Polnisches Gymnasium in Beuthen
Programm
Das Polnische Gymnasium in Beuthen übernahm die deutsche Organisation des Schuljahres und die deutsche Schulstruktur. Dies verursachte in der Anfangsphase der Schule Probleme, die aus den Unterschieden der beiden Schulsysteme hinsichtlich Zeitplanung und Programm resultierten. Das Schulsystem in Deutschland sah eine neunjährige Ausbildungszeit vor, so dass die Jugendlichen die Schule ein Jahr länger als in Polen besuchten. Zudem lag der deutsche Schuljahresbeginn nach den Osterferien, also fünf Monate früher als in Polen. Infolge dessen mussten die Schüler aus Lublinitz (Lubliniec), die an die Schule in Beuthen wechselten, die bereits abgeschlossene Klasse wiederholen. Diese fünf Monate, die sich aus den Systemunterschieden ergaben, wurden dazu genutzt, eventuelle Lücken aufzuholen, die in den Unterschieden der Lehrpläne begründet waren, da das Beuthener Gymnasium auf Grundlage des Unterrichtsprogramms und des Unterrichtsplans für klassische Gymnasien im deutschen Ausbildungssystems gearbeitet hat. Eine Ausnahme stellte der Polnischunterricht dar, der von der sechsten bis zur vierten Klasse vier Stunden die Woche, in der dritten und der unteren zweiten Klasse drei Stunden die Woche sowie in der oberen zweiten und in den ersten Klassen zwei Stunden die Woche durchgeführt wurde. Insofern nahmen die Schüler in ihrer gesamten Schulausbildung an insgesamt 27 Wochenstunden Polnischunterricht teil.[15] Auch die Bezeichnungen der einzelnen Klassen wurden aus dem deutschen System übernommen: Die Schulausbildung begann mit der Sexta (sechste Klasse) und endete mit der Oberprima (erste Klasse), die mit dem Abitur abgeschlossen wurde. Der von dem Polnischen Gymnasium vorgeschlagene Schulbuchkanon, der zwar auf den deutschen Programmen gründete, jedoch vornehmlich polnische Titel enthielt, rief unter den Vertretern der deutschen Verwaltung Kontroversen hervor. Negative Rezensionen der meisten dieser Titel verursachten viele Verwirrungen technischer Art. Die regulären Visitationen der Schule belegen, dass die fehlende Zulassung der Titel die Durchführung des Unterrichts erschwerte. Die Schulbücher aus Polen einzuführen, scheiterte trotz Genehmigung ebenfalls, da die Vorschriften über den Grenzverkehr unter anderem die Frage des Devisenumtauschs zum Einkauf notwendiger Bücher genau regelten.[16]
In das Beuthener Gymnasium traten Jugendliche ein, die eine vierte Klasse einer Volksschule abgeschlossen sowie schriftliche Prüfungen in den Fächern Deutsch und Rechnen abgelegt hatten. Die Bewerber hatten Dokumente wie den Lebenslauf, die Geburtsurkunde, den Taufschein, den Impfausweis sowie das zuletzt erworbene Schulzeugnis und die Bescheinigung ihrer Staatsangehörigkeit einzureichen.[17]
Zu den Betätigungen der Schüler jenseits des Unterrichts gehörten Teilnahmen am polnischen Literatur- und Theaterkreis, an Zirkeln für Deutsch, Philologie, Mathematik, Musik, Landeskunde, Tanz, Schachspiel, Zeichnen und Gestalten sowie an den beiden Schulsportzirkeln „Przyszłość” (Zukunft) und „Ruch” (Bewegung), letztere mit den Sektionen Leichtathletik, Turnen, Spiele und Zeitvertreib. Zudem gab es auch den Schulchor, die Fürst-Józef-Poniatowski-Pfadfindergruppe (Drużyna Harcerska im. ks. Józefa Poniatowskiego), deren Mitglieder der I.-Zawisza-Czarny-Pfadpfindergruppe (I Drużyna Harcerska im. Zawiszy Czarnego) in Beuthen angehörten, sowie die schuleigene Genossenschaft, die den Schulkiosk[18] betrieb und die Schülerzeitung – „Idziemy” (Wir gehen)[19] herausgab.
