„Die Deutschen und die Polen. Geschichte einer Nachbarschaft“

„Die Deutschen und die Polen. Geschichte einer Nachbarschaft“
„Die Deutschen und die Polen. Geschichte einer Nachbarschaft“, eine dreiteilige Dokumentationsreihe von 3sat, Erstausstrahlung 9.11.2016.

Nach längerer Diskussion entschloss sich das Team, die vier Teile folgendermaßen aufzuteilen: Zwei 45-minütige Sendungen waren einer mehr oder weniger chronologischen Darstellung der Beziehungen gewidmet, in einer Folge sollte es um deutsch-polnisch-jüdische Wechselbeziehungen gehen und Teil 4 war – dies war von vornherein klar – der Geschichte Breslaus vorbehalten, das 2016 Kulturhauptstadt Europas war. Als Projektpartner konnte das Deutsche Polen-Institut gewonnen werden, für die Spielfilmszenen zeichnete der Regisseur Gordian Maugg verantwortlich.

Die beteiligten Sendeanstalten waren auf deutscher Seite ZDF/3Sat und auf polnischer Seite zunächst die öffentlich-rechtliche Sendeanstalt TVP. Schon in dieser Phase der Vorbereitungen zeigten sich die Schwierigkeiten des Vorhabens. Zwar mangelte es nicht an gutem Willen und auch nicht an wohlwollenden Geldgebern (Hessen Film und Medien GmbH, Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit), doch war es keinesfalls einfach, die Anforderungen der deutschen Fernsehmacher mit den Produktionsgewohnheiten der polnischen Partner abzustimmen: Eine Tendenz zu „Histotainment“ hier und traditionellere Gewohnheiten dort galt es ebenso zu berücksichtigen wie Präferenzen und Abneigungen bei politisch zu interpretierenden Aussagen: So stieß die ursprünglich relativ stark exponierte Person Rosa Luxemburgs polnischerseits auf Vorbehalte, und auch die Absicht, die Geschichtsdarstellung durch selbstironisch-kabarettistische Einlagen eines bekannten Satirikerpaares aufzulockern, fand an der Weichsel wenig Gefallen. Gleichzeitig mussten die beteiligten Historiker – neben dem Autor dieser Zeilen Igor Kąkolewski (Berlin), in einer späten Phase Krzysztof Ruchniewicz (Breslau) sowie immer wieder auch Hans-Jürgen Bömelburg (Gießen) – einsehen, dass die gewählte Präsentationsform mit zahlreichen „unterhaltenden“ Einschüben den für die Übermittlung historischer Zusammenhänge zur Verfügung stehenden Raum deutlich beschränkte. Die Autoren – neben Andrzej Klamt auch Zofia Kunert – achteten gemeinsam mit den Fernsehredaktionen auf die ihrer Meinung nach richtige Gewichtung der verschiedenen Elemente.

Als die Realisierung des Films bereits beginnen sollte, sorgte der Machtwechsel in Polen Ende 2015 für Turbulenzen: Nach dem Wahlsieg der rechten, nationalen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ wurde Anfang 2016 das bis dahin relativ liberal geführte öffentlich-rechtliche Fernsehen an die Kandare der Regierungspartei genommen, was nicht nur zu einem kompletten Wechsel der Sendeleitung führte, sondern auch zu sofortigem Unbehagen an einer deutsch-polnischen Koproduktion, deren Ziel es war, die Fülle unterschiedlichster Identitäten und Optionen im deutsch-polnischen Verhältnis aufzuzeigen. Andrzej Klamt sah sich gezwungen, die Zusammenarbeit aufzukündigen, konnte jedoch alsbald mit dem führenden privaten Fernsehkanal TVN einen neuen, starken Partner gewinnen.

Die Dokumentaraufnahmen erfolgten im Herbst 2015 und Frühjahr 2016 in Polen, Österreich und Deutschland, die Spielfilmszenen wurden ebenfalls vor der Sommerpause 2016 gedreht: Aufgrund der hessischen Förderpraxis war es dabei notwendig, auch die in Polen spielenden Szenen an hessischen Orten abzudrehen, so dass die Heilige Hedwig nicht in Breslau, sondern auf der Ronneburg nördlich von Hanau landete, während Józef Piłsudski nicht in Magdeburg, sondern in Wiesbaden aus der Festungshaft entlassen wurde und Friedrich Wilhelm IV. den freigelassenen Ludwik Mierosławski ebenfalls vom Schloss der hessischen Landeshauptstadt und nicht in Berlin begrüßte.

Nach einigen Vorpremieren – in Berlin und Wiesbaden – folgte die Erstausstrahlung der ersten drei Teile im Sender 3Sat am 9. November 2016: Zur Primetime um 20.15 Uhr schalteten knapp 700.000 Zuschauer, was einen Marktanteil von 2,1 Prozent bedeutete. Diese sehr guten Einschaltquoten überraschten auch die Programmmacher, die für ein Nischenthema ein deutlich geringeres Interesse erwartet hatten. Der Breslau-Film wurde am 18. Dezember 2016 im ZDF gesendet (980.000 Zuschauer, Marktanteil 10 Prozent), und die polnische Parallelversion feierte auch kurz vor den Weihnachtsfeiertagen im Sender TVN Premiere, wenn auch erst um 22.55 Uhr, also zu einer wesentlich ungünstigeren Zeit (Teil 1: 400.000 Zuschauer, Marktanteil 6 Prozent).

Die Rezeption in Deutschland und Polen war sehr positiv: Die aufwändigen Aufnahmen, die Fülle historischer Dokumente, selbst – anders als von den beteiligten Historikern befürchtet – die neugedrehten Spielszenen wurden gelobt, insbesondere aber die Tatsache, dass mit einer frischen, dynamischen, abwechslungsreichen Darstellung auch neue Zuschauergruppen für ein so komplexes Thema wie die deutsch-polnischen Beziehungen interessiert werden konnten.

Parallel zur Fernsehreihe erschien, vom Deutschen Polen-Institut organisiert und von der Sanddorf-Stiftung finanziert, im Darmstädter Theiss-Verlag eine Begleitpublikation, die reich bebildert vertiefte Informationen über das deutsch-polnische Beziehungsgefüge liefert.

 

Peter Oliver Loew, Juni 2017

(Historischer Fachberater für das TV-Projekt)

 

Der Film und die weiterführenden Informationen über die Produktion sind direkt in der Mediathek von 3sat zugänglich.

Projektseite des Films: deutsche-polen.eu

Informationen zur Begleitpublikation sind hier erhältlich.

 

Mediathek
  • Diskussion über die TV-Dokumentation „Die Deutschen und die Polen"

    Berlin, Januar, in der Brandenburgischen Landesvertretung. V. li. n. r.: Michael G. Müller, Igor Kąkolewski, Peter Oliver Loew, Magdalena Marszałek, Andrzej Klamt.
  • Ludwik Mierosławski - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku"

    In Zusammenarbeit mit "COSMO Radio po polsku" präsentieren wir Hörspiele zu ausgewählten Themen unseres Portals.