Polenbegeisterung 1830
Die Routen zeigen deutlich eine Vermeidung der Strecken durch die preußischen Gebiete, die als Teilungsmacht Anteil am Schicksal Polens hatten und jegliche Unruhe vermeiden wollte, galt es doch auch, den revolutionären Keim nicht in Deutschland zu verbreiten. Auch wenn die anderen deutschen Staaten diesem Trend seit den Karlsbader Beschlüssen folgten, gelang es vor allen bürgerlichen Vereinen und Initiativen von Frauen diese politischen Verbote zu umgehen.
Eindrücklich wird das Schicksal der polnischen Patrioten durch das Bild des Historienmalers Dietrich Monten, Finis Poloniae oder der Polen Abschied vom Vaterland 1831 von 1832 eingefangen. Dieses Motiv der tragisch geschlagenen Helden sollte die Polen auf ihrem Weg begleiten und die Gefühle der Hilfsbereitschaft motivieren. Berühmt bis heute bleibt der Empfang der Polen in Leipzig, an dem alle bedeutenden Persönlichkeiten der Stadt Anteil nahmen und insbesondere durch die später (1836) aufgeführte Polonia-Ouvertüre des jungen Richard Wagner mit ihren polnischen Musikzitaten dieses Ereignis eindrücklich dokumentierte. Spuren sind über die Ereignisse des Vormärzes bis heute an vielen Stellen in Deutschland zu finden, in Dresden, in Marburg an der Lahn und hunderten von anderen Orten hier vor allen im deutschen Südwesten und sollten mit den Ereignissen des Hambacher Festes 1832 ihren Höhepunkt finden.
Zahlreiche Souvenire der Zeit, Lithographien und Dokumente sowie die bekannten „Polenlieder“ zeugen von diesen Ereignissen und sollten im Bewusstsein der Bevölkerung bis weit in die 1880er Jahr im Gedächtnis bleiben, wie dies Theodor Fontane etwa in seiner autobiographischen Roman „Meine Kinderjahre“ (1893/94) bezeugt. Diese positive Einstellung gegenüber Polen erfuhr in der deutschen Politik wie im Bewusstsein der Bevölkerung einen dramatischen Wandel: die Entscheidung der Frankfurter Paulskirche 1848/49, Bismarcks „negative Polenpolitik“ (Klaus Zernack) und die Ereignisse im Gefolge des Ersten Weltkrieges sollten diese Ereignis einer Polenbegeisterung in Deutschland verdunkeln und insbesondere im Überfall auf Polen 1939 in ihr Gegenteil umschlagen. Hier schufen erst wieder die Begegnungen nach 1945 in der deutsch-deutschen Aktion Sühnezeichen(seit 1958), der Kniefall von Willy Brandt 1970 sowie das Engagement für die Solidarność-Bewegung 1981 eine Basis der Verständigung, der Annäherung und schließlich der nachbarschaftlichen Freundschaft, wie sie sich im Deutsch-Polnischen Jugendwerk, den Deutsch-Polnischen Gesellschaften der Stiftung für Deutsch-Polnische Zusammenarbeit, der Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung sowie in der zivilgesellschaftlichen Initiative des Weimarer Dreiecks gemeinsam mit Frankreich und in vielen weiteren Initiativen ergeben hat.
Konrad Vanja, Februar 2015
Weiterführende Literatur:
Wolfgang Michalka, Erardo C. Rautenberg und Konrad Vanja (Hrsg.): Polenbegeisterung. Ein Beitrag im „Deutsch-Polnischen Jahr 2005/2006“ zur Wanderausstellung „Frühling im Herbst. Vom polnischen November zum deutschen Mai. Das Europa der Nationen 1830-1832“, Berlin: Kupfergraben Verlagsgesellschaft 2005, unter Mitarbeit von Gerhard Weiduschat.
Anna Kuśmidrowicz-Król, Piotr Majewski, Konrad Vanja, Gerhard Weiduschat: Solidarność 1830. Niemcy i Polacy po Powstaniu Listopadowym – Polenbegeisterung. Deutsche und Polen nach dem Novemberaufstand 1830, Warschau: Zamek Krolewski und Berlin: Museum Europäischer Kulturen 2005/2006.
Helmut Bleiber, Jan Kosim (Hrsg.): Dokumente zur Geschichte der deutsch-polnischen Freundschaft, 1830-1832, Berlin : Akademie-Verlag 1982.