Kosmopolen in Bochum: Europäische Kultur mit polnischem Akzent aus dem Ruhrgebiet
Jeder Kosmopole ist anders – und manchmal nicht mal Pole
Vielleicht ist es auch ganz richtig so, dass jeder unter dem Namen verstehen darf, was er will. Denn jedes Mitglied identifiziert sich auf ganz eigene Art als deutsch, als polnisch, als beides oder nichts davon. Jedes Mitglied sieht seine Aufgabe, seine Berufung – seine Kunst – in ganz individueller Weise von der Identitätsfrage beeinflusst.
Im Gespräch mit Porta Polonica hat die Jazzsängerin Kasia Bortnik uns Einblicke gewährt, wie Identität und Kunst bei ihr verwoben sind. 1997 hat sie ihre Eltern und Geschwister verlassen, um im Nachbarland zu studieren, und sagt, ohne zu zögern: „Selbstverständlich bin ich Polin.“ Dann hält sie aber doch inne und fügt hinzu: „Deutschland ist mein Zuhause geworden.“ Wie wird sie sich definieren, wenn ihre Eltern nicht mehr da sind? Eines ihrer Lieder trägt den deutschen Titel „Heimat“, der Text aber ist auf Polnisch. Darin singt Kasia Bortnik die Verse: „Chcę być tam gdzie soczyste gaje, słowa ojczyste dumne jak żurawie, czyny szlachetne i serca otwarte na dobro i prawdę.” („Ich will sein, wo die saftigen Haine sind, wo die Worte der Heimat so stolz wie die Kraniche, wo die Taten edel und die Herzen offen für Güte und Wahrheit sind.“)
Eine Inspiration für ihre Musik seien Bilder ihrer Kindheit in Schlesien. „Kiej na mojej jo mateczce“, ein schlesisches Volkslied, hat sie für ihr Album 2019-er Album „The Moon Is Just a Fake“ aufgenommen. Am liebsten schreibt die gebürtige Breslauerin auf Polnisch, ihrer Muttersprache, wie sie sagt, aber auch auf Englisch, ihrer Herzenssprache. Auf Deutsch zu schreiben hat sie sich noch nicht gewagt. Erst kürzlich hat sie die Gedichte von Hilde Domin entdeckt, die direkt Melodien in ihrem Kopf haben entstehen lassen. Eine Vertonung dieser Gedichte ist in Arbeit.
Nicht an der Sprache festmachen lässt sich das Schaffen von Emanuela Danielewicz. In ihrem Metier, der Fotografie, gibt es, wie in jeder Kunst, unterschiedliche Schulen und Stile. Die amerikanische Fotografie ist eine andere als die europäische, erklärt Emanuela Danielewicz. Dass sie aber polnische Fotografie mache, das empfindet sie als „Vorwurf“ an ihr Schaffen. Sie mache Portraits, da gebe es keine Nationalitäten.
Höchstens sei ihre Kunst europäisch. „Das Polnische ist das Europäische“, sagt Emanuela Danielewicz. Im Gespräch verweist sie immer wieder darauf, dass die nationalistischen Strömungen gerade in Polen, aber auch anderswo, erstarken würden. Dabei will sie persönlich und mit ihrem Schaffen die Nationalitäten, mindestens aber die Nationalismen überwinden. „Portraitfotografie ist Dialog“ und Dialog ist schließlich die Brücke zwischen zwei sogenannten Fronten. Aus diesem Grund mag sie auch all die Begriffe wie „Deutschpolen“ oder „deutsch-polnische Kulturveranstaltung“ nicht. Da stecke ja nicht nur ein Nationalismus drin, sondern gleich zwei!
Kosmopolen sollte der Weg aus der Nationalität hinaus sein, nicht hinein, erklärt die Vereinsgründerin.