Mark Forster und sein „Lulajże, Jezuniu“
Mark Forster – Die Weihnachtsüberraschung 2017
Selbst deutsche Fans, die kein Polnisch sprechen, sind hingerissen. „versteh zwar nix aber das lied ist ein traum”, kommentiert Marion T. auf YouTube. In den Pressetexten auf vox.de und bei RTL Next ist zu lesen: "Mich hat die polnische Nummer von Mark total überrascht", so Michael Patrick Kelly. Und auch Moses Pelham ist beeindruckt von dieser Version: "Da ist so viel Liebe drin, ohne ein Wort zu verstehen."[1] Die von älteren Videosequenzen begleitete Tonaufnahme auf YouTube wurde über 80.000-mal angeklickt (Stand: 13. Dezember 2017) bis sie aus urheberrechtlichen Gründen von der Videoplattform entfernt wurde.
Eine deutsche Version von „Lulajże, Jezuniu“, dem berühmtesten polnischen Weihnachtslied, das im 17. Jahrhundert entstanden ist, hat sich in Deutschland jedoch gegen „Stille Nacht, heilige Nacht“ oder gegen das amerikanische „Jingle Bells“ nie durchsetzen können. Das liegt vermutlich an den Übersetzungen, von denen keine wirklich überzeugen kann. Die wortwörtliche Übertragung, „Sei in den Schlaf gewiegt, Jesulein“, klänge ebenso altertümlich wie holprig, die Übersetzung von Grażyna Rzepka, „Schlafe, Jesulein, mein kleines Perlchen“,[2] ist im Deutschen durch die zahlreichen aus dem polnischen Original stammenden Diminutive wenig erträglich. Die neuere Übertragung von Ingeborg Bürklen macht durch das unverständliche Eingangswort „Luleise Gottessohn“[3] wenig Sinn, und auch die häufiger verbreitete englische Version von Marguerite Wilkinson, „Lullaby, little pearl, dear baby Jesu“,[4] kann das am Anfang stehende polnische Verb nur durch das englische Substantiv für „Wiegenlied“ wiedergeben, wodurch die erste Strophe grammatisch unvollständig ist. Da scheint Mark Forsters Entscheidung für das polnische Original wirklich die beste Lösung, denn die Melodie ist auch für deutsche Ohren anrührend, wie die Reaktionen belegen.
Aber so rational war die Entscheidung vermutlich gar nicht. „Es ist total egal, was überhaupt los ist bei uns in der Familie, an Weihnachten ist alles so, wie’s immer war“, sagt der Sänger in einem Interview,[5] und man würde sofort glauben, dass seine Mutter ihm früher dieses Weihnachtslied vorgesungen hat. „Lulajże, Jezuniu“, ein Wiegenlied im kreisenden Dreiertakt, ist für die Polen der Inbegriff der polnischen Weihnacht. Da die Melodie auch zur Vertonung patriotischer Texte verwendet wurde, schwingt ein nationales Gefühl für das Polentum mit. Sogar der aus Polen stammende Komponist Frédéric Chopin (1810-1849) zitierte die Melodie, deren älteste Version von 1705 im Erzbistumsarchiv in Posen/Archiwum Archidiecezjalne w Poznaniu aufbewahrt wird, rührselig, wie manche meinen, im Mittelteil seines ansonsten wilden und fieberhaften Klavier-Scherzos Nr. 1 in h-Moll op. 20.[6]
[1] https://www.vox.de/cms/sing-meinen-song-2017-mark-forster-singt-zum-ersten-mal-auf-polnisch-4134910.html , https://rtlnext.rtl.de/cms/sing-meinen-song-das-weihnachtskonzert-mark-forster-singt-zum-ersten-mal-auf-polnisch-4134935.html?c=ddbe
[2] Weihnachtslexikon Polen (archiviert), https://web.archive.org/web/20160304202846/http://www.sutter.de/weihnachtslexikon/deutsch/polen.htm
[4] Weihnachtslexikon Polen (archiviert), https://web.archive.org/web/20160304202846/http://www.sutter.de/weihnachtslexikon/deutsch/polen.htm
[5] https://www.vox.de/cms/sing-meinen-song-2017-so-feiern-die-stars-weihnachten-4134595.html (alle aufgerufen am 13.12.2017)