Lech Wieleba – Poetic Jazz
Das Album „Lech Wieleba – Poetic Jazz Symphonic“ dokumentiert zum ersten Mal das gemeinsame Musizieren des Jazz-Ensembles mit einem klassischen Sinfonieorchester. Allgemein sei das Vermischen von Jazz und klassischer Musik ungewöhnlich, sagt Wieleba, „wir haben einfach auf den richtigen Augenblick gewartet“. Und Bohdan Jarmołowicz fügt in dem Interview hinzu, das auf der DVD zu sehen ist, dass das Zusammenwirken eines Orchesters, welches traditionell nach Noten spielt, mit einem Jazz-Ensemble, das über lange Phasen improvisiert, eine kreative Herausforderung gewesen sei. Dass die Musik von Poetic Jazz nun eine größere Tiefe bekommen habe und man die Musik von Lech Wieleba jetzt „mit ausgebreiteten Armen“ umfassen könne, ist aus dem Publikum zu hören. In den Stücken des Programms werden kurze Geschichten aus dem Alltag erzählt. Jeder wisse, so Wieleba, wie es sei, wenn man vergeblich auf einen Anruf warte. Das Stück „Waiting for the Call“ interpretiere diese Stimmung. „Jeder hasst den Regen“, sagt Wieleba, „aber ich erinnere mich an einen Morgen in der Provence. Nach sechzig Tagen Trockenheit und Hitze begann es plötzlich zu regnen, leicht und von der Sonne begleitet. Noch nie war ich so froh, Regen zu sehen, und deshalb habe ich das Stück ‚La Chanson de la Pluie‘ dem Regen gewidmet.“ „Dla Ireny“ und „Zbynio“ sind Hommagen an seine Mutter und an seinen Bruder. „Tangeczko“ (dt. Kleiner Tango), von Wieleba selbst arrangiert, und „Blue Tango Nuevo“ sind auch für den nicht eingeweihten Zuhörer als Tango-Variationen zu erkennen. Und wer will, hört nicht nur durch das Sinfonieorchester Bezüge zur klassischen Musik. In dem Stück „Mazur“ (dt. Mazurka) mündet die Beschreibung der Landschaft Masowiens in den von dort stammenden Volkstanz, ähnlich wie Smetana die Schilderung des Laufs der Moldau in den Tanz auf einer Bauernhochzeit übergehen lässt. Und Wielebas „Elven Dance“ scheint zumindest in den Anfangssequenzen von Debussys „Prélude à l’après-midi d’un faune“ inspiriert, bevor die Jazz-Improvisation dem Stück eine neue Dynamik verleiht.
Lech Wieleba studierte Kontrabass am Konservatorium in Danzig (heute Zespół Szkół Muzycznych w Gdańsku-Wrzeszczu) bei Stanisław Rosiek, bei dem er 1977 sein Studium abschloss. Anschließend konzertierte er vier Jahre lang in Danzig an der Staatsoper und an der Philharmonie. Seit langem aber hatte er sich für Jazz interessiert. Bereits 1975 trat er auf dem zwei Jahre zuvor gegründeten Jazz Jantar Festival in Danzig in der Band des amerikanischen Free-Jazz-Musikers Don Cherry (1936-1995) auf. 1980 wurde ihm in Warschau der Krzysztof-Komeda-Preis verliehen. Im selben Jahr war er mit der Band Antiquintet Gewinner des Festivals Jazz nad Odrą (dt. Jazz an der Oder) in Breslau und trat auf dem Jazz Jamboree Festival in Warschau auf, dem ältesten internationalen Jazz-Festival Polens. 1982/83 ging er mit dem von dem Saxophonisten Ryszard Misiek (1947-2010) in Danzig gegründeten Polski Teatr Instrumentalny auf Europa-Tournee.
Nach seiner Übersiedlung nach Hamburg 1984 etablierte sich Wieleba auch in der deutschen Musikszene. Mit dem Liedermacher Franz Josef Degenhardt (1931-2011) nahm er drei CD-Alben auf (1986 „Junge Paare auf Bänken. Franz Josef Degenhardt singt Georges Brassens“, 1987 „Da müssen wir durch“, 1988 „Stationen“), mit Udo Lindenberg 1987/88 das Album „Hermine“, die alle bei Polydor erschienen sind. Für das zweiteilige Fernseh-Doku-Drama „Reichshauptstadt privat“ des Regisseurs Horst Königstein wirkte Wieleba 1987 beim Soundtrack mit. Mit der in Kalifornien beheimateten Band Golden Bough spielte er 1987 keltische Musik für die bei Arc Music erschienene Langspielplatte „Winding Road“ ein. 1993 produzierte er zusammen mit Bernd von Ostrowski (Vibraphon), Hans-Jörn Brandenburg (Klavier) und Hans-Peter Stiller (Schlagzeug) als The Classic Jazz Quartet eine CD mit „Modern Jazz Classics“, die im Lichtwarksaal der Carl-Toepfer-Stiftung in Hamburg aufgenommen wurde. Auch bei Musical-Produktionen wie „Phantom der Oper“, „Closer than Ever“ und „Fiddler on the Roof“ wirkte er in Hamburg mit. Sechs Jahre lang arbeitete er mit dem Aktionskünstler und Kulturmanager André Heller zusammen, unter anderem 1993-95 als musikalischer Leiter des Berliner Wintergarten-Varietés auf Tourneen durch Deutschland, die Schweiz und Österreich. 1998 und 2002 spielte er zusammen mit Witek Kornacki (Klarinette) und Angel Garcia Arnés (Gitarre) als Sureste Tango Trio die CDs „Soledad“, „Pasión en Tango“ und „María de Buenos Aires“ mit Musik von Astor Piazzolla ein. Mit dem Sureste Tango Trio tourte er zwischen 1998 und 2005 durch zahlreiche europäische Länder. Für Theaterproduktionen wie „La Musica“ nach Marguerite Duras im Theatron in Hamburg oder „Chawale“ im Theater am Hechtplatz in Zürich komponierte er die Musik.