Deutsch-polnische Canaletto-Ausstellung in Dresden, Warschau und Essen 1963-1966
1963 konnte Beitz die Ernte seiner Bemühungen einfahren: Im März schlossen Deutschland und Polen ein Handelsabkommen, „mit dem eine neue Ära deutscher Ostpolitik beginnen“ sollte.[15] Zwischen Beitz, Cyrankiewicz und Gomułka, die wie in den Jahren zuvor im deutschen Pavillon auf der Messe in Posen/Poznań zusammentrafen, hatte sich inzwischen eine persönliche Freundschaft entwickelt.[16] Als Beitz 1964 die Canaletto-Ausstellung in Warschau sah, nahm er Verbindung zu Außenhandelsminister Trąmpczyński, zu einem Krupp-Vertrauten in Ostberlin sowie zum sowjetischen Botschafter Andrei Smirnow auf, um nicht nur die Dresden-Warschauer Ausstellung sondern auch Leihgaben aus der Eremitage und dem Puschkin-Museum für die Ausstellung in der Villa Hügel in Essen zu gewinnen, die dann am 28. April 1966 eröffnet wurde. Krupp stand für die Versicherungssumme von rund 12 Millionen Mark gerade. Im März hatte der Geschäftsführer der Villa Hügel, Carl Hundhausen, DDR-Kulturminister Klaus Gysi wegen der Leihgaben aus der Dresdner Gemäldegalerie zur Eröffnung nach Essen eingeladen.[17] Nach Intervention durch das Auswärtige Amt entschied jedoch Bundeskanzler Ludwig Erhard, dass Gysi die Einreise zu verweigern sei, woraufhin Hundhausen seine Einladung telegrafisch zurücknehmen musste.[18] Gründe für die Maßnahme wurden nicht genannt. Die DDR-Presse berichtete in kritischen Artikeln und Kommentaren über dieses Vorgehen,[19] die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden protestierten in einem offenen Brief gegen das Einreiseverbot.[20] In der westdeutschen Wochenzeitung „Die Zeit“ urteilte Gottfried Sello: „Eine blamable und unverständliche Maßnahme: Wenn Bilder ungehindert die Grenze passieren dürfen […] dann kann man den Männern, die für die Bilder und für das Ausleihen verantwortlich sind, das Reisen nicht verbieten“.[21] In der „Frankfurter Rundschau“ wurde positiv zur Kenntnis genommen, dass zum ersten Mal eine „Ausstellung in der Bundesrepublik wesentlich mit Hilfe der östlichen Länder zustande gekommen ist“. Die „Stuttgarter Zeitung“ schrieb: „Die Ausstellung in der Villa Hügel ist gleichsam der geistige Tafelschmuck für Handel und Wandel der Firma Krupp mit dem Osten.“[22]
Axel Feuß, August 2015
Literatur:
Ludwig Mehlhorn: Die Sprachlosigkeit zwischen Polen und der DDR. Eine Hypothek, in: Deutsche und Polen. 100 Schlüsselbegriffe, hrsg. von Ewa Kobylińska, München 1993, S. 522-528
Wolf-Dieter Eberwein / Basil Kerski (Hrsg.): Die deutsch-polnischen Beziehungen 1949-2000. Eine Werte- und Interessengemeinschaft, Opladen 2001
Basil Kerski / Andrzej Kotula / Kazimierz Wóycicki (Hrsg.): Zwangsverordnete Freundschaft? Die Beziehungen zwischen der DDR und Polen 1949-1990, Osnabrück 2003
Sergiusz Michalski: Eine kalte Freundschaft. Die Beziehungen zwischen der Volksrepublik Polen und der Deutschen Demokratischen Republik, in: Tür an Tür. Polen - Deutschland. 1000 Jahre Kunst und Geschichte, hrsg. von Małgorzata Omilanowska, Köln 2011, S.686-691
Bernardo Bellotto genannt Canaletto in Dresden und Warschau, Ausstellung vom 8. Dezember 1963 bis 31. August 1964, hrsg. von der Generaldirektion der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Albertinum, Dresden 1963
Resümee der wissenschaftlichen Konferenz Bernardo Bellotto gen. Canaletto, veranstaltet am 12. und 13. Mai 1964 von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie alte Meister anläßlich der deutsch-polnischen Bellotto-