Polnisches Mahnmal in Menden – Erinnerung an Opfer der NS-Zwangsarbeit

Das Polnische Mahnmal auf dem Friedhof des Ortsteils Lendringsen in Menden
Das Polnische Mahnmal auf dem Friedhof des Ortsteils Lendringsen in Menden.

Dimensionen der Untertage-Verlagerung
 

Schwalbe I war die erste U-Verlagerung, also eine Rüstungsproduktionsstätte unter der Erdoberfläche, in der eine Raffinerieanlage für den gesamten Produktionsvorgang eines synthetischen Treibstoffs ermöglicht werden sollte.[7] Auf Anordnung des Reichskommissars für Sofortmaßnahmen Edmund Geilenberg wurde am 27.07.1944 im Grünen Haus der Rheinisch-Westfälischen Kalkwerke im Hönnetal eine Geheimbesprechung abgehalten, in der der sofortige Startschuss für das Bauvorhaben Schwalbe I beschlossen wurde.[8] Etwa 60 Vertreter aus den Fachbereichen wie z. B. Bergbau, Geologie und Ingenieurswesen wurden zu diesem Treffen eingeladen und berieten über den Ausbau des Steinbruchs Emil I für Zwecke der NS-Rüstungsproduktion. Die Bauarbeiten wurden auf die Einsatzgruppe Rhein-Ruhr der paramilitärischen Bautruppe Organisation Todt übertragen.[9]

Um das enorme Bauvorhaben realisieren zu können, wurden verschiedene Firmen aus der Region herangezogen und massenweise deutsche und ausländische Arbeitskräfte für die Arbeit in der U-Verlagerung zwangsverpflichtet. Nach aktuellem Forschungsstand lässt sich von einer Anzahl von über 8.000 Zwangsarbeitenden ausgehen, die für das Projekt Schwalbe I eingesetzt wurden und in mehreren Lagern in der näheren Umgebung untergebracht waren.[10] Es waren Strafgefangene sowie KZ-Häftlinge, die aus verschiedenen Ländern Europas stammten sowie zivile Arbeitskräfte aus dem In- und Ausland, die von Firmen für die Arbeit in Schwalbe I herangezogen wurden.[11] Aber auch deutsche Arbeits- und Fachkräfte wurden für das Projekt im Hönnetal zwangsverpflichtet.[12] Ob Kriegsgefangene aus dem in der Nähe gelegenen Stalag VI A in Hemer ebenfalls in der U-Verlagerung eingesetzt wurden ist nach aktuellem Stand nicht bekannt – bisher gebe es in den Quellen keine Hinweise darauf, so Hassel und Klötzer.[13] Insgesamt sollen durch die Zwangsarbeitenden innerhalb weniger Monate etwa 600.000 Kubikmeter Kalkstein in dem ehemaligen Steinbruch Emil I abgebaut worden sein.[14] Die schweren, teils lebensgefährlichen Arbeiten, wie z. B. Sprengungen des Stollens und das Entfernen des freigesprengten Gesteins, sowie Gewalt, drakonische Strafen und Schikane durch die SS, das Wachpersonal und die Betriebsführer forderten bei den Zwangsarbeitenden viele Todesopfer, die bis heute nicht alle identifiziert werden konnten – auch, weil diese nicht immer dokumentiert wurden.[15] An einen Teil dieser Opfer erinnert heute das Denkmal auf dem Lendringser Friedhof, welches insgesamt 132 Tote durch Zwangsarbeit in Schwalbe I auflistet – 33 davon polnischer Herkunft (Bild 1).

 

[7] Zuvor waren nur Teilprozesse der Herstellung von synthetischem Benzin in U-Verlagerungen eingerichtet worden; vgl. ebd.

[8] Vgl. ebd., S. 18.

[9] Vgl. ebd., S. 18 f.

[10] Vgl. ebd., S. 82.

[11] Folgende Herkunftsländer der Zwangsarbeitenden in Schwalbe I sind nach derzeitigem Stand bekannt: Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Jugoslawien, Niederlande, Österreich, Polen, Sowjetunion, Tschechoslowakei.; vgl. ebd., S. 81, S. 85.

[12] Vgl. ebd., S. 83 ff.

[13] Vgl. ebd., S. 150.

[14] Vgl. Koch, Michael: Erinnerung an Sklavenarbeit im Hönnetal.

[15] Vgl. Hassel, Horst / Klötzer, Horst, S. 88.

Mediathek
  • Bild 1: Polnisches Mahnmal in Menden von 1947

    Friedhof Lendringsen
  • Bild 2: Inschrift auf dem Mahnmal

    Zum Gedenken an die polnischen Opfer des Strafgefangenenlagers Biebertal in Lendringsen
  • Bild 3: Namen der polnischen Opfer

    Tafel mit den 33 Namen
  • Bild 4: Namen der italienischen Todesopfer in Folge der Zwangsarbeit in Schwalbe I

    Tafel mit 9 italienischen Namen sowie weiterer 41 deutscher und 3 österreichischer Opfer
  • Bild 5: Namen weiterer Opfer

    Todesopfer aus Frankreich (14), Belgien (5), den Niederlanden (5) und Dänemark (1)
  • Bild 6: Namen weiterer Opfer

    Todesopfer aus Russland (13), der Tschechoslowakei (1) und Jugoslawien (1)
  • Bild 7: Namen der deutschen Opfer des Strafgefangenenlagers Biebertal, 1986 ergänzt

    Friedhof Lendringsen
  • Bild 8: Namen der deutschen Opfer des Strafgefangenenlagers Biebertal, 1986 ergänzt

    Friedhof Lendringsen
  • Bild 9: Namen der deutschen und österreichischen Opfer des Strafgefangenenlagers Biebertal, 1986 ergänzt

    Friedhof Lendringsen
  • Bild 10: Polnisches Mahnmal auf dem Friedhof Lendringsen von 1947 (1986)

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