Das Personal des Gymnasiums
Beim pädagogischen Personal überwogen Lehrer mit polnischer Staatsangehörigkeit. Unter den 30 Lehrern, die von 1932 bis 1939 am Beuthener Gymnasium gearbeitet haben, besaßen 23 die polnische und nur sieben die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Auswahl der Kandidaten besorgten die Bezirksschulkuratorien in Schlesien, Posen, Krakau und Lemberg. Die Lehrer nahmen ihre Beschäftigung in Beuthen in Anbetracht der Schikanen der deutschen Behörden freiwillig auf. Die Ausländer bekamen lediglich ein Aufenthaltsvisum für ein Jahr, so dass die Schulleitung die ständige Fluktuation der Lehrkräfte in Betracht zu ziehen hatte. Ein Lehrer, der polnische Staatsbürger war, hatte zwei Genehmigungen vorzuweisen: zum einen eine Arbeitsgenehmigung der deutschen Schulbehörde und zum anderen eine Aufenthaltsgenehmigung der Polizei. Damit die Zahl der Lehrer gleich blieb, hat die Polnisch-Katholische Schulgesellschaft (Polsko-Katolickie Towarzystwo Szkolne) jedes Jahr neue Anträge auf Erteilung dieser Genehmigungen gestellt. Auch die Finanzvorschriften hinsichtlich des kleinen Grenzverkehrs in den grenznahen Gebieten bereiteten den Lehrern Schwierigkeiten, da sie den Umtausch polnischen Geldes in Mark beschränkten. Eine Information darüber wurde jedes Mal im Pass vermerkt, was den polnischen Lehrern regelmäßige Besuche in Polen erschwerte. Die Verbreitung polnischer Bücher und polnischer Presseerzeugnisse war ebenfalls verboten.[20]
Erster Direktor der Schule wurde Miłosz Sołtys, der diese Funktion, wie schon erwähnt, von Juli bis Oktober 1932 nur wenige Monate ausübte, da er von den deutschen Behörden negativ beurteilt wurde. Zu seinem Nachfolger wurde Wiktor Nechay de Felseise berufen, dem das Aufenthaltsrecht und die Lehrberechtigung im Reichsgebiet bis 1936 entzogen worden war. Nach ihm wurde Florian Kozanecki, der Initiator der Interessezirkel zur künstlerischen, sportlichen bzw. landeskundlichen Entwicklung der Jugend, zum Direktor ernannt, allerdings bereits 1937 wieder abgesetzt. Danach wurde das Gymnasium bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und zur Schließung der Schule von Piotr Miętkiewicz geleitet, der 1939 wegen seiner Erkrankung von Józef Henke unterstützt wurde.[21]
In ihrem ersten Jahr beschäftigte die Schule 13 Lehrkräfte, wobei deren Zahl mit dem wachsenden Zulauf an Schülern stieg. Die meisten Lehrer, nämlich 23, verzeichnete das Beuthener Gymnasium 1937. In ihrer gesamten Wirkungszeit der Schule hatte sie insgesamt 30 Lehrer, von denen jedoch nur fünf durchgehend, also von der Gründung bis zu ihrer Schließung, an der Beuthener Schule beschäftigt waren. Dem Lehrkörper gehörten an: Józef Henke, Edmund Maćkowiak, Pfarrer Franciszek Nawrot, Stanisław Olejniczak und Witold Przybylski. 1937 wechselte ein Teil des pädagogischen Personals ans Polnische Gymnasium in Marienwerder (Kwidzyn), was den Verlust sehr vieler Schüler in Beuthen nach sich zog. Zum Direktor der neu gegründeten Einrichtung in Marienwerder (Kwidzyn) wurde Władysław Gębik ernannt, in dessen Gefolge eine Gruppe von 79 Schülern den Ortswechsel vollzog.[22]
