadurch überragt er die anderen Kinder zwar um einen Kopf, bleibt sprachlich aber um Längen hinter ihnen zurück.[6] Später erinnerte Becker sich: „Für keine schulische Leistung belohnte mein Vater mich so reichlich, wie für gute Noten bei Diktat und Aufsatz. Wir entwickelten gemeinsam ein übersichtliches Lohnsystem: Für eine geschriebene Seite gab es im Idealfall eine Summe von fünfzig Pfennig, jeder Fehler brachte einen Abzug von fünf Pfennig.“[7]

Jurek trat 1955 der Freien Deutschen Jugend (FDJ), 1957 der SED bei. Aber er ging keineswegs immer mit dem System konform. 1960 ließ er sich vom Studium der Philosophie an der Berliner Humboldt-Universität beurlauben und kam damit einem Verweis durch die Universität zuvor. Grund dafür waren handgreifliche Auseinandersetzungen während seiner Zeit als Erntehelfer wie auch politische Gründe.[8]

 

Durchbruch mit „Jakob der Lügner“
 

In dieser Zeit unternahm er auch seine ersten Schritte als Schriftsteller. Als festangestellter Drehbuchautor bei der DEFA schrieb er einige Fernsehspiele und Drehbücher; auch „Jakob der Lügner“ entstand zunächst als Drehbuch. Nachdem es abgelehnt wurde, arbeitete er es zum Roman um – und schuf damit sogleich sein berühmtestes Werk. 1974 wurde es dann doch noch verfilmt, unter anderem mit dem späteren Weltstar Armin Mueller-Stahl in einer der Hauptrollen. Gemeinsam mit den späteren Romanen „Der Boxer“ (1976) und „Bronsteins Kinder“ (1986) bildet „Jakob der Lügner“ eine von der Kritik so genannte Holocaust-Trilogie. In seinem letzten Interview vor seinem Tod sagte er im Interview mit „Der Spiegel“ über „Jakob der Lügner“: „Das Buch war ein großes Glück für mich. Es hatte gleich so viel Erfolg, daß es mein Schriftstellerleben auf Rosen gebettet hat.“[9]

 

[5] Gilman 2004.

[6] Kutzmutz 2008.

[7] Teichmann, Vera: Fröhlich wie selten, in: deutschlandfunkkultur.de, 24.09.2022, URL: https://www.deutschlandfunkkultur.de/schriftsteller-jurek-becker-froehlich-wie-selten-100.html (zuletzt aufgerufen am 20.06.2024).

[8] Diecks, Thomas: Becker, Jurek, in: NDB-online, 01.10.2023, URL: https://www.deutsche-biographie.de/dbo009219.html (zuletzt aufgerufen am 20.06.2024).

[9] Koebl, Herlinde: „Das ist wie ein Gewitter“, in: spiegel.de, 23.03.1997, URL: https://www.spiegel.de/kultur/das-ist-wie-ein-gewitter-a-e89164b3-0002-0001-0000-000008681869 (zuletzt aufgerufen am 26.01.2025).

Media library
  • Jurek Becker bei einem Vortrag in Amsterdam, 1981

    Foto: Rob C. Croes / Anefo
  • Jurek Becker bei der „Berliner Begegnung zur Friedensförderung“, 1982

    An der Konferenz vom 13. bis 14. Dezember 1982 nahmen u.a. Günter Grass (l.), Jurek Becker (2.v.l.), Grigori Baklanow (2.v.r.) und Daniil Granin (r.) teil
  • Jurek Becker auf der Diskussionsveranstaltung „40 Jahre deutsch-deutsche Literatur – Versuch“ in der Akademie der Künste der DDR, 1990

    Zu sehen sind neben Becker (r.) Gesprächsleiter Wolfgang Emmerich und Christa Wolf
  • Jurek Becker, 1993

    Aufgenommen während einer Amerikareise in St. Louis, Missouri
  • Jurek Becker, 1993

    Aufgenommen während einer Amerikareise in St. Louis, Missouri
  • Berliner Gedenktafel für Jurek Becker

    Hagelberger Straße 10C, Berlin-Kreuzberg, enthüllt am Dienstag, 13. September 2022