Halina Kłąb-Szwarc. Die jüngste Geheimagentin der Heimatarmee
Viele Jahre später gesteht Halina Kłąb-Szwarc im Interview für „Wysokie Obcasy“: „Als der Krieg zu Ende ging, war ich Anfang zwanzig, doch ich fühlte mich wie eine Sechzigjährige.“[6] Das Kriegsende bedeutet für Halina jedoch nicht die ersehnte Rückkehr zur Normalität. In den ersten Nachkriegsmonaten taucht sie unter, um nicht von der polnischen Staatssicherheit (Urząd Bezpieczeństwa, UB) verhaftet zu werden. Erst 1946 unterzieht sie sich einem rechtlichen Rehabilitierungsverfahren vor einem Gericht in Łódź. Ihre Vorgesetzten von der Heimatarmee bestätigen, dass sie die Deutsche Volksliste nur auf Geheiß der Armeeführung unterzeichnet hatte.
Danach zieht Halina nach Poznań (Posen), wo sie das in Wien begonnene Medizinstudium fortsetzt und Andrzej Szwarc heiratet. Doch die Zukunft sieht für ehemalige Mitglieder der Heimatarmee alles andere als rosig aus: Sie werden vom Sicherheitsapparat der kommunistischen Volksrepublik Polen schikaniert. Halina wird mehrmals zu stundenlangen Verhören vorgeladen, selbst als sie schon hochschwanger ist. 1951 wird sie aufgrund ihrer Vergangenheit gezwungen, ihre Stelle als wissenschaftliche Assistentin an der Medizinischen Universität Posen (Akademia Medyczna) aufzugeben. Halina Kłąb-Szwarc bringt zwei Kinder zur Welt: Sohn Andrzej (geb. 1951) und Tochter Anna (geb. 1958). In den darauffolgenden Jahren wechselt sie mehrmals den Job und forscht vorrangig im Bereich der Schilddrüsenerkrankungen von Patient:innen aus Großpolen. Sie gehört außerdem zu den ersten Ärzt:innen, die flächendeckende medizinische Untersuchungen bei KZ-Überlebenden anstoßen.
Doch erst nachdem Halina Kłąb-Szwarc 1964 nach Warschau zieht, bekommt ihre wissenschaftliche Karriere Aufwind. Sie wird Prodekanin und später stellvertretende Rektorin der Sporthochschule Warschau (Akademia Wychowania Fizycznego). Im Alter von 52 Jahren widmet sie sich einem völlig neuen Forschungsbereich: der Gerontologie – der Lehre von Alterungsprozessen. Im Laufe der Zeit entwickelt sie sich zu einer angesehenen Expertin. Zu ihren wichtigsten Leistungen in diesem Bereich zählt die Gründung der Seniorenuniversität (Uniwersytet Trzeciego Wieku, UTW) in Warschau im Jahre 1975. Als Vorbild diente eine ähnliche Einrichtung im französischen Toulouse. Später wird die Warschauer Seniorenuniversität nach Halina Szwarc benannt. Polen ist, nach Frankreich und Belgien, das dritte Land weltweit, in dem eine solche Förder- und Bildungsinitiative für Personen im Rentenalter entsteht.[7] Heutzutage gibt es landesweit mehr als 500 Seniorenuniversitäten (inkl. Filialen), an denen rund 90.000 Menschen studieren.[8]
Für ihren Einsatz im Zweiten Weltkrieg erhält Prof. Halina Kłąb-Szwarc zahlreiche Auszeichnungen, u. a. das Bronzene sowie das Silberne Verdienstkreuz mit Schwertern (für die Einsätze in Hamburg und Berlin) sowie den höchsten Militärverdienstorden Polens, Virtuti Militari. Ihr wird zudem das Komturkreuz zweiter Klasse mit Stern des Ordens Polonia Restituta verliehen.
Jahrelang wissen weder Angehörige noch Mitarbeiter:innen von Halina Kłąb-Szwarc von ihrem Einsatz im Zweiten Weltkrieg. Erst als im Jahre 1999 ihr Buch „Wspomnienia z pracy w wywiadzie ZWZ-AK“ („Erinnerungen an die Arbeit im ZWZ- und AK-Geheimdienst“) erscheint, lernt die Welt die Geschichte der jungen Geheimagentin kennen. Das Buch dient als Vorlage für die verfilmte Theateraufführung „Doktor Halina“ (2008, Regie: Marcin Wrona), sowie den Dokumentarfilm „Najmłodsza agentka“ (2023, Regie: Magdalena Majewska).
Halina Kłąb-Szwarc stirbt 2002 im Alter von 79 Jahren. Sie wird im Familiengrab auf dem Warschauer Powązki-Friedhof beigesetzt.
Monika Stefanek, Oktober 2024
Mit Dank an Prof. Andrzej Szwarc, Sohn von Prof. Halina Kłąb-Szwarc, für die Bereitstellung der Materialien, die beim Verfassen des vorliegenden Artikels verwendet wurden.
[6] Bardziej Kloss niż Mata Hari. Halina Szwarc...
[7] Uniwersytet Trzeciego Wieku, Wikipedia, URL: https://pl.wikipedia.org/wiki/Uniwersytet_trzeciego_wieku (zuletzt aufgerufen am 30.09.2024).
[8] Quelle: Statistisches Hauptamt (Główny Urząd Statystyczny), Daten für die Jahre 2021/2022.