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Dynastische Hochzeiten zwischen polnischen und deutschen Fürstenhäusern Piasten: um 1142 Dobroniega Ludgarda von Polen

Doppelkapelle St. Crucis der ehemaligen Höhenburg Landsberg, errichtet 1156/84 unter Dietrich II., Markgraf der Lausitz, Landsberg (Saalekreis)
Doppelkapelle St. Crucis der ehemaligen Höhenburg Landsberg, errichtet 1156/84 unter Dietrich II., Markgraf der Lausitz, Landsberg (Saalekreis)

um 1142 Dobroniega Ludgarda/Luitgard, Lukardis (1128/1135-1160), Tochter von Bolesław III. Schiefmund/Bolesław III Krzywousty (1086-1138), Herzog von Polen, heiratet Dietrich von Meißen, später Dietrich II., Markgraf der Lausitz, von Landsberg und Eilenburg (um 1125/42-1185)

Dobroniega ist eines von vierzehn Kindern aus der 1115 geschlossenen Ehe des polnischen Herzogs Bolesław III. Schiefmund/Bolesław III Krzywousty mit der deutschen Grafentochter Salome von Berg/Salomea z Bergu (um 1099-1144). Dobroniegas Vater, Sohn von Władysław I. Herman, ist Alleinherrscher von Polen, seit dem er 1007/08 seinen älteren Bruder und Miterben Zbigniew zunächst vertrieben und dann 1112/13 dessen Tod verursacht hat. Bolesław betreibt in den Jahrzehnten nach seiner Eheschließung eine intensive Heiratspolitik, indem er neun seiner Kinder und seine Halbschwester Adelajda/Adelheid in benachbarte europäische Fürstenhäuser verheiratet.

Schon viele Generationen zuvor, 984 und 1018, hat ein Piasten-Herzog, Bolesław I. Chrobry (967-1025), nach Meißen geheiratet beziehungsweise 1002 seine Tochter Regelinda einem Markgrafen von Meißen zur Frau gegeben um diese „Kontaktregion“ (Norbert Kersken, 2015) zwischen Polen und dem Römisch-Deutschen Reich unter seinen Einfluss zu bringen. Möglicherweise haben nach dem Tod Bolesławs III. 1138 Dobroniegas ältere Brüder, Władysław II. der Vertriebene, Bolesław IV. Kraushaar und Mieszko III. der Alte, mit einer Heirat nach Meißen gedrängt um einen Verbündeten in ihren Auseinandersetzungen mit dem Römisch-Deutschen Reich zu gewinnen, wie der polnische Mittelalterhistoriker Karol Maleczyński (*1897) vermutet hat. Dies gilt ähnlich für Dietrichs Familie: Da deren Herrschaftsbereich, nämlich die Markgrafschaft Meißen und die Mark Lausitz, „im Osten an Polen grenzte, lag es […] nahe, politische und eben auch dynastische Beziehungen zu dem dort regierenden Piastenhaus zu suchen.“[1]

Dass sich die Piasten bei ihren Eheverbindungen plötzlich wieder auf die engeren Grenzregionen zu Polen konzentrieren, hat auch mit einem Wechsel in der Führung des Römisch-Deutschen Reichs zu tun. Mit dem Wechsel von Lothar III. zu Konrad III. bei der Königswahl 1138 gelangen die Staufer an die Macht. Damit „verlieren der Osten und der Nordosten des Reichs an Bedeutung für die politische Zentralgewalt im Reich“, und die Entwicklungen bei den östlichen Nachbarn geraten aus dem Blickfeld.[2] Da gleichzeitig mit dem Tod von Bolesław III. und der Einführung der Senioratsverfassung in Polen der Einfluss des Seniors auf Gesamtpolen sinkt, müssen sich die Piasten bei den deutsch-polnischen Beziehungen wieder auf die Territorialherrschaften in den regionalen Kontaktzonen konzentrieren. Seit der Mitte des 12. Jahrhunderts sind dies die wettinischen Markgrafen von Meißen und der Lausitz, die askanischen Markgrafen von Brandenburg und die Erzbischöfe von Magdeburg. Nicht ohne Grund kommt es nach der Heirat zwischen Dobroniega und dem Wettiner Dietrich von Meißen, dem späteren Erben der Lausitz, 1148 zur Hochzeit zwischen einer weiteren Tochter von Bolesław III., Judith/Judyta Bolesławówna, und Otto I., dem Sohn und Nachfolger von Albrecht dem Bären als Markgraf von Brandenburg.[3]

 

[1] Weller 2004 (siehe Literatur), Seite 650

[2] Kersken/Wiszewski 2020 (siehe Literatur), Seite 46

[3] Ebenda

Ihren ersten Namen erhält Dobroniega vermutlich nach der Urgroßmutter Maria Dobroniega von Kiew (1012-1087), der Ehefrau des Piasten-Herzogs Kasimir I. Karl/Kazimierz I Karol (1016-1058). Ihren zweiten Namen Ludgarda/Luitgard oder Lukardis bekommt sie vermutlich erst nach ihrer Hochzeit im Andenken an ihre Schwiegermutter Luitgard von Ravenstein (um 1104-1146). Dass sie diesen Namen erst in Sachsen angenommen hat, ist der rund fünfundsiebzig Jahre später entstandenen Genealogie der Wettiner (Genealogia Wettinensis, 1216/17)[4] zu entnehmen.[5] Der unmittelbare Anlass und das genaue Jahr ihrer Hochzeit sind unbekannt. Um 1142 wäre ihr Vater Bolesław III. bereits gestorben, aber ihre Mutter Salome von Berg hätte noch gelebt. Möglicherweise ist Dobroniega schon früh in einem Abkommen zwischen Bolesław und Dietrichs Vater, Konrad von Meißen (1098-1157), verlobt worden.

Dietrich II., zweitältester Sohn des Markgrafen Konrad I. von Meißen und der Mark Lausitz und dessen Ehefrau Luitgard von Ravenstein (möglicherweise aus dem Geschlecht der Staufer), ist Nachkomme aus dem seit der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts nachweisbaren Geschlecht der unweit von Halle (Saale) ansässigen Grafen von Wettin. Der Vater wird 1123 Markgraf von Meißen und 1136 Markgraf der Lausitz. 1156 legt dieser jedoch sein Amt nieder, indem er im Dom zu Meißen in Anwesenheit der Geistlichkeit und des adligen Gefolges symbolisch seine Herrschaftsinsignien und seine Waffen ablegt und als Laienbruder in das Kloster Lauterberg (heute Kloster Petersberg im Saalekreis) eintritt. Den Besitz teilt er unter seinen drei Söhnen auf. Dietrich erhält Eilenburg und die Mark Lausitz. Bei dem unweit des Klosters gelegenen Ort Landsberg, der heutigen Stadt Landsberg (Saalekreis), errichtet er eine Höhenburg. 1174 wird er in Urkunden als „Comes de Landsberc“ bezeichnet, was auf die im Bau befindliche oder bereits fertiggestellte Burg hindeutet, von der heute nur noch die zweistöckige, also zwei verschiedenen Funktionen dienende Doppelkapelle St. Crucis existiert (Titelbild).

„Zu einem engeren Zusammenwirken zwischen Markgraf Dietrich und den Piasten ist es indessen nie gekommen“, so der Historiker Tobias Weller, „vielmehr waren ihre Beziehungen recht problematisch.“[6] Dietrich II. gehört zum engeren Kreis von Kaiser Friedrich Barbarossa. 1157 begleitet er den Kaiser auf dessen erstem Polenfeldzug bis vor Posen, der mit der Unterwerfung von Dietrichs Schwager Bolesław IV. endet. Auch am Polenfeldzug des Kaisers im Jahr 1172 wieder gegen Bolesław scheint er beteiligt gewesen zu sein. 1176/77 folgt er Barbarossa nach Italien im Feldzug gegen die Städte des Lombardenbunds.

Möglicherweise hat das familiäre Zerwürfnis dazu beigetragen, dass Dietrich seine Frau bereits in den 1050er-Jahren verlässt und eine außereheliche Beziehung mit Kunigunde von Plötzkau eingeht, der Witwe des Grafen Bernhard II. von Plötzkau, Hecklingen und Walbeck. Dieser ist 1147 während des zweiten Kreuzzugs in Armenien zu Tode gekommen. Über das weitere Schicksal von Dobroniega Ludgarda ist nichts bekannt. Sie und Dietrich von Landsberg haben zwei Kinder: Konrad, der 1175 bei einem Reiterturnier stirbt, und Gertrud, die als Nonne ins Kloster Gerbstedt im Südharz geht, das seit 1014 den Grafen von Wettin gehört. Mit Kunigunde von Plötzkau hat Dietrich einen Sohn, Dietrich von Meißen, der wegen seiner illegitimen Geburt nicht als Nachfolger des Markgrafen in Betracht kommt und daher ein geistliches Amt ergreift. Er wird 1201 zum Bischof von Merseburg gewählt.

[4] Bayerische Akademie der Wissenschaften, Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters, http://www.geschichtsquellen.de/werk/2436

[5] „Tidericus Orientalis marchio duxit uxorem sororem Meseconis ducis Poloniae, Dobernegam nomine, que eciam Lukardis dicta est …“ Vergleiche Weller 2004 (siehe Literatur), Seite 650

[6] Weller 2004 (siehe Literatur), Seite 651

Dietrich II. stiftet 1165 mit Unterstützung des Magdeburger Erzbischofs Wichmann, eines Verwandten aus dem Haus Wettin, und des masowischen Bischofs Werner von Płock die in der Lausitz gelegene Zisterzienserabtei Dobrilugk als Hauskloster und Grablege seiner Familie. Er stirbt jedoch 1185 vor Vollendung des Klosters an einer Krankheit, die im Jahr zuvor auf dem Mainzer Hoftag ausgebrochen ist, und wird auf dem Lauterberg bestattet. Das Erbe als Markgraf der sächsischen Ostmark tritt sein Bruder Dedo V. an.

Axel Feuß, Juli 2021

 

Literatur:

Norbert Kersken / Przemysław Wiszewski: Neue Nachbarn in der Mitte Europas: Polen und das Reich im Mittelalter (WBG Deutsch-polnische Geschichte, 1: Mittelalter), Darmstadt 2020

Norbert Kersken: Heiratsbeziehungen der Piasten zum römisch-deutschen Reich, in: Fernhändler, Dynasten, Kleriker. Die piastische Herrschaft in kontinentalen Beziehungsgeflechten vom 10. bis zum frühen 13. Jahrhundert, herausgegeben von Dariusz Adamczyk und Norbert Kersken, Wiesbaden 2015, Seite 85, 98 f., 102 f.

Michael Lindner: Dietrich von Landsberg, in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e.V., 2014, Online-Ausgabe: https://saebi.isgv.de/biografie/Dietrich_(II.)_von_Landsberg_(1142-1185)

Reinhard Schmitt: Zur Baugeschichte der Doppelkapelle in Landsberg (Saalekreis) vom 12. bis zum späten 19. Jahrhundert, in: Zeiten und Wege. Landsberg als historischer Vernetzungsort sächsischer Geschichte zwischen Mittelalter und Moderne (Beiträge zur Landsberger Regionalgeschichte, 2), herausgegeben von Stefan Auert-Watzik / Henning Mertens, Landsberg 2014, Seite 91-128

Michael Lindner: Dietrich, Dedo und Konrad von Landsberg. Markgrafen der Ostmark (1156–1210). Eine politisch-herrschaftliche Skizze aus der Zeit des hochmittelalterlichen Landesausbaus, in: Peripherien sächsischer Geschichte. Mitteldeutschland, Seeburg und Landsberg als Herrschafts- und Kulturräume der Ekkehardiner und Wettiner 743–1347 (Beiträge zur Landsberger Regionalgeschichte, 1), herausgegeben von Stefan Auert-Watzik / Henning Mertens, Halle (Saale) 2011, Seite 267-290

Eduard Mühle: Die Piasten. Polen im Mittelalter, München 2011

Karol Maleczyński: Bolesław III Krzywousty (1975), Krakau 2010

Owald Balzer: Genealogia Piastów, 2. Auflage, Krakau 2005

Kazimierz Jasiński, Rodowód pierwszych Piastów, 2. Auflage, Poznań 2004, Seite 251-254

Reinhard Schmitt: Zur Baugeschichte der Doppelkapelle in Landsberg, Saalekreis. In: Burgen und Schlösser in Sachsen-Anhalt 13, Halle (Saale), 2004, Seite 54-80

Tobias Weller: Die Heiratspolitik des deutschen Hochadels im 12. Jahrhundert (Rheinisches Archiv, 149; zugleich Dissertation Universität Bonn, 2002), Köln und andere 2004

Kazimierz Jasiński: Powiązania genealogiczne Piastów (małżenstwa piastowskie), in: Piastowie w dziejach Polski, herausgegeben von Roman Heck, Wrocław 1975, Seite 135-148

Karol Maleczyński: Dobronega Ludgarda, in: Polski Słownik Biograficzny, Band 5, 1939-46, Seite 248

Heinrich Theodor Flathe: Dietrich von Landsberg, in: Allgemeine Deutsche Biographie 5 (1877), Seite 186 [Online-Version], https://www.deutsche-biographie.de/sfz42125.html#adbcontent

(alle Links wurden zuletzt im Juli 2021 aufgerufen)

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Piasten

Um 978 Mieszko I.

984 Bolesław I. Chrobry

1002 Regelinda/Reglindis

1013 Mieszko II. Lambert

1018 Bolesław I. Chrobry

1088 Władysław I. Herman

1115 Bolesław III. Schiefmund/Bolesław III Krzywousty

vor 1118 Adelajda/Adelheid

1148 Judith/Judyta Bolesławówna