Seit 1932 beteiligten sich die Lehrer des Gymnasiums an der Arbeit der Polnischen Volksuniversität (Polski Uniwersytet Ludowy) in Beuthen, einer Einrichtung ohne institutionalisierte Form, die Erwachsenen beiderlei Geschlechts, die das 18. Lebensjahr beendet hatten, Selbststudien bot. An der Universität wurden Vorlesungen über polnische Geschichte, Theologie, Gesundheitserziehung und zur kulturellen Identität Schlesiens gehalten. Die Wissensverbreitung war ein Impuls zur Umsetzung der gesellschaftlichen und nationalen Ziele. Die Vortragenden stellten auch kleine Broschüren mit erweiterten Versionen ihrer Vorlesungen zusammen. Mit der Leitung der Volksuniversität wurde Edward Szwed, Lehrer am Beuthener Gymnasium, betraut. Die Vortragenden an der Universität traten ehrenamtlich auf.[23]
Die Polnische Volksuniversität in Beuthen bestand lediglich fünf Jahre. An den Vorlesungen nahmen insgesamt an die 20.000 Menschen teil. Zu den ständigen Zuhörern zählten auch die Schüler des Polnischen Gymnasiums. Die Vorlesungen wurden in 58 Ortschaften gehalten. Zu den wichtigsten gehörten Bytom (Beuthen), Nakło (Naklo), Racibórz (Ratibor), Mikulczyce (Mikultschütz), Ciski (Czissek), Gliwice (Gleiwitz) und Zabrze (Hindenburg). Am 10. Dezember 1936 erließen die deutschen Behörden ein Verbot aller öffentlichen Aktivitäten der Schüler und Lehrer, die in keinem Zusammenhang mit dem Schulunterricht standen. Das Verbot erstreckte sich auf die Teilnahme an Hochschulkursen, an lokalen Feierlichkeiten und an Abendveranstaltungen. Verstöße waren mit einer Geldstrafe von 50 Mark belegt.[24]
[15] APK, 683, Sign. 10, Lehrplan des Privatgymnasiums in Beuthen mit polnischer Unterrichtssprache (1932 – 1933); BB, Gut Privat, 140. Die Archivakte enthält u.a. detaillierte Unterrichtspläne für die Jahre 1932 und 1933; Sign. 142, Schriftwechsel. Stoffverteilungspläne. Unterrichtsrevisionsberichte (1936–1939). Die Archivakte enthält u.a. detaillierte Unterrichtspläne für die Jahre 1936–1939, unterteilt nach Semestern, sowie die Stundenpläne für die einzelnen Unterrichtsfächer.
[16] J. Lubos, Dzieje gimnazjum polskiego…, S. 93 – 94.
[17] W. Kosiecki, Polskie Gimnazjum w Bytomiu, Opole 1937, S. 8.
[18] J. Lubos, Dzieje polskiego gimnazjum…, S. 106 – 119; W. Kosiecki, Polskie Gimnazjum…, S. 12.
[19] Die in polnischer Sprache verfasste Zeitung der Schülerselbstverwaltung erschien monatlich in einer Auflage von einigen Tausend Exemplaren. Sie war den Angelegenheiten der Schule und des Internats gewidmet und enthielt Beschreibungen wichtiger Ereignisse aus dem Leben der Schule, Aufsätze über die Theatervorstellungen sowie Berichte aus der Arbeit der außerunterrichtlichen Fachzirkel und von Ausflügen. Ebenfalls enthalten waren Statistiken zur Zahl der Klassen und der Abiturienten. Die Schüler verfassten Artikel zu Erziehungsfragen und zur nationalen Identität. APK, 683, Sign. 88, Redakcja pisemka szkolnego „Idziemy” (1934–1936) [Die Redaktion der Schülerzeitung „Idziemy” (1934-1936)].
[20] J. Lubos, Dzieje polskiego gimnazjum w Bytomiu…, S. 47–48; J. Lusek, Szkolnictwo niemieckie i polskie..., S. 164.
[21] BB, Gut Privat, Sign. 139, Personalakten (1932–1936); J. Lubos, Dzieje gimnazjum polskiego…, S. 56.
[22] APK, 683, Sign. 42, Wnioski o siły nauczycielskie (1932–1933) [Anträge auf Beschäftigung von Lehrkräften (1932-1933)]; Sign. 45, Wnioski o siły nauczycielskie (1937–1939) [Anträge auf Beschäftigung von Lehrkräften (1937-1939)]; BB, Gut Privat, Sign. 139; J. Lubos, Dzieje gimnazjum polskiego…, S. 46–47.
[23] E. Sapia–Drewniak, Polska oświata pozaszkolna w rejencji opolskiej w latach 1922–1939, Opole 1991, S. 64–75; R. Dermin, Z przeszłości Śląska Opolskiego, [in:] „Miesięcznik Społeczno–Kulturalny” 1973, Nr. 8.
[24] J. Lusek, Szkolnictwo niemieckie i polskie…, S. 165–166.