Matthias Nawrat
Nawrat erklärt, dass er als gebürtiger Pole für den gegenwärtigen Migrationsdiskurs ohnehin kaum eine Rolle spiele. „Als Pole hat man in Deutschland nur das kleine Migrationsabzeichen, sozusagen das Seepferdchen für Migration.“ Dabei sollten aus seiner Sicht in der deutschen Kolonialismus-Debatte Polen und andere osteuropäische Länder eine viel zentralere Rolle einnehmen. Ohnehin wünscht er sich, dass die immerhin benachbarten Polen und Deutschen mehr voneinander wissen, um einen differenzierteren Blick zu entwickeln. Darin sieht er ein Mittel für Annäherung auf Augenhöhe und ein Gegenmittel zur moralischen Selbstüberhöhung auf beiden Seiten.
Allein oder gemeinsam mit seiner Freundin fährt Matthias Nawrat fünf bis zehnmal jährlich nach Polen, wo noch eine Großmutter, zwei Onkel und eine Tante von ihm leben. Inzwischen hat er auch Freund:innen in Städten wie Warschau oder Wrocław, in denen er auch Lesungen abhält. An den Pol:innen schätzt er unter anderem ihren Humor, ihre aufmüpfige, manchmal auch romantische, aber häufig dann doch sehr pragmatische Art. Er mag auch den polnischen Intellekt, der in Nawrats Augen durch die größere Nähe zur Religion den Menschen ganzheitlicher betrachtet. Auch meint er, dass viele Menschen in Polen aufgrund ihrer historischen Erfahrungen ein tieferes Verständnis von Freiheit haben als die Menschen im Westen. Den Kampf vieler Pol:innen gegen die gegenwärtige „Demokratur“ bewundert er.
An Deutschland schätzt Nawrat die ideologiekritische Denktradition der Frankfurter Schule, von der viele seiner Freund:innen geprägt sind. Auch bescheinigt er vielen Deutschen eine in Europa einzigartige Einstellung zu Fremden. Natürlich gebe es auch in Deutschland Fremdenhass, aber auch weitreichende Erfahrungen mit der Aufnahme von Menschen aus anderen Ländern, von der man in Polen sicher noch etwas lernen könne.
Anselm Neft, Dezember 2021
Der Autor im Netz: https://de.wikipedia.org/wiki/Matthias_Nawrat