Jan Łukasiewicz
In den Kriegsjahren setzte sich Heinrich Scholz auch für die Freilassung des Krakauer Theologieprofessors Jan Salamucha und des Krakauer Wissenschaftstheoretikers Joachim Metallmann aus den Konzentrationslagern Oranienburg bzw. Buchenwald ein. Dieser Einsatz zog eine scharfe Rüge des damaligen Wissenschaftsministers mit der Androhung der Amtsenthebung nach sich.
Da Łukasiewicz Frau dem polnischen Adel angehörte und auch er selbst als ehemaliger Bildungsminister und polnischer Würdenträger (er war u.a. Träger des Ordens Polonia Restituta) zu der Gruppe von Personen zählte, die bei einer Besetzung Polens durch die Rote Armee mit Repressionen bis hin zur Exekution bedroht waren, traf Łukasiewicz seit Herbst 1943 Vorbereitungen, um im Notfall Polen verlassen zu können. Wie dem Briefwechsel zwischen Łukasiewicz und Scholz zu entnehmen ist, beabsichtigte Łukasiewicz sich in der Schweiz nieder zu lassen. Als erster Schritt auf diesem Weg war eine kurzzeitige Unterbringung in Deutschland geplant. Da für eine Einreisegenehmigung zahlreiche Auflagen zu erfüllen waren, traf Scholz entsprechende Vorbereitungen, konsultierte Behörden und den Münsteraner Polizeipräsidenten. Am 17. Juli 1944, nur wenige Tage vor Ausbruch des Warschauer Aufstandes, konnten Jan und Regina Łukasiewicz Warschau verlassen und trafen am folgenden Tag in Münster ein. Infolge des Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944 wurden ihre Pläne einer Weiterreise in die Schweiz zunichte gemacht, da sie keine Erlaubnis mehr erhielten das Deutsche Reich zu verlassen. Die Łukasiewicz’ blieben mit Unterstützung befreundeter Mathematiker in Münster, lebten dort im Keller eines zerbombten Hauses, bis Jürgen von Kempski sie am 1. Januar 1945 auf seinen Hof in Hembsen (Kreis Höxter) brachte. Dort wurden sie im April 1945 von amerikanischen Truppen befreit.
Wenige Tage später erhielt Łukasiewicz eine Einladung des bekannten polnischen Generals Leon Berbecki, Kommandant des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers für polnische Offiziere (Oflag VI B) in Dössel. Łukasiewicz folgte der Einladung und blieb bis zum Oktober 1945 in Hohenwepel in der Nähe von Dössel und unterrichtete Logik in einer provisorisch eingerichteten, polnischen Schule im ehemaligen Lager Dössel. Für Łukasiewicz stand fest, dass eine Rückkehr nach Polen ausgeschlossen sei, da er es ablehnte als Philosoph an einer kommunistischen Universität dialektischen Materialismus zu propagieren. Nach einem kurzen Aufenthalt in Brüssel entschloss sich Łukasiewicz nach Irland zugehen. Am 4. März 1946 traf er in Dublin ein, wo er vom Außenminister und dem irischen Regierungschef empfangen wurde. Im Herbst 1946 wurde Łukasiewicz zum Professor für mathematische Logik an der Royal Irish Akademy berufen, an der er bis 1953 lehrte. Er starb am 13.02.1956 in Dublin und wurde auf dem dortigen Glasnevin Friedhof beigesetzt. Łukasiewicz’ Nachlass befindet sich in der Bibliothek der Universität von Manchester.
In seinem Nachruf auf Łukasiewicz schrieb Heinrich Scholz: „Ein Humanist im Zeichen eines in schwersten Prüfungen erprobten ‚Cogito, ergo sum’.“
Sabine Krämer, Januar 2015
Weiterführende Literatur:
Elstrodt, Jürgen; Schmitz, Norbert: Geschichte der Mathematik an der Universität Münster, 1773-1945, Münster 2008 (Online verfügbar unter http://wwwmath.uni-muenster.de/historie/)
Schmidt am Busch, Hans-Christoph; Wehmeier, Kai F.: Heinrich Scholz und Jan Łukasiewicz, in : Forum für osteuropäische Ideen- und Zeitgeschichte, 11. Jg. 2007, S. 107-125
Woleński, Jan: Mathematical Logic in Warsaw: 1918-1939, in: Andrzej Mostowski and Foundational Studies hrsg. V. A. Ehrenfeucht u. a., S. 30-46.
Eine eingehende Darstellung des wissenschaftlichen Werkes Łukasiewicz’ nebst Bibliographie unter http://plato.stanford.edu/entries/lukasiewicz/