Franz Nerowski (1911–1942): Ein Spion aus dem Bund der Polen in Deutschland

Franz Nerowski, ca. 1931
Franz Nerowski, ca. 1931

Die Hinrichtungen werden erst am Tag vor der Vollstreckung angekündigt, so dass Franz und die anderen Insassen endlose Tage damit verbringen, auf das Geräusch des Schlüssels in ihren Zellentüren zu warten. Sobald der Hinrichtungstermin feststeht, müssen die Verurteilten Stunden oder sogar die ganze Nacht vor ihrer Hinrichtung gefesselt in einer speziellen Zelle verbringen. Am 20. August 1942 wird Franz darüber in Kenntnis gesetzt, dass sein Urteil am nächsten Tag vollstreckt werden soll. Gefängnispfarrer Albrecht Jochmann informiert Ottilie Pomaska in einem Brief über die letzten Stunden ihres Bruders. Er schreibt, dass Franz in seiner letzten Nacht auf Erden: „viel und innig gebetet [hat]; ich traf ihn wohl immer beim Rosenkranzbeten. Und als alles schon fertig gemacht war für den letzten Gang und ich nochmals neben ihn trat war, sagte er leise zu mir: ‚Noch etwas beten!‘ Wir dürfen zuversichtlich hoffen, dass der liebe Gott ihm ein gnädiger Richter gewesen ist. So viel und so inniges Beten kann nicht vergebens gewesen sein.“[3]

Am 21. August 1942 um 4:45 Uhr wird mein Großonkel aus seiner Zelle im brandenburgischen Gefängnis in einen langen Korridor gebracht, wo er mit sieben anderen Gefangenen in einer kurzen Warteschlange wartet, als Zweiter in der Reihe, bis ein Wachmann „Der Nächste!“ ruft und sie in die Hinrichtungskammer geführt werden. In der Hinrichtungskammer verliest ein Schreiber das Urteil von Franz – er wird zum Landesverräter erklärt – Pfarrer Jochmann spricht ein Gebet, und mein noch gefesselter Großonkel wird auf die Guillotine gelegt und enthauptet. Der gesamte Vorgang dauert nur wenige Minuten. Franz Nerowski ist 31 Jahre alt, als er stirbt.

Heute wird an Franz Nerowski als polnischer Kämpfer gegen die Nationalsozialisten mit einer Gedenktafel auf der Burg in Allenstein/Olsztyn erinnert. Und ich denke mir, dass diese Bestätigung seiner für ihn so wichtigen polnischen Identität ihm gefallen würde.

 

Marcel Krueger, März 2022

 

Marcel Krueger ist Schriftsteller und Übersetzer und lebt in Irland. 2019 hat er als offizieller Stadtschreiber von Allenstein/Olsztyn im Rahmen eines Stipendiums des Deutschen Kulturforums östliches Europa über das Leben in Ermland-Masuren berichtet, und in seinem Buch „Von Ostpreußen in den Gulag“ (2019) behandelt er die Erfahrungen seiner Großmutter Cilly, die 1945 in die Zwangsarbeiterlager der Sowjetunion verschleppt wurde. Er arbeitet gerade an einem Buch über das Leben seines Großonkels Franz Nerowski.

 

[3]   Brief von Pfarrer A. Jochmann, 21.8.1942. Privatarchiv des Autors.

Mediathek
  • Die Familie Nerowski-Barabasch Anfang der dreißiger Jahre

    Hintere Reihe v.l.n.r  Franz, Otti, Otto; vordere Reihe v.l.n.r. Lucie. Monika, Ottilie, Bruno, Cäcilie.
  • Akte von Franz Nerowski - Wojskowe Biuro Historyczne

    Abteilung II des Generalstabs der polnischen Armee, Militärgeheimdienst der Zweiten Polnische Republik
  • Franz Nerowski in der Uniform der Wehrmacht

    Franz Nerowski in der Uniform der Wehrmacht
  • Feldurteil Franz Nerowski, 1942.

    Feldurteil Franz Nerowski, 1942.
  • Verfügung der Hinrichtung von Franz Nerowski

    Verfügung der Hinrichtung von Franz Nerowski
  • Gedenktafel für die polnischer Kämpfer gegen den Nationalsozialismus aus Ermland-Masuren

    Burg Allenstein/Olsztyn