Die Pro-Solidarność-Bewegung in Deutschland
Das am 13. Dezember 1981 vom kommunistischen Regime Polens verhängte Kriegsrecht löste weltweit eine starke bürgerschaftliche Bewegung aus, die sich in vielen Unterstützergruppen für die im Untergrund arbeitende Solidarność manifestierte. Deren erstes Koordinierungstreffen fand unter Teilnahme der sich in der Bundesrepublik aufhaltenden Vertreter der Solidarność am 13. und 14. März 1982 in Düsseldorf statt. Dabei beschlossen die Arbeitsgruppen „Solidarność“ (kurz AGS), in Bremen ein Informations- und Koordinationsbüro der Solidarność einzurichten, das die Aktivitäten der Pro-Solidarność-Bewegung in der Bundesrepublik und in West-Berlin koordinieren und über sie informieren sollte. Das Büro beteiligte sich an allen Aktionen der Exil-Solidarność und pflegte Kontakte zu den Gewerkschaften des DGB sowie zu den Parteien SPD und CDU/CSU. Ab 1983 gab das Büro ein regelmäßig erscheinendes Bulletin in deutscher Sprache heraus. Als die Vorstände Marek Mikołajczyk, Henryk Jagielski, Adam Dembowski und Bogdan Felski dann jedoch am 21. und 22. September 1983 in der polnischen Botschaft in Köln aus freien Stücken ihre Demission erklärten, stellte der DGB seine finanziellen Zuwendungen ein, woraufhin der Bremer Bürgermeister die Büroräume kündigte.
Anschließend übernahm das Hilfskomitee „Solidarność“ Mainz e. V., das 1982 von den Eheleuten Jolanta und Andrzej Wirga gegründet worden war, um die Registrierung verfolgter Aktivisten der Solidarność zu betreiben, die Aufgaben der Zentralstelle in Bremen, vor allem die Koordination der Maßnahmen der Unterstützerorganisationen der Solidarność in der Bundesrepublik und in West-Berlin. 1983 enthielt die Kartei bereits über 8.000 Namen verfolgter, verhafteter und aus der Arbeit entlassener Personen, von denen über 1.400 im Rahmen einer „Patronatsaktion“ unterstützt wurden. Das Komitee gab auch die deutschsprachige Version des in Paris publizierten „Informations-Bulletins der Gewerkschaft NSZZ Solidarność“ heraus. Später verbreite es dann auch ein eigenes Bulletin, in dem unter anderem Nachdrucke von Beiträgen aus der polnischen Untergrundpresse zu lesen waren. Adressaten dieser Mitteilungsschrift waren die die Abgeordneten des Deutschen Bundestags, die Fraktionen im Parlament und die deutschen Spitzenpolitiker. Andrzej Wirga vertrat die Solidarność Walcząca (Kämpfende Solidarität) in der Bundesrepublik, wobei er in der Conference of Solidarity Suport Organisations, kurz CSSO (internationaler Zusammenschluss der Organisationen zur Unterstützung der Gewerkschaft „Solidarność“), der sein Hilfswerk angehörte, verantwortlich dafür war, technisches Gerät für die im Untergrund agierende Gewerkschaft nach Polen zu bringen. Ansonsten beteiligte er sich an der Organisation von Demonstrationen und Protestaktionen. Außerdem gab er der der Presse, den Rundfunksendern und deutschen TV-Anstalten im Rahmen der breit angelegten Kommunikationskampagne des Komitees viele Interviews und er versorgte den polnischen Dienst des Senders Radio Freies Europa mit Informationen. Darüber hinaus arrangierte er Treffen mit deutschen Politikern und Gewerkschaftern. 1985 fand am Sitz des DGB in Frankfurt am Main eine von ihm kuratierte Fotoausstellung statt. Anlässlich des fünften Jahrestags der Solidarność Walcząca wurden im Bonner Konrad-Adenauer-Haus Bilder der unabhängigen Fotoagentur „DEMENTI“ gezeigt. Die Ausstellung wurde vom damaligen Arbeitsminister Norbert Blüm eröffnet.
Die Arbeitsgruppe „Solidarność“ West-Berlin entstand im Dezember 1981. Zu ihren Schlüsselfiguren zählten Krzysztof Wcisło, Krzysztof Kasprzyk, Barbara Nowakowska-Drozdek und Wojciech Drozdek. Die Vereinigung gab ihre eigene Monatszeitschrift „Przekazy“ („Mitteilungen“) heraus, deren Redaktion zunächst von Krzysztof Kasprzyk geleitet wurde, bis Wojtek Drozdek auf ihn folgte. 1984 wurde die Zeitschrift dann zum Organ der Arbeitsgruppen „Solidarność“ in West-Berlin, Köln, Eschweiler – Aachen und des Hilfskomitees „Solidarność“ in Mainz erklärt. Das Berliner Büro wurde offiziell im August 1982 mit einer Ausstellung zum zweijährigen Bestehen der Gewerkschaft „Solidarność“ eröffnet, wobei solche Veranstaltungen typische Formate waren. Sie zeigte unter anderem Arbeiten von Andrzej Krauz und sie bot Künstlern aus der DDR einen Raum, und zwar denen, die in die Bundesrepublik ausgesiedelt waren, als auch jenen, die hinter dem „Eisernen Vorhang“ verharrten. Zu dieser Ausstellung erschien ein Sonderheft der Zeitschrift „Przekazy“, das der Opposition in Ostdeutschland gewidmet war. 1984 stellte die AGS West-Berlin die Arbeit ein.
Die Towarzystwo „Solidarność“ – Gesellschaft „Solidarność“ ging 1983 in West-Berlin aus dem informellen Komitee zur Verteidigung der [Gewerkschaft] „Solidarność“ (Komitet Obrony Solidarności, kurz KOS) hervor. Mitbegründer und Vorsitzender dieser Organisation, die wie das KOS hauptsächlich dazu da war, im Kriegsrecht verfolgten Solidarność-Aktivisten beizustehen, war Edward Klimczak. Weitere Aufgaben bestanden darin, der deutschen Gesellschaft und im Westen lebenden Polen Informationen über die Lage im Land zu vermitteln. Die Menschen im polnischen Untergrund wurden mit geschmuggelten Druckmaschinen, Druckzubehör, Abhörgeräten, Radios und Fernsehern unterstützt. Dabei wurden auch Bücher und eigene Drucksachen in kleinsten Auflagen sowie Literatur in russischer und ukrainischer Sprache über die Grenze geschafft. Die Transporte für die Solidarność Walcząca im Osten des Landes organisierte Kazimierz Michalczyk, während Leszek Kaleta die Breslauer Dependance belieferte. Die Gesellschaft „Solidarność“ richtete auch als Arm des CSSO in West-Berlin das Jahrestreffen 1989 aus. Das KOS gab anfangs alle zwei Wochen ein „Biuletyn Informacyjny“ („Informations-Bulletin“) heraus, auf das später die Zeitschrift „Pogląd“ („Meinung“) folgte, die seit 1983 alle drei Monate auf Deutsch erschien. Seit 1985 wurde „Pogląd“ auch in einem Kleinformat nach Polen versandt.