Polnisches Gymnasium in Beuthen
Nach der Volksabstimmung, die zur Besiegelung der Aufteilung Oberschlesiens in den polnischen und in den deutschen Teil führte, begann der Bund der Polen in Deutschland (Związek Polaków w Niemczech)[1] damit, sich um die Gründung einer Oberschule nach polnischem Bildungssystem mit dem Abitur als Abschluss im Reichsgebiet zu bemühen. Die Polnisch-Katholische Schulgesellschaft im Oppelner Schlesien (Polsko-Katolickie Towarzystwo Szkolne dla Śląska Opolskiego), die lokale Einheit des Bunds, hatte schon in den 20. Jahren aus verwaltungstechnischen Gründen vorübergehend auf die Fortsetzung der Bemühungen zur Gründung eines polnischen Staatlichen Gymnasiums in den bei Deutschland verbliebenen Abstimmungsgebieten verzichtet, obwohl der polnischen Minderheit ein solches Recht laut der Genfer Konvention aus dem Jahre 1922 zugestanden hat. Das Komitee zur Begehung des 25. Jahrestags des Kampfs um eine polnische Schule (Komitet Obchodu 25-lecia Walki o Szkołę Polską) wurde im Februar 1930 anlässlich des 25. Jahrestags des Ausbruchs des Schulstreiks in den preußischen und russischen Teilungsgebieten unter der Schirmherrschaft von Ignacy Mościcki, dem Präsidenten der Polnischen Republik, gegründet. Zu den selbst gesetzten, vorrangigen Aufgaben des Komitees gehörte die Aufnahme der Vorbereitungen zur Gründung eines privaten polnischen Gymnasiums in Deutschland, das durch den Fonds des Bundes der Polen in Deutschland sowie durch Unterstützung der polnischen Regierung unterhalten werden sollte. Zudem wurden in der polnischen Bevölkerung Spenden gesammelt, die in den neu gegründeten Fonds zur Förderung des Polnischen Schulwesens im Ausland (Fundusz Szkolnictwa Polskiego Zagranicą) unter der Schirmherrschaft des damaligen Senatsmarschalls Władysław Raczkiewicz floss.[2]
Standort des Gymnasiums
Die Standortfrage des Polnischen Gymnasiums blieb zunächst offen, da sowohl Schlesien als auch Ostpreußen in Erwägung gezogen wurde. In Schlesien kamen zwei Städte in Betracht: Oppeln, da sich hier der Sitz des Regierungsbezirks und der lokalen Niederlassungen des Polenbundes, der Polnischen Schulgesellschaft (Polskie Towarzystwo Szkolne) und der polnischen Pfadfinder befand, sowie die Stadt Beuthen, für die ihre grenznahe Lage sprach. Letztlich spielte der Zufall entscheidend mit. Er bestand in der Auflösung des Beuthener Verlags „Katolik” (Der Katholik). Daraufhin wurde beschlossen, das Verlagsgebäude für die Zwecke des Polnischen Gymnasiums zur Verfügung zu stellen. Am 24. März 1932 stellte die Oppelner Niederlassung der Polnisch-Katholischen Schulgesellschaft (Polsko-Katolickie Towarzystwo Szkolne) beim Bauamt Beuthen den Antrag auf Zustimmung zum Umbau des Gebäudes und zur Adaption der Räume für Schulzwecke. Das Genehmigungsersuchen löste eine Protestwelle in der lokalen Presse aus, wobei es sogar zu Einsprüchen beim Innenministerium kam. Die deutsche Seite torpedierte die Bemühungen der polnischen Seite, indem sie nachzuweisen versuchte, dass eine polnische Minderheit in Oberschlesien, speziell in Beuthen, gar nicht existierte.[3]
Schließlich wurde die Genehmigung aber doch erteilt. Die umfangreichen Umbaumaßnahmen veranlassten die Initiatoren der Beuthener Schuleinrichtung dazu, beim Provinzkollegium in Oppeln einen Antrag auf Genehmigung eines öffentlichen klassischen Gymnasiums mit der Möglichkeit zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife einzureichen. Daraufhin wurde eine Sonderkonferenz einberufen, die am 9. August 1932 in Berlin tagte. Das Kultusministerium wurde von Friedrich Adolf Trendelenburg, das Innenministerium von Geheimrat Gürich und das Außenministerium von Ministerialdirektor Meyer vertreten. Den Oppelner Regierungsbezirk repräsentierte Oberpräsident Hans Lukaschek. Diese Gespräche hatten das Ergebnis, den Antrag der polnischen Seite anzunehmen und die vorgeschlagenen Lehrerkandidaten bis auf den Kandidaten für den Direktorenposten, Miłosz Sołtys, zu akzeptieren. Letzteres hatte mit der Auffassung zu tun, dass der Leiter der Einrichtung die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen sollte, um für eine korrekte politische Weltanschauung zu sorgen. Um diesem Problem zu entschärfen, wurde Schulrat Dopke aus Beuthen als Kommissar des Kollegiums eingesetzt und die Aufsicht über die Schule übertragen. Zudem wurde auch auf die Namensgebung hingewiesen. Gemäß den Weisungen sollte der Name Prywatne Gimnazjum Rozwojowe z polskim językiem nauczania (Privates Gymnasium im Aufbau mit polnischer Unterrichtssprache) lauten, da den deutschen Behörden die Gründung einer Schule mit allen Unterrichtsklassen, also einschließlich einer Abiturklasse, unbegründet zu sein schien. Ursprünglich war daher beabsichtigt, drei untere Klassen – von sechs bis vier – einzurichten. Um den Wissenstand der Schüler des künftigen Gymnasiums festzustellen, sollten deutsche Entscheider vor der Eröffnung der Schule eine Aufnahmeprüfung durchführen.[4]
Das dreigeschossige Gebäude des Polnischen Gymnasiums lag in der Kurfürstenstraße 21 (der heutigen aleja Legionów). Es verfügte über Fachräume für Physik, Chemie, Biologie und Zeichnen sowie über eine Aula, eine Turnhalle, eine Kapelle und über eine Bibliothek, die mit einem Filmprojektor, einem Diaprojektor und einem Rundfunkgerät ausgestattet war.[5]
[1] Der Bund der Polen in Deutschland konstituierte sich im August 1922 auf dem Treffen der Vertreter polnischer Zentren in Deutschland in Berlin. Seine offizielle Eintragung erfolgte am 6. November 1923. Zu den Hauptzielen des Bundes zählten: die Durchsetzung der Rechte polnischer Minderheit sowie der Schutz polnischer Interessen in wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Belangen. Der Bund umfasste fünf Bezirke, darunter den Bezirk I - das Oppelner Schlesien. Die regionale Niederlassung des Bundes in Beuthen wurde während der Versammlung am 18. Februar 1928 gegründet. Den Vorsitz der Niederlassung hatten folgende Personen inne: Kazimierz Malczewski, Pfarrer Czesław Klimas, Pfarrer Karol Koziołek sowie Franciszek Myśliwiec (H. Müller, Die polnische Volksgruppe im Deutschen Reich, Warschau 1941, S. 159 und 196; J. Perdelwitz, Die Polen in Deutschland, Schwerin 1932, S. 9; T. Musioł, Polacy w Niemczech w latach 1918–1939, Opole 1963, S. 26–27).
[2] J. Lubos, Dzieje polskiego gimnazjum w Bytomiu w świetle dokumentów i wspomnień, Opole 1971, S. 15; Walka o szkołę narodową dla Polaków Zagranicą. Zeszyt Propagandowy Funduszu Szkolnictwa Polskiego Zagranicą, 1934, S. 19–21; J. Lusek, Niemieckie i polskie szkolnictwo w Bytomiu (1740–1945), Opole 2010, S. 155. Vgl. Komitet Obchodu 25-lecia Walki o Szkołę Polską: sprawozdanie, Warszawa 1934.
[3] Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung. Bibliothek für Bildungsgeschichte in Berlin (im Folgenden bezeichnet als „BB“), Gut Privat. Privatschulakten Beuthen. Polnisches Gymnasium, Sign. 140, Schriftwechsel. Lehrpläne. Lehrbuchverzeichnisse (1931–1933), Polnische und deutsche Zeitungsartikel (1932–1933); Archiwum Akt Nowych, Ministerstwo Spraw Zagranicznych [Archiv Neuer Akten, Ministerium für auswärtige Angelegenheiten], Sign. 7226, Instytut Śląski w Katowicach [Schlesisches Institut in Katowice] (Kommuniqué Nr. 15: E. Zdrojewski, Szkolnictwo polskie, op. cit.; Kommuniqué Nr. 16: E. Zdrojewski, Szkolnictwo polskie na Śląsku Opolskim. Nowe widoki rozwoju. Gimnazjum polskie, Katowice 1934); L. Ręgorowicz, Wykonanie niemiecko-polskiej Górnośląskiej Konwencji zawartej w Genewie 15 maja 1922 roku w zakresie szkolnictwa, Katowice 1961, S. 99–100; J. Lusek, Szkolnictwo niemieckie i polskie…, S. 161–163.
[4] Archiwum Państwowe w Opolu (APO) [Staatliches Archiv in Opole, im Folgenden bezeichnet als APO], 1, Nadprezydium Prowincji Górnośląskiej w Opolu [Oberpräsidium der Provinz Oberschlesien in Oppeln], Sign. 136, Polnisches Gymnasium Beuthen OS, Bl. 5–7.
[5] Państwowe w Katowicach (APK) [Staatliches Archiv in Katowice, im Folgenden bezeichnet als APK], 683, Prywatne gimnazjum z polskim językiem nauczania [Privates Gymnasium mit polnischer Unterrichtssprache], Sign. 316, Album (1933), enthält Fotos und Kurzbeschreibungen der Räume des Schulgebäudes.