Die Pro-Solidarność-Bewegung in Deutschland

Solidarität mit Polen. Die Pro-Solidarność-Bewegung in Deutschland, Berlin 2012 r.
Solidarität mit Polen. Die Pro-Solidarność-Bewegung in Deutschland, Berlin 2012 r.

Am 3. Juni 1985 ging die Gesellschaft „Solidarność“ in Berlin mit einer Unterschriftensammlung für eine Petition an den deutschen Bundeskanzler an die Öffentlichkeit, um laufende Kreditgespräche mit dem Regime der Volksrepublik Polen zu stoppen. Am 24. Mai 1986 fand eine Demonstration vor der sowjetischen Botschaft in Bonn statt, die sich gegen die Politik der UdSSR und die Folgen des Reaktorunfalls von Tschernobyl wandte. Die Initiative zu dieser Aktion ging von der AGS Köln aus, die sie neben dem ChSWN, dem ZPU und der Gesellschaft „KONTYNENT“ auch wesentlich mitgestaltet hat. Zu einer Demonstration der AGS Eschweiler – Aachen vor der polnischen Botschaft in Köln kam es auch am 30. August 1987, deren Forderungen die Wiederaufnahme der Gewerkschaft NSZZ „Solidarność“ und die Erlangung gewerkschaftlichen Freiheiten in Polen betrafen. Weitere Protestaktionen der AGS Eschwelier – Aachen vor der Botschaft der Volksrepublik fanden am 13. Mai und am 31. August 1988 statt. Auch bei diesen Kundgebungen wurden die Einräumung gewerkschaftlicher Freiheiten in Polen und die Wiederaufnahme der NSZZ „Solidarność“ verlangt.

Indessen wurde die deutsche Öffentlichkeit laufend über die Situation in Polen, über die Repressionen und den Widerstand der Bevölkerung unterrichtet. In diesem Zusammenhang veranstaltete der christliche Dienst ChSWN von 1983 bis 1988 auch sechs Friedensmärsche zur Befreiung der Völker zwischen Carlsberg und dem Hambacher Schloss, einem symbolträchtigen Ort für den Kampf um demokratische und nationale Rechte. Jeder Marsch wurde von einem Symposium begleitet, das die Zustände in Polen behandelte. Darüber hinaus wurden in West-Berlin, München, Frankfurt am Main Köln, Bonn, und Aachen zahlreiche Informationstische aufgeboten, um Materialien über die Gewerkschaft „Solidarność“ zu verbreiten. Beiträge zur Lage in Polen waren aber auch in deutschsprachigen Publikationen nachzulesen, darunter in dem Informationsmagazin der PPS „Die Wende“, in der Zeitschrift „Meinung“ der Gesellschaft „Solidarność“ in West-Berlin und im „Informations-Bulletin“ des Hilfskomitees „Solidarność“ in Mainz.

Eine wichtige Rolle für die Kommunikation mit der deutschen Öffentlichkeit spielte der 1985 in München gegründete Juliusz Mieroszewski-Club für freies politisches Denken, der viele Mitarbeiter des polnischen Dienstes des Senders Radio Freies Europa in seinen Reihen hatte, sodass er über viel Insiderwissen verfügte. Der Club führte zahlreiche Aktionen durch, hielt Treffen ab, richtete Ausstellungen und Vorträge aus, und er bereitet Presseschauen zur aktuellen Situation in der Volksrepublik Polen auf. Geleitet wurde er von dem bekannten Schriftsteller Włodzimierz Odojewski mit den Stellvertretern Adam Rosenbusch, Bogdan Żurek und Franciszek Kotliński sowie Alina Grabowska als Sekretärin. Auch die Schauspielerin Barbara Kwiatkowska-Lass war in diesem Club aktiv. 2002 wurde die Arbeit dann eingestellt.

1983 schlossen sich 45 der weltweit auf vier Kontinenten spontan entstandenen Unterstützerorganisationen dem in­ter­na­tionaler Zu­sam­men­schluss der Organisationen zur Unterstützung der Gewerkschaft „Solidarność“ (CSSO) an. Unter den diversen Maßnahmen, die von dieser Dachvereinigung getroffen wurden, ragen zwei heraus. Zum einen die legendäre Spende von einer Million Dollar, die vom Kongress der USA „erzwungen“ wurde, zum anderen die Schaffung eines Hilfsprogramms für die einzelnen Betriebskomitees der Solidarność.

Die Kooperation der ausländischen Unterstützerorganisationen der Solidarność im CSSO war für die Wirksamkeit der Polenhilfe von großer Bedeutung, wobei Gelder nach Polen zu transferieren zu den leichtesten Aufgaben gehörte. Deutlich schwieriger gestaltete sich die Einfuhr von Druckerzeugnissen, die unter den Kommunisten verbotenen waren. Eine ganz spezielle Logistik war wiederum zur Vorbereitung und Abwicklung von Transporten technischer Güter gefragt. Zu den Personen, die sich diesbezüglich besonders hervorgetan haben, gehörten Mirosław Chojecki in Frankreich, Józef Lebenbaum und Marian Kaleta in Schweden, Andrzej Świętek in Dänemark sowie Andrzej Chilecki und Andrzej Wirga in Deutschland. Ihre Dienste wurden immer dann in Anspruch genommen, wenn Druckmaschinen und Offsetmaschinen bzw. Vervielfältigungsgeräte, Geräte zum Abhören des Funkverkehrs der Miliz (Milicja Obywatelska, kurz MO) und der Sicherheitsdienste, Radios und Spezialgeräte zur Lauschabwehr verbracht werden sollten. Dabei unterhielt jede Unterstützungsgruppe eigene Kontakte nach Polen. Zu den Empfängern der Lieferungen gehörten: das Auslandsbüro der GewerkschaftSolidarność“ in Brüssel, die NSZZ „Solidarność“, die Vorläufige Koordinierungskommission der Gewerkschaft „Solidarność“ (Tymczasowa Komisja Koordynacyjna NSZZ Solidarność), die regionalen Sektionen der Solidarność in Łódź, Mittel- und Ostpolen, in den Vorbeskiden, Westpommern, der Danziger Werft und Schlesien-Dąbrowa, das Akademische Informationszentrum des Unabhängigen Studentenverbandes (Centrum Informacji Akademickiej NZS), Nebenstellen der Solidarność Walcząca in Wrocław, Katowice, Poznań, die Solidarność Walcząca, die Konföderation eines unabhängigen Polens (KPN), die Gruppen „Niepodległość“ (Unabhängigkeit) und „Wola“ (der Wille), der Parteiflügel der PPS von Józef Pinior, die Polnische Unabhängigkeitspartei (Polska Partia Niepodległościowa), die Bürgerkomitees in Tychy und Bielsko-Biała, das Bürgerkomitee des Gewerkschaftvorsitzenden Lech Wałęsa, die Funktionäre Andrzej Słowik, Zbigniew Romaszewski, Romuald Szeremietiew, Marian Jurczyk, Leszek Moczulski, Stefan Bratkowski und Kornel Morawiecki sowie Redaktionen von Periodika und Informationsschriften, darunter das „CIA – Centrum Informacji Akademickiej“, außerdem Redaktionen von Zeitungen und Zeitschriften wie „Solidarność Podbeskidzia“ (Vorbeskiden), „Z Dnia Na Dzień“ (Niederschlesien), „Solidarność Walcząca“, „INDEKS” (Kraków), „BIULETYN“ (Wirtschaftsakademie Kraków), „Na Bieżąco“ (Opole), „Jedność“ (Westpommern), „Obraz“ (Szczecin), „Tygodnik Wojenny“ sowie die Nachrichtenrundschau „PWA – Przegląd Wiadomości Agencyjnych“.

1990 fand anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Gewerkschaft „Solidarność“ ein CSSO-Kongress in Aachen statt, bei dem die Vertreter der Pro-Solidarność-Bewegung mit den Vertretern der Nationalen Kommission der Gewerkschaft „Solidarność“ (Komisja Krajowa NSZZ Solidarność) und den Abgeordneten des Parlamentarischen Bürgerclubs (Obywatelski Klub Parlamentarny) zusammenkamen. Im selben Jahr überreichte der letzte Exilpräsident Ryszard Kaczorowski dem neuen, demokratisch gewählten Präsidenten der Dritten Republik, Lech Wałęsa, die Insignien des Präsidenten der Zweiten Polnischen Republik. Mit dieser Geste ging die Mission der Solidarność-Unterstützerorganisationen im Ausland zu Ende.

 

Alexander Zając, Juni 2022

 

Zusätzliche Informationen:

Der Polnische Club (Klub Polski) in Hamburg koordinierte die Hilfemaßnahmen vor Ort, wobei auch andere Organisationen im Dienst der Unabhängigkeit aktiv in seine Arbeit eingebunden waren. Zu ihnen gehörten die Vereinigung Polnischer Kombattanten (Stowarzyszenie Polskich Kombatantów, kurz SPK), der Hamburger Parteikreis der PPS, die KPN und der von der Gewerkschaft abgespaltene Flügel „Solidarność 80“. Der Club organisierte Treffen mit Oppositionellen wie Marian Jurczyk und Romuald Szeremietiew sowie Demonstrationen und Protestaktionen. Eine der bekanntesten Aktivitäten war eine Demonstration vor dem Konsulat der Sowjetunion, die mit Booten durchgeführt wurde, da die Organisatoren keine Genehmigung erhalten hatten, sich dem Konsulatsgebäude von der Straßenseite aus zu nähern. Der Club wurde lange von Maksymilian Pelc geleitet. Sein Nachfolger war Arkadiusz Kulaszewski.

 

Informationen im Netz über:

1.  die Conference of Solidarity Support Organizations (CSSO)

     http://en.wikipedia.org/wiki/Conference_of_Solidarity_Support_Organizations

2.  die Arbeitsgruppe „Solidarność“ Eschweiler – Aachen e.V.

     http://pl.wikipedia.org/wiki/Arbeitsgruppe_%22Solidarno%C5%9B%C4%87%22_Eschweiler-Aachen_e.V. und http://www.dw.de/dw/article/0,,15584318,00.html

3.  den polnischen Dienst des Senders Radio Freies Europa

     http://pl.wikipedia.org/wiki/Radio_Wolna_Europa

 

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