Polnisches Gymnasium in Beuthen
Der Kampf um den öffentlich-rechtlichen Status der Schule
Da die deutschen Behörden hinsichtlich des Eröffnungstermins des Polnischen Gymnasiums Probleme bereiteten, stellte der Bund der Polen in Deutschland (Pfarrer Karol Koziołek und Władysław Wesołowski) ein formelles Hilfsersuchen an den Rat des Völkerbundes und an die Gemischte Kommission in Kattowitz (Katowice). Daraufhin erließ Oberpräsident Hans Lukaschek am 2. November 1932 den Beschluss über die Öffnung der Schule. Die Einrichtung erhielt den Namen Prywatna Wyższa Szkoła z gimnazjalnym programem nauki w Bytomiu (Private Oberschule mit Gymnasialprogramm in Beuthen).[6] Der polnischen Schule wurde die Einstufung als Gymnasium auf Grund einer Verordnung von 1912 verwehrt. Sie besagte, dass es nicht gestattet war, Ausbildungseinrichtungen ohne öffentlich-rechtlichen Status als Gymnasium zu bezeichnen.[7]
Am 20. Januar 1933 stellten die Vertreter der Polnisch-Katholischen Gesellschaft im Oppelner Schlesien (Polsko-Katolickiego Towarzystwa dla Śląska Opolskiego) beim Reichsministerium den Antrag, der Schule einen öffentlich-rechtlichen Status zu erteilen. Dieser Status hätte die Einrichtung der ersten Abiturklasse erlaubt. Die zahlreichen Interventionen und Petitionen beim Ministerium waren jedoch nicht erfolgreich, so dass die ersten Abiturienten ihre Prüfung gemäß der Verlautbarung des Oberpräsidenten des Oppelner Regierungsbezirks vom 13. März 1935 vor einer deutschen Kommission als Externe ablegen sollten. Die Weigerung, der Beuthener Schule einen öffentlich-rechtlichen Status zuzubilligen, löste in der polnischen Presse und sogar im polnischen Parlament - dem Sejm der Republik Polen - großes Echo aus.[8] Schlichter in dieser unglücklichen Angelegenheit wurde der Vorsitzende der Gemischten Kommission, [der Schweizerische Altbundesrat] Felix Calonder, der mit dem Einverständnis der Vertreter deutscher und polnischer Behörden einen Kompromiss ausarbeiten ließ, der dem Beuthener Gymnasium als mittlerer Bildungseinrichtung die Berechtigung zusprach, ihre Schüler ab dem 18. April 1935 auf das Universitätsstudium vorzubereiten. Daraufhin erlangten in Beuthen von 1935 bis 1939 insgesamt 64 Abiturienten ihr Reifezeugnis.[9]
In den Jahren, in denen das Gymnasium seiner Arbeit nachging, nutzte es Siegel in polnischer Sprache: 1932 bis 1933 - Prywatne Gimnazjum Polskie (Privates Polnisches Gymnasium), 1934 bis 1939 - Wyższa Szkoła Prywatna z Polskim Językiem Wykładowym (Private Oberschule mit polnischer Unterrichtssprache), 1935 bis 1936 - Prywatne Gimnazjum z Polskim Językiem Nauczania (Privates Gymnasium mit polnischer Unterrichtsprache), 1936 - Prywatne Polskie Gimnazjum w Bytomiu (Privates Polnisches Gymnasium in Beuthen), 1936 bis 1937 - Prywatna Wyższa Szkoła dla Chłopców z Polskim Językiem Nauczania. Bytom (Private Oberschule für Jungen mit polnischer Unterrichtsprache. Beuthen), sowie in den Jahren 1937 und 1938 in deutscher Sprache: Private Oberschule für Jungen mit polnischer Unterrichtssprache. Beuthen OS.[10]
Schuleröffnung
Die feierliche Eröffnung des Polnischen Gymnasiums fand am 8. November 1932 statt. Sie begann mit einer Messe in der Heiligen Dreifaltigkeitskirche, in der sich Schüler, Eltern und das Lehrerkollegium mit dem Direktor Wiktor Nechayem de Felseis sowie zahlreiche Vertreter polnischer Kreise versammelten. An der Feierlichkeit nahmen teil: der Vorsitzende des Bundes der Polen in Deutschland, Pfarrer Bolesław Domański, der Geschäftsführer des Bundes, Jan Kaczmarek, der Geschäftsführer des Oppelner Teilverbandes des Bundes, Pfarrer Karol Koziołek, der Vorsitzender des Verbands polnischer Schulvereine in Deutschland, Jan Baczewski, der Visitator polnischer Privatschulen in Deutschland, Geheimrat Brasse, der Vorsitzende des Verbands polnischer Genossenschaften in Deutschland, Stefan Szczepaniak, sowie der Direktor der Polnisch-Katholischen Schulgesellschaft in Oppeln, Jan Szreiber. Die polnische Regierung vertraten der Generalkonsul in Oppeln, Leo Malhomme und der polnische Konsul aus Breslau, [Stefan Janusz] Bratkowski. Anwesend waren auch: der Vorsitzende der Gemischten Kommission, Felix Calonder, und der Präsident des Internationalen Schiedsgerichts [für Oberschlesien], [Georges] Kaeckenbeeck. Den Oppelner Regierungsbezirk vertrat Schulrat H. Schmikalla, den Beuthener Magistrat Schulrat Neumann.[11]
Während der feierlichen Schuleröffnung hielt Felix Calonder eine Rede, in der er den Sinn der Gründung und der Arbeit der Bildungseinrichtung unterstrich, indem er sagte: „Gerne bin ich der höflichen Einladung gefolgt und zu der Feierlichkeit gekommen, um mein Wohlgefallen und meine Freude darüber zum Ausdruck zu bringen, dass es der polnischen Minderheit in Oberschlesien endlich gelungen ist, diese private Oberschule, das Polnische Privatgymnasium, ins Leben zu rufen. Diese Institution hat für die geistige und kulturelle Entwicklung der polnischen Minderheit eine enorm wichtige Bedeutung, doch vor allem wird sie die Erziehung ihrer aufgeklärten Anführer und Mitarbeiter gewährleisten. Dem neu gegründeten Polnischen Gymnasium gebührt die Sympathie nicht nur der polnischen Minderheit, sondern auch der deutschen Bevölkerung, da dessen Schüler Bürger des deutschen Staates sind. Ich weiß sehr gut, dass diese, meine Ansicht nicht überall geteilt wird. In Deutschland und in Polen gibt es hin und wieder Stimmen, am häufigsten in der Presse, die auf die Gefahr seitens der Irredenta hinweisen, die sich angeblich hinter den Bestrebungen der Minderheiten verbirgt, zumal dann, wenn der Ausbau des Minderheitenschulwesens Gegenstand der Bestrebungen ist.“[12]
Die Eröffnung der Einrichtung ging mit wahrnehmbarem Interesse der lokalen Verwaltung einher. Dabei wurden vielfältige formale Hindernisse in den Weg gelegt, beispielsweise im Hinblick auf einen Schulwechsel der Schüler. Die Verantwortlichen des Regierungsbezirks forderten eine Liste potenzieller Schüler des Gymnasiums zur Vorlage beim Polizeipräsidenten an, was letztlich zur Entstehung eines gut organisierten, politisch motivierten Aufsichtsapparats über die Schüler und ihre Eltern führte. Die Bespitzelung, die auf wirtschaftlichem Druck und gesellschaftlicher Diskriminierung beruhte, endete nicht selten in der Resignation der Eltern, die an der Ausbildung ihres Kindes an der Beuthener Schule interessiert waren.[13]
Schikanen der deutschen Verwaltung hatten aber nicht nur die polnischen Staatsbürger zu ertragen. In einer ähnlich misslichen Lage befanden sich die Schüler, die der Gruppe der Sorben angehörten. Sie wurden im April 1937 auf Verlangen der Behörden gezwungen, die Einrichtung zu verlassen. Damals wurden 12 Schüler der Schule verwiesen. Was von ihnen blieb, war eine 300 Bände umfassende Buchsammlung in der Schulbibliothek, die Lausitzer Bibliothek. Sie wurde dem Polnischen Gymnasium einst von der Domowina, dem Bund Lausitzer Sorben, vertreten durch Jan Czyż, Jan Skałka und Michał Nawka, übergeben.[14]
[6] BB, Gut Privat, Sign. 140, Schriftwechsel (1931–1932). Polnische und deutsche Zeitungsartikel (1932–1933): „Polska Zachodnia” Nr. 311, vom 8.09.1932; J. Lubos, Dzieje polskiego gimnazjum…, S. 35.
[7] Die Namensgebung lieferte den Grund für das Ersuchen, in dem die Bezeichnung als Gymnasium für die polnische Schule als begründet aufrecht erhalten wurde, indem konkrete Beispiele vergleichbarer Schulen für Minderheiten in Berlin und in Pommern angeführt wurden. Außerdem berief man sich auch auf den Grundsatz der Gegenseitigkeit im Sinne der Genfer Konvention und benannte dabei unter anderem das Gymnasium für deutsche Minderheit in Królewska Huta [Königshütte]. BB, Gut Privat, Sign. 140, Schriftwechsel (1931–1932), Schreiben der Towarzystwa Szkolnego [Schulgesellschaft] an die Abteilung für Kirchen- und Schulwesen vom 19.10.1932; J. Lubos, Dzieje polskiego gimnazjum…, Fußnote 43.
[8] BB, Gut Privat, Sign. 141, Schriftwechsel. Lehrbuchverzeichnisse (1934–1936). Polnische Zeitungsartikel in „Polska Zachodnia“ vom 27.03.1935, 28.03.1935 und 08.04.1935 sowie in „Gazeta Polska“ vom 29.03.1935; idem, deutsche Zeitungsartikel in „Polak w Niemczech” 1935, Nr. 5 sowie in „Kulturwehr” 1935, S. 542–555. Umfangreiche Zitate deutscher und polnischer Propaganda sowie aus der Sejm-Rede zum Schutz des Gymnasiums führt auch J. Lubos an, op. cit., S. 138–140.
[9] APO, 1, Sign. 765, Gimnazjum polskie w Bytomiu [Polnisches Gymnasium in Beuthen], S. 93–99 und 256–262; BB, Gut Privat, Sign. 143, Schriftwechsel. Prüfungsergebnisse (1938); APK, 683, Sign. 71, Schriftwechsel mit dem deutschen Bildungsministerium in Sachen Reifeprüfungen (1937); Sign. 73, Abiturprüfungen (1938); Sign. 196, Prüfungen und Ergänzungsprüfungen für Schüler (1937); Beiträge in „Nowiny Codzienne” vom 25.02.1937 und 21.03.1937; J. Lubos, Dzieje polskiego gimnazjum w Bytomiu…, S. 142–155.
[10] APK, 683, Prywatne gimnazjum z polskim językiem wykładowym w Bytomiu [Privates Gymnasium mit polnischer Unterrichtssprache in Beuthen] (1932–1939), B. Sikora, Einführung in den Bestand, S. 1.
[11] BB, Gut Privat, Sign. 140, „Ilustrowany Kuryer Codzienny” Nr. 313, vom 11.11.1932; „Nowiny Codzienne” Nr. 258, vom 10.11.1932; J. Lubos, Dzieje polskiego gimnazjum…, S. 40; W. Błońska, Działalność społeczno-pedagogiczna Gimnazjum Polskiego w Bytomiu (1932 – 1939), [in:] H. Andrzejczak, P. Obrączka (Hg), Z dziejów bytomskiej edukacji, Bytom 2005, S. 37.
[12] Muzeum Górnośląskie w Bytomiu (MGB) [Oberschlesiches Museum in Bytom, im Folgenden bezeichnet als MGB], Sign. H-896, Gimnazjum Polskie w Bytomiu. Sprawy różne [Polnisches Gymnasium in Beuthen, Verschiedenes], o.P. (Dienstag, der 8. November 1932, ist der Tag der Eröffnung des Polnischen Gymnasiums in Beuthen).
[13] APO, 1, Sign. 136, Bl. 121–123.
[14] E. Szwed, Wspomnienia z Polskiego Gimnazjum w Bytomiu, [in:] „Kwartalnik Opolski” 1960, Nr. 2.