„Nasza Droga“ (1952-1981) – Eine polnischsprachige Auslandszeitung in Adelaide (Australien) und ihre „deutschen“ Wurzeln
Dank der Übernahme von „Nasza Droga“ durch die Caritas wurde das Blatt von polnischen Geistlichen und weltlichen Gemeinschaften unterstützt, was eine größere Nachfrage in der polnischen Diaspora [auch Polonia genannt] zur Folge hatte. Die Herausgabe der Zeitung wurde rentabel. Doch schon bald kam es zwischen Posłuszny, der Caritas und dem kaufmännischen Leiter Dudziński zu Konflikten, die dazu führten, dass Zygmunt Posłuszny im März 1957 entlassen wurde. Da er sich jedoch mit dem Verlust seines Einflusses auf die Zeitung, die ihm gerade noch gehörte, nicht abfinden wollte, drohte er mit rechtlichen Schritten und fror seine Gelder ein, was abermals finanzielle Schwierigkeiten heraufbeschwor. In dieser Situation übernahm Jerzy Dudziński erneut die Redaktion. Um eine breitere Leserschaft zu erreichen, verlegte er sich als Chefredakteur zu Lasten längerer Artikel und Kommentare auf kürzere Texte. Darüber hinaus ließ er in „Nasza Droga“ sehr heterogene, mitunter auch kontroverse Meinungen zu und griff kaum in die von den Autoren und den Organisationen eingereichten Beiträge ein. Diese liberale Redaktionspolitik rief heftige Polemiken hervor, die nicht selten auch in persönlichen Attacken bestanden. Der Schwerpunkt der Zeitung lag zwar nach wie vor auf dem Leben der Polonia-Gemeinde in Südaustralien, wobei aber auch die polnischen Gemeinschaften in anderen Landesteilen angesprochen wurden und Themen aus dem Heimatland Polen reges Interesse fanden. Dudziński nutzte nicht nur Material der Exil-Nachrichtenagenturen, sondern ganz offen auch der staatlichen polnischen Presseagentur. Die Leser:innen bekamen dadurch ein umfassenderes Bild von den Entwicklungen in Polen, indem sie ausgewogen unterrichtet wurden und auch freundliche Schilderungen der Ereignisse nach dem Oktober 1956 lesen konnten. Dies aber löste einen Aufschrei unter den politisch engagierten Exilanten in Adelaide aus, die eine kommunistische Infiltration und Propaganda zu erkennen glaubten. Ein Artikel von Czesław Wojtysiak,[12] in dem er sich kritisch über die Aktivitäten der Polen in Ausland äußerte und zur Kollaboration mit dem Herkunftsland einschließlich seiner Institutionen in den polnischen Westgebieten [auch als „wiedergewonnene Gebiete“ bezeichnet – Anm. d. Übers.] aufrief, führte zur Eskalation der Situation. Als er sich dann noch ausdrücklich für die Berücksichtigung polnischer Quellen verwandte, rief dies den Widerstand des Caritasrates hervor, was schließlich unmittelbar zum Rücktritt von Chefredakteur Dudziński führte.
Ende November 1958 trat Władysław Romanowski wieder in die Redaktion der „Nasza Droga“ ein und gab der Zeitung ein anderes Profil. Kämpferische Texte über polnische Angelegenheiten und polemische Beiträge über die sozialen und politischen Probleme der Emigranten und Emigrantinnen wurden weniger, stattdessen nahm die kulturelle Berichterstattung zu. Zu seiner Zeit erschienen fachlich qualifizierte Artikel, die jedoch für die Mehrheit der Leser:innen nicht so wesentlich waren wie handfeste Informationen aus ihrem Umfeld. Zu den Mitarbeitern der Zeitung gehörten damals die Pfarrer Józef Kuczmański und Jan Rutkowski. Andrzej Szczygielski verfasste politische Kommentare. Tomasz Ostrowski schrieb die Kolumne „Co słychać w Melbourne“ (sinngemäß: „Neuigkeiten aus Melbourne“). Andere Autoren, die sich hervorgetan haben, waren Zygmunt Konrad Bernaś, Władysław Dembski, Władysław Karbownik, Jan Sobolewski und Marian Szczepanowski. Laut Angaben der Redaktion kam die Zeitung 1960 mit 900 Exemplaren heraus. Sie hatte immer noch acht Seiten, erschien aber in einem größeren Format. Hergestellt wurde sie unverändert in der eigenen kleinen Druckerei „National Press“.
Romanowski leitete die Zeitung „Nasza Droga“ bis zum Mai 1961. Damals trennte sich die Caritas, die nach der Errichtung ihres Kinderheims kein Interesse mehr an dem problematischen Presseorgan hatte, durch Verkauf von ihrer Publikation. Der nächste Eigentümer, Herausgeber und Chefredakteur in Personalunion war Jan Sobolewski. Um die weitere Historie der „Nasza Droga“ zu verstehen, ist an dieser Stelle auf die Situation im „polnischen London“, dem politischen und organisatorischen Zentrum der Emigration nach dem Zweiten Weltkrieg, einzugehen. Nach dem Tod von Präsident Władysław Raczkiewicz im Jahr 1947 und der Nachfolge von August Zaleski kam es in der polnischen Exilregierung, in den Parteien und in weiten Teilen der Exilanten zur Spaltungen und Separierungen, die mehr auf persönlichen Ambitionen als auf tatsächlichen politischen Differenzen beruhten. Erst im März 1954, als unter Vermittlung von General Kazimierz Sosnowski eine Versöhnung [poln. Akt Zjednoczenia (wörtl. Akte der Wiedervereinigung)] verhandelt wurde und Exilpräsident Zaleski den Rücktritt zum Ende seiner siebenjährigen Amtszeit erklärte, schien eine einige Exilregierung möglich. Doch als Zaleski seine Ankündigung revidierte, löste er einen tiefen, bis zu seinem Ableben im Jahr 1972 anhaltenden Dissens aus, der die Autorität der Exilregierung untergrub und sie in den Augen der im Exil lebenden Polen und Polinnen kompromittierte. Die meisten Parteien, die große Mehrheit der politischen und gesellschaftlichen Kreise sowie die öffentliche Meinung im Exil sprachen sich gegen die „Burg“ [poln. „Zamek“] aus, wie die Gruppe um Präsident Zaleski und die von ihm berufene Regierung bezeichnet wurde. Dadurch kam es zur Gründung alternativer Institutionen wie dem Dreieirrat [Rada Trzech], dem General Władysław Anders, der frühere Prämier Tomasz Arciszewski und Botschafter Edward Raczyński angehörten, der Exekutive der Nationalen Vereinigung [Egzekutywa Zjednoczenia Narodowego], die als Regierung fungierte, und dem Provisorischen Rat der Nationalen Einheit [Tymczasowa Rada Jedności Narodowej], der die Parteien und die Exilverbände vertrat.
[12] Wojtysiak, Czesław: O naszą drogę [Um unser Weg], in: „Nasza Droga“ vom 21.09.1958.