ZWEI BIOGRAPHIEN – EIN SCHICKSAL: Irena Bobowska – Bronisława Czubakowska

Gedenkstätte Berlin-Plötzensee, Hinrichtungsbaracke von Innen
Gedenkstätte Berlin-Plötzensee, Hinrichtungsbaracke von Innen

Und nicht zu bereuen, was gewesen ist,
Und nicht zu fürchten, was kommen mag!

 

Irena Bobowska kam am 3. September 1920 in Posen (Poznań) zur Welt und wuchs in der Tradition der Unabhängigkeit auf, wobei sie eine schwere Kinderlähmung zeitlebens an den Rollstuhl gefesselt hat.[2] Ihr starker Charakter und ihr Überlebenswille halfen ihr jedoch, eine weiterführende Schule abzuschließen sowie ihre musikalische und poetische Begabung zu entwickeln. Außerdem hat sie sich gesellschaftlich engagiert. So geht unter anderem die Gründung der ersten Jugendbibliothek in Posen auf sie zurück. Als im Sommer 1939 Besatzungen für bemannte Torpedos angeworben wurden, hat sie sich freiwillig gemeldet ohne ihren Eltern etwas davon zu sagen.[3] Ende 1939 trat sie der konspirativen Polnischen Militärorganisation (Polska Organizacja Zbrojna, abgekürzt POZ) bei sowie im Frühjahr 1940 der Militärorganisation der Westgebieten (Wojskowa Organizacja Ziem Zachodnich). Irena Bobowska war Mitbegründerin und Autorin der Zeitschrift „Pobudka“ (Weckruf), des Sprachrohrs der POZ.

Im Juni 1940 kam die junge Frau in Posen in Haft. Bei den anschließenden Vernehmungen wurde sie seelisch und körperlich gefoltert, sie wurde geschlagen und gedemütigt, auch indem ihr der Rollstuhl weggenommen wurde. Anschließend saß sie in der Vollzugsanstalt in Berlin-Spandau und im Gefängniskrankenhaus in Berlin-Alt Moabit ein.

Im August 1942 traf das Oberlandesgericht Posen zu seiner auswärtigen Sitzung in Berlin zusammen, in der es drei der vier Angeklagten wegen „Hochverrats“ zum Tode verurteilte. Außer Irena Bobowska noch die Männer Stanisław Michalski, Deckname „Łoś“ (Elch), Mitarbeiter der Zeitung „Kurier Poznański“ (Posener Kurier) sowie den Kaufmann und Pfadfinder Radziwój Zakrzewski. Der vierte Angeklagte, Herbert Lorkowski, wurde zu sechs Jahren Straflager verurteilt.[4]

Am 27. September 1942 wurde Irena Bobowska im Morgengrauen unter der Guillotine in Berlin-Plötzensee hingerichtet.

 

„Denn ich lerne die höchste Lebenskunst“

Stets und überall zu lächeln
Und Schmerzen klaglos zu ertragen,
Und nicht zu bereuen, was gewesen ist,
Und nicht zu fürchten, was kommen mag!
Ich kostete den Geschmack von Hunger
Und schlafloser Nächte (lang ist es her)
Und ich weiß, wie Kälte sticht,
Wenn du dich zusammenrollen willst,
Um dich vor ihr zu schützen.
Und ich weiß, was es heißt,
Tränen der Ohnmacht zu vergießen,
An so manchem hellen Tag,
In so mancher dunklen Nacht.
Und ich lernte, die Zeit, die sich so gnadenlos
Hinzieht, mit meinem Geist voranzutreiben
Und ich weiß, wie sehr man mit sich ringen muss,
Um nicht zu stürzen und nicht zu ermüden
Dieser Weg scheint endlos zu sein…
Und ich lerne immer noch die höchste Lebenskunst:
Stets und überall zu lächeln
Und Schmerzen klaglos zu ertragen,
Und nicht zu bereuen, was gewesen ist,
Und nicht zu fürchten, was kommen mag![5]

 

„Ihre Poesie sprach nicht nur den Leidensgefährtinnen und -gefährten Mut und Kraft zu, sondern auch den Häftlingen im KZ Auschwitz. Nach dem Krieg half sie den politischen Gefangenen in [Bydgoszcz-]Fordon zu überleben“, formulieren die Autorinnen der „Polkopedia“ [Online-Enzyklopädie der im Ausland lebenden Polinnen - Anm. d. Übers.].[6] 

 

[2] Der Vater von Irena Bobowska, Teodor, „kehrte vor dem Ausbruch des Großpolnischen Aufstands nach Posen zurück und organisierte (…) den Diebstahl geheimer deutscher Militärunterlagen, die später in die Hände der Alliierten gelangten. Er beteiligte sich am [Großpolnischen] Aufstand“, berichtet Elżbieta Kargol der „Polkopedia“. Er nahm am polnisch-sowjetischen Krieg teil, wurde nach dem deutschen Überfall auf Polen als Kriegsgefangener von den Sowjets interniert und 1940 in Katyn ermordet.

[3] Im Gegensatz zu den ersten bemannten Torpedos (Bangalore Stoßminen), die im chinesisch-japanischen Krieg (1937–1945) eingesetzt wurden, sah das Projekt der polnischen Kriegsmarine „den Einsatz einer Selbstmordwaffe aus taktischen Erwägungen nicht vor.“

[4] Kopie des Urteils, Aktenzeichen 2 O Js. 89/42 (84), im Bestand des IPN (=Instytut Pamięci Narodowej; dt. Institut für Nationales Gedenken), siehe auch: https://www.dziewuchyberlin.org/wp-content/uploads/2021/03/wyrok-IB.png

[5] Verfasst 1941 im Gefängnis in Wronki (dt. Wronke).

Mediathek
  • Gedenkstätte Berlin-Plötzensee

    Hinrichtungsbaracke von Innen
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    Hofansicht mit Gedenkmauer
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    Hinrichtungsbaracke aus Sicht des nicht mehr existierenden Gefängnisflügels
  • Gedenkstätte Berlin-Plötzensee

    Infotafel über ein polnisches Ehepaar aus der Nähe von Konin, das wegen Hilfeleistung für einen russischen Kriegsgefangenen zum Tode verurteilt wurde
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    Dokumentationssaal zur Geschichte des Gefängnisses und zur Rolle der Justiz im Dritten Reich
  • Gedenkstätte Berlin-Plötzensee

    Fotokopie einer „Kostenrechnung“ für die Angehörigen einer zum Tode Verurteilten Person
  • Gedenkstätte Berlin-Plötzensee

    Informationen über Bronisława Czubakowska, Archiv der Gedenkstätte
  • Bronisława Czubakowska

    Graphik aus dem Gedächtnis gezeichnet
  • Aufhebung des Todesurteils gegen Bronisława Czubakowska (29.04.2005)

    Verfügung des Generalstaatsanwalts des Landes Brandenburg
  • Anna Krenz bei der Performance der Gruppe Dziewuchy Berlin für Irena Bobowska

    Berlin, 8.03.2021
  • Anna Krenz bei der Performance der Gruppe Dziewuchy Berlin für Irena Bobowska

    Berlin 8.03.2021
  • Gedenktafel in Posen (2012)

    Am Irena-Bobowska-Platz (skwer im. Ireny Bobowskiej, Poznań)