Das Ehrenmal auf dem Dortmunder Hauptfriedhof
Vielerorts entschlossen sich die Displaced Persons, einen Ehrenfriedhof oder ein Denkmal zu errichten, um für eine würdige Begräbnisstätte zu sorgen und an die Verstorbenen und ihr Schicksal zu erinnern. So legten sich beispielsweise die Bewohner des Lagers „Durzyn“ in Wildflecken, das zeitweise bis zu 20.000 DPs aufnahm, einen polnischen Friedhof am Rande des Lagergeländes an. Auch in anderen großen Lagern wie Bergen-Belsen oder Flossenbürg entstanden Friedhöfe, Andachtsstätten und Denkmäler.
Die polnischen DPs des vergleichsweise kleinen Lagers in Dortmund erwogen ebenfalls den Bau einer Erinnerungsstätte. Das Lager Nr. 8 war in der ehemaligen Artilleriekaserne in Dortmund unter- gebracht. Es lag in direkter Nähe zum Dortmunder Hauptfriedhof.
Das Planungskomitee entschied, auf dem Hauptfriedhof ein Ehrenmal zu errichten. Es wurde in Form einer lang gestreckten Mauer aus Sandstein ausgeführt, auf der in zehn Feldern die Namen der 1939–1945 in Dortmund und Umgebung „gefallenen“ Polen verzeichnet wurden. In der Mitte des Ehrenmals prangte der polnische Adler und direkt vor dem polnischen Staatswappen wurde ein drei Meter hohes Kreuz errichtet.
Am 7. April 1946 konnte das Ehrenmal feierlich eingeweiht werden. Die Einladung zur Einweihungsfeier berichtete von vielen Schwierigkeiten, die während der Planung und der achtmonatigen Bauzeit überwunden werden mussten. Nach einem Gottesdienst in der Lagerkapelle folgte der Marsch zum benachbarten Hauptfriedhof. Am Ehrenmal wechselten sich die Reden des polnischen Lagerkommandanten, des Pfarrers und des Vorsitzenden des Lagerrates mit musikalischen Beiträgen des polnischen Schulchors ab.
Nach der Weihe und der Kranzniederlegung folgte programmgemäß die Übergabe des Ehrenmals an die Polonia von Dortmund. Damit erfolgte ein bemerkenswerter Brückenschlag zwischen der Gruppe der sogenannten Ruhrpolen, die seit Ende des 19. Jahrhunderts im Ruhrgebiet lebten, und den Polen, die während des Kriegs nach Deutschland verschleppt worden waren und nun im Ruhrgebiet als Displaced Persons vorübergehend festsaßen.
Tatsächlich war das Verhältnis zwischen den Resten der alten Polonia im Ruhrgebiet und den polnischen Displaced Persons nicht immer einfach. So wurden viele Ruhrpolen von den Alliierten Behörden als Alteingesessene behandelt und erhielten somit eine deutlichgeringere Unterstützung mit Lebensmitteln als die DPs in den Lagern. Das löste Neid und Unverständnis aus. Manche Polen, die bereits vor dem Krieg in Deutschland gelebt hatten, versuchten, sich als Displaced Persons auszugeben, um von der besseren Versorgung zu profitieren und die Chancen für eine Auswanderung zu erhöhen. Aus der Übergabe des Ehrenmals durch die DPs in die Obhut der ansässigen Polonia von Dortmund wird deutlich, dass die DPs auf die Kontinuität der Polonia setzten und dabei davon ausgingen, dass sie sich selbst nur vorübergehend in Deutschland aufhalten würden. Entsprechend wurde die dauerhafte Sorge für die Erinnerung an die Opfer von Krieg und Zwangsarbeit in die Hände der Ruhrpolen gelegt.
Dietmar Osses, September 2018