Słubfurt und Nowa Amerika
Słubfurt ist aber auch ein Kontaktnetzwerk, das den Bürgern der Grenzregion den Alltag erleichtert, wozu das sogenannte „Repair Café“ seinen Beitrag leistet. An diesem Ort werden alte und defekte Gegenstände wieder einsatzbereit gemacht, wobei die Einwohner beider Städte die Instandsetzungen selbst durchführen. Einen Austausch von Dienstleistungen auf Gegenseitigkeit bietet auch die „ZeitBankCzasu“genannte Tauschbörse kostenlos an, bei der jeder seine Zeit und seine Fähigkeiten gegen die Zeit und die Fähigkeiten eines anderen eintauschen kann. Mit diesem Ansatz wurden Polnischkurse gegen Deutschkurse, Übersetzungen von Urkunden und Lauftreffs auf beiden Seiten der Oder etabliert. Außerdem ging im Mai 2012 das Internetradio Słubfurt auf Sendung, das von Freunden dieses Mediums betrieben wird. Das Programm bietet Interviews, Ankündigungen lokaler Ereignisse und Berichte, die mehrfach im Monat zu hören sind.
Der Erfolg von Słubfurt bewog die deutschen und die polnischen Künstler im März 2010 dazu, noch einen Schritt weiter zu gehen und das Projekt der imaginären Stadt auf das ganze Grenzland auszudehnen. So entstand entlang der Oder und der Neiße„Nowa Amerika“ [Neues Amerika], auch ein Kunstprojekt, dass nun jedoch nicht nur die Bewohner einer Stadt, wie in Słubfurt einbezog, sondern fast die gesamte Grenzregion von Gubin [Guben] bis nach Szczecin [Stettin]. „Nowa Amerika“ besteht aus vier „Bundesstaaten“: „Lebuser Ziemia“, „Schlonsk“ in Schlesien, „Terra Incognita“ in der Gegend von Chojna und „Szczettistan“ im Großraum Szczecin, wobei sich die Gebiete aller Bundesstaaten auf der deutschen und auf der polnischen Seite der Grenze befinden.
Auch wenn das Projekt ein künstlerisches Konstrukt ist, hat „Nowa Amerika“ seine Wurzeln in der Wirklichkeit. Friedrich der Große (1712-1786), der König von Preußen, trug zwar einerseits zur Teilung Polens bei, was die Gründer von „Nowa Amerika“ eindeutig negativ beurteilen, andererseits gelang es ihm jedoch, neues Land wie den Oderbruch zu gewinnen ohne einen Krieg zu führen. Weniger bekannt ist, dass Friedrich der Große die Trockenlegung der Sumpf- und Moorlandschaft am Unterlauf der Warthe in Auftrag gegeben hat. So entstand das Gebiet, das als Warthebruch bezeichnet wird. Den Anstoß zu diesen Maßnahmen gab der Besuch einer Bauerndelegation, die beim König um die Genehmigung zur Ausreise nach Amerika ersuchte, wo ihnen kostenloser Grund und Boden versprochen worden war. In der Heimat wurden ihre Flächen immer wieder von Überschwemmungen heimgesucht, wodurch sie unbrauchbar waren.[1]
Angeblich hatte Friedrich der Große den Bauern damals gesagt, dass er ihnen vor Ort ein Amerika schaffen werde, was letztlich auch geschah. Das trocken gelegte Land wurde bald von Bauern besiedelt, denen der Herrscher Häuser und Ackerland schenkte und die Steuern erließ. Unter ihnen gab es viele Polen, da die preußische Bevölkerung im Zuge vieler Kriege dezimiert wurde.[2] Es gab auch Holländer, die sich mit der Trockenlegung von Sümpfen auskannten wie sonst niemand.
[1] Beata Bielecka, Obrazki jak z dzikiego zachodu w naszej Ameryce nad Odrą, [in:] Gazeta Lubuska, 21.08.2014, online: http://www.gazetalubuska.pl/wiadomosci/slubice/art/7459547,obrazki-jak-…
[2] Ebenda.