Polnischer Sozialrat in Berlin
Im Laufe der Jahre kommen immer mehr Migranten aus Polen nach Berlin, so dass es in den 80er Jahren rund 80.000 sind. Der Höhepunkt der gesellschaftlichen und politischen Veränderungen fällt in das Jahr 1989. Die Probleme der Polen sind indessen immer noch dieselben: fehlende Informationen und Perspektiven, ein unsicherer Rechtsstatus und kaum Kenntnisse der deutschen Sprache. Bei alledem eröffnet sich ein neuer Weg, um die Bedürftigen zu erreichen. Am 3 September 1989 strahlt der private, alternative Hörfunksender Radio 100 erstmals eine Sendung auf Polnisch aus. Die Redaktion arbeitet nach dem Prinzip des „offenen Kollektivs“, so dass sich den Mitgliedern des Polnischen Sozialrats andere Menschen hinzugesellen, die ihm zwar nicht angehören, aber radiobegeistert sind. Die einstündige Sendung berichtet in der Muttersprache über aktuelle Themen sowie über gesellschaftliche und politische Strukturen in Deutschland, um die Integration zu fördern und die aktive Teilhabe an der Gesellschaft zu stärken ohne die eigene Identität zu verleugnen. Dieses Programm bestand bis in den Februar 1991, als der Sendebetrieb wegen finanzieller Schwierigkeiten eingestellt wurde.
Die Förderung der aktiven Teilhabe am gesellschaftlichen Leben entwickelte sich zu einer Aufgabe des Rats, der heute besondere Bedeutung beigemessen wird. Diesem Zweck dienen unter anderem Beratungen in rechtlichen, sozialen und psychologische Fragen, berufliche Weiterbildungskurse und soziale Kompetenztrainings bis hin zu Hilfen zur Lösung von Generationenkonflikten. Dieses Angebot wird nicht nur von den polnischen Einwohnern Berlins, sondern auch von Polen aus anderen Bundesländern wahrgenommen. Inzwischen engagiert sich der Polnische Sozialrat auch in der Flüchtlingshilfe, indem er seit April 2016 mit der Türkischen Gemeinde in Deutschland das Projekt „Gemeinsam. Schaffen!“ koordiniert, das sich der Fürsorge für Asylantenfamilien verschrieben hat. In diesem Rahmen sind bisher 250 Patenschaften entstanden. Unter den „Paten“ sind oft Polen, die einst selbst eine solche Hilfe benötigt haben. Das Projekt wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.
Um die neuen Ankömmlinge aus Polen auf ihrem beruflichen Weg zu unterstützen und Beschäftigungsverhältnisse einzudämmen, die ihren Qualifikationen nicht entsprechen, erweitert der Polnische Sozialrat sein Schulungsangebot kontinuierlich. 2014 wurde in Zusammenarbeit mit dem Rat das Polnische Kompetenzzentrum (Polskie Centrum Kompetencyjne) ins Leben gerufen, das vom Außenministerium der Republik Polen finanziert wird. Es bietet verschiedenste Schulungen an, unter anderem im Arbeitsrecht, zum Thema der Zweisprachigkeit, zur Existenzgründungen, zur Stressbewältigung und im Kontext der Vereinsamung in der Emigration. Ziel des Projekts ist, die Lage der Polen in Deutschland zu verbessern, wobei dies weniger durch die Forderung geschieht, ihren Minderheitenstatus anzuerkennen, als durch die Stärkung ihrer Potentiale.
Obwohl sich die Zeiten geändert haben, während weitere Migranten nach Deutschland kamen, liegt der Arbeit des Polnischen Sozialrates weiterhin dieselbe Idee zu Grunde: auf dringende Bedürfnisse und aktuelle Probleme der Migranten einzugehen. In Anbetracht der immer noch zunehmenden Zahl von Ankömmlingen aus Polen nimmt das Arbeitspensum der sozial engagierten Helfer in der Oranienstraße in Berlin jedenfalls nicht ab.
Monika Stefanek, Oktober 2017
Internetpräsenz des Polnischen Sozialrats: www.polskarada.de