Kosmopolen in Bochum: Europäische Kultur mit polnischem Akzent aus dem Ruhrgebiet
Kosmopolen ist tot, es lebe Kosmopolen
Gegründet wurde der Verein am 19. Mai 2008 im Bochumer Hellweg (der kleinen Straße in der Innenstadt, nicht dem Baumarkt). 11 Künstlerinnen und Künstler waren an diesem Tag in Emanuela Danielewiczs damaliger Wohnung unter der Hausnummer 18 dort. Die Wohnung mit dem grünen Sofa („der grüne Salon“) war zu der Zeit schon länger berühmt in der Ruhrgebiets-Kunstszene für Treffen von gemütlichen Abenden über philosophische Nächte bis hin zu wilden Tanzpartys, erinnert sich die Fotografin und schwärmt von dem tollen Ausblick über Bochums Dächer.
„Kosmopolen brachte die Menschen zusammen“, sagt sie. Ein Beispiel dafür ist das Musikerinnen-Duo Kasienki besteht etwa aus den Kasia Bortnik und Katrin Mickiewicz, die beide an der Folkwang-Universität studiert haben, sich aber erst über die Kooperative kennengelernt haben. Kasia Bortnik war offizielles Mitglied im Kosmopolen e. V., aber für sie ist es mehr als eine Mitgliedschaft. Sie beginnt mit diesem Begriff, korrigiert sich dann zu „Engagement“ und kommt zu dem Schluss, dass sie mit den Kosmopolen am ehesten „Freundschaft“ verbindet.
Heute lebt die Sängerin Kasia Bortnik in Köln, die Viola-Spielerin Katrin Mickiewicz in Berlin. Kasia Bortnik verbinde zwar eine Freundschaft mit vielen Kosmopolen, die Entfernung nach Bochum war doch zu weit, um spontan einen Kaffee zu trinken und über Gott und die Welt zu plaudern. Auch in Köln sei es schwer, sich mit anderen polnischen Künstler:innen auszutauschen. Geschweige denn auf die Beine zu stellen; das hat bei den Kosmopolen immerhin funktioniert.
Doch ob Konzert, Lesung, Gedenkveranstaltung oder gar Festival – eine solche Veranstaltung macht viel Arbeit und braucht viele helfende Hände. Technik, Werbung, Gastronomie, Gästebetreuung, Einlass – und natürlich das Konzept und das Programm selbst. Für viele Events war Emanuela Danielewicz verantwortlich. Sie ist eine Macherin, ein Organisationstalent. Doch nicht zuletzt vertrug sich die Hoffnung, die Kosmopolen-Idee aus dem Ruhrgebiet hinauszutragen, nicht mit den Anforderungen an einen funktionierenden Kulturbetrieb. Die letzte Mitgliedervollversammlung am 27. Januar 2019 hat die Auflösung des Vereins beschlossen.[7]
Traurig scheint Emanuela Danielewicz darüber nicht zu sein. Sie habe nie damit gerechnet, dass der Verein mehr als zwei, drei Jahre bestehen würde. Außerdem bleibt die Marke „Kosmopolen“ bestehen. Zu erfolgreich waren die Kunstkonzepte, zu denkwürdig viele Abende, zu wirksam die Botschaft. Auf dem „Bochumer Musiksommer“ wird es auch in Zukunft eine Kosmopolen-Bühne geben. „Kasienki & Kolędy“ bzw. „Kasienki & Benjamin“ werden auch weiterhin Kinder jeder Nationalität mit polnischen Weihnachtsliedern und Geschichten erfreuen. Das Musikfestival „New Polished Tunes“ musste 2020 Corona-bedingt – wie so viele Ereignisse – ausfallen. Die ehemaligen Vereinsmitglieder dürfen ihr Ding weiter mit diesem Label durchziehen. All das beweist: Die Vereinsstruktur war eben nur eine Formalität. Kultur und Engagement sind nicht auf einen Eintrag im Vereinsregister angewiesen.
Danielewicz ist nun Vorstand der am 23. September 2020 gegründeten Deutsch-Polnischen Gesellschaft Bochum NRW e. V. Auch dieser Verein soll die polnischen Akzente in der Kultur in NRW fördern, allerdings geht es hier institutioneller zu. Akteur:innen aus Politik und Wissenschaft sind Mitglieder, zum Beispiel Jürgen Mittag, Politikwissenschaftler and der Uni Köln und Vorsitzender der Europa-Union in Bochum, und der Polonia-Beauftragte des Landes NRW Thorsten Klute. Ganz nutzlos ist so ein Verein ja doch nicht. „So läuft das eben in Deutschland“, sagt Emanuela Danielewicz.
Marek Firlej, März 2021
[7] Kosmopolen e. V., News über die laufende Liquidation und über die Zukunft der „freien“ Kosmopolen, in: Kosmopolen.org. Stand: 27.01.2019, http://kosmopolen.org/.