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Flexibel in allen Systemen. Die vielen Leben des Konrad Gruda

Konrad Gruda, aus: IPN, Komenda Główna Milicji Obywatelskiej w Warszawie, Akta osobowe funkcjonariusza MO: Konrad Gruda vel Glüksmann / Glücksmann, imię ojca: Zygmunt, ur. 25-10-1915 r., Bd. 2: 1944–1948
Konrad Gruda, ca. 1945

Als Sportjournalist in Rundfunk und Fernsehen
 

Im September 1949 wurde Gruda Mitarbeiter des staatlichen Reiseunternehmens ORBIS (bis 1954). Nach kurzer Tätigkeit in der Internationalen Repatriierungskommission für Korea, die den Gefangenenaustausch zwischen Nord- und Südkorea organisierte – später war er auch Mitglied einer Kommission, die den Waffenstillstand in Laos überwachen sollte –, schickte man ihn als starken Mann und Nachfolger des entlassenen Aleksander Rekszta ab April 1954 zur Sportredaktion des Polnischen Radios, wo er bis 1957 in verantwortlicher Funktion tätig war[34]. Eine seiner Erfindungen war die tägliche Sendung „Kronika Sportowa“, die seit dem 30. November 1954 bis zum heutigen Tag ausgestrahlt wird. 

Aufgrund seiner guten Kontakte verbesserte er die finanzielle Ausstattung und professionalisierte die Berichterstattung. Letztlich scheiterte er aber genau daran. Als er den Rückzug seiner Meinung nach ungeeigneter Mitarbeiter:innen verlangte, brachten ihn das Redaktionskollektiv und die Gewerkschaften mit Zustimmung der kommunistischen Partei zu Fall.

In den 1960er Jahren arbeitete er als Redakteur und populärer Moderator für das Polnische Fernsehen, u. a. für die Sendungen „Medale i detale“, „Na zdrowie“ und „Start i meta“. Seine politische Vergangenheit war unter den Mitarbeitenden bekannt, weswegen er von manchen gefürchtet wurde, die gleichzeitig seine außerordentliche Qualifikation beim Thema Sport anerkannten[35].

1949 wurde er Präsident des Polnischen Schwimmverbands, und nach dessen Auflösung 1951 Vorsitzender der Sektion Schwimmen im Hauptkomitee für Körperkultur und hatte dieses Amt bis zur Reaktivierung des Polnischen Schwimmverbands 1957 inne. In dieser Funktion besuchte er auch die Olympischen Spiele 1952 in Helsinki, als Journalist war er auch in Melbourne 1956 und Rom 1960 dabei. 1957 bis 1960 war er Vorsitzender der Investitionskommission des Polnischen Schwimmverbands, 1960 bis 1962 dann Vizepräsident für Sport und 1962 bis 1965 Vorsitzender der Wassersportkommission. Im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlung seiner Frau wurden ihm zeitweise auch Reisen nach Frankreich und Großbritannien gestattet.

Zwischen 1963 und 1967 wurden ihm auf direkte Anordnung von Innenminister Władysław Wicha dann aber Auslandsreisen verwehrt[36]. Gegen diese Maßnahme, die ihn offenbar völlig überraschte und tief erschütterte, versuchte er sich mit Rechtfertigungsschreiben und der Suche nach den dafür Verantwortlichen zu wehren[37]. Beides war erfolglos.

Gruda stand bereits seit Ende der 1950er Jahre unter dem Verdacht der Spionagetätigkeit für ein westliches Land. Die Sicherheitsorgane starteten eine „operative Beobachtung“, also eine Maßnahme, bei der „sogenannte Zielpersonen über einen festgelegten Zeitraum beobachtet [wurden], um Hinweise über Aufenthaltsorte, Verbindungen, Arbeitsstellen, Lebensgewohnheiten und ggf. strafbare Handlungen herauszufinden“[38]. Der Vorgang „Sprawodawca“ (Berichterstatter) lief zwischen 1961 und 1964[39]. Unter der Leitung von Hauptmann Ryszard Bartosik wurde Grudas Umfeld detailliert mit Hilfe angeworbener inoffizieller Mitarbeiter untersucht. Dies reichte bis zu dem Versuch, eine Informantin in die Wohnung von Grudas pflegebedürftiger Mutter einzuschleusen[40]. Von der Dimension zeugt die Tatsache, dass das Verzeichnis der beteiligten Personen 117 Namen aus dem beruflichen wie privaten Umfeld umfasst.

Trotz dieser umfassender Überwachungsvorgänge, in deren Mittelpunkt Auslandskontakte, das Interesse für einen angeblich neu erfundenen Verbrennungsmotor und der Erwerb eines westlichen Autos standen, konnte eine wie auch immer geartete Agententätigkeit nicht nachgewiesen werden. Grudas Verbindungen beschränkten sich weitgehend auf wenig einflussreiche Exilpolinnen und -polen.

In den 1950er und 1960er Jahren verfasste oder verantwortete er einige Bücher. Besonders wahrgenommen wurde die Geschichte eines Aushängeschilds des polnischen Sports, der weiblichen 4x100 Meter Leichtathletikstaffel, die 1964 bei den Olympischen Spielen in Tokio Gold gewann. Mit der ihr angehörenden Jahrhundertsportlerin und dreifachen Olympiasiegerin Irena Kirszenstein-Szewińska war er befreundet. Hinzu kamen vereinzelte Zeitschriftenartikel, u.a. für den „Przekrój“ und „Turystyka“ (bei dieser Monatsschrift war er von 1950–1952 verantwortlicher Redakteur)[41].

Seit Ende der 1950er Jahre hatte Gruda losen Kontakt zu Hansjakob Stehle von der FAZ. „Der Redakteur sprach ein recht gutes Polnisch, aber von Sport hatte er wenig Ahnung“, schrieb Gruda später. Unter dem Pseudonym „Karol Wisniewski“ verfasste er zwischen 1959 und 1960 einige Artikel zum polnischen Sport für die FAZ[42]. Der Kontakt blieb den Staatssicherheitsorganen nicht verborgen, auch wenn die Rekonstruktion dieser bescheidenen Zusammenarbeit sie an die Grenzen ihrer Recherchemöglichkeiten brachte.

 

[34] Bogdan Tuszyński: Sport na antenie Polskiego Radia w okresie powojennym (1945–1981), in: Kwartalnik Historii Prasy Polskiej 32 (1993), Nr. 2, S. 105–120, hier S. 108.

[35] Cezary Chlebowski: Bez pokory. Bd. 2, Warszawa 1997, S. 473.

[36] IPN BU 0/208/2036, Bd. 1, Bl. 197 vom 23.4.1963.

[37] IPN BU 0/208/2036, Bd. 2, Bl. 17–18 vom 14.3.1963: Schreiben an die Kommission für Parteikontrolle beim ZK der PZPR; IPN BU 0/208/2036, Bd. 1, Bl. 210–213 vom 20.10.1963: Schreiben an das Büro des Ministers für Innere Angelegenheiten zu Händen von Oberst Marian Janic. Gruda machte darin persönliche Konflikte für seine Entlassung aus der Bürgermiliz verantwortlich. Der Umfang der Ermittlungen gegen ihn war ihm offensichtlich unbekannt.

[39] IPN BU 0/208/2036, Bd. 1 und 2. 

[40] IPN BU 0/208/2036, Bd. 1, Bl. 269: Dienstnotiz vom 14.12.1962.

[41] Vgl. etwa: Dzień poślubny z Mikrusem, in: Przekrój (1959), Nr. 3, S. 9–10, https://przekroj.pl/archiwum/artykuly/34735?f=autor:2519 (zuletzt aufgerufen am 21.03.2024). 

[42] Etwa „Der Kölner Leichtathletik-Länderkampf in polnischer Sicht“, in: FAZ vom 17.9.1959.

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  • Konrad Gruda, ca. 1945

    aus IPN-Akte: Komenda Główna Milicji Obywatelskiej w Warszawie, Akta osobowe funkcjonariusza MO: Konrad Gruda vel Glüksmann / Glücksmann, imię ojca: Zygmunt, ur. 25-10-1915 r., Bd. 2: 1944–1948
  • Konrad Gruda, ca. 1957

    aus IPN-Akte: Ministerstwo Bezpieczeństwa Publicznego w Warszawie, Akta paszportowe: Gruda, Konrad, imię ojca Zygmunt, data urodzenia: 25-10-1915
  • Zofia Gruda (Winnicka-Bieżeńska), ca. 1957

    aus IPN-Akte: Ministerstwo Bezpieczeństwa Publicznego w Warszawie, Akta paszportowe: Gruda, Konrad, imię ojca Zygmunt, data urodzenia: 25-10-1915
  • Konrad Gruda: 4 x 100 dla Polski, Warszawa 1967

    Buchcover
  • Konrad Gruda: Zwölf Uhr einundvierzig. Wird Jan der tödlichen Gefahr entrinnen?, München 1979 [1975]

    Buchcover
  • Konrad Gruda im Interview mit Joanna Skibińska (auf Polnisch)

    Wiesbaden 2001, für Radio Multikulti, Ausschnitt über Begegnungen mit F. Torberg – gekürzt
  • „80-jähriges SPD-Jubiläum“ von Konrad Gruda, SPD Wiesbaden Nord

    Mitgliederehrung am 31.01.2011, von links nach rechts: Heidemarie Wieczorek-Zeul, Konrad Gruda, Thorsten Schäfer-Gümbel, Arno Goßmann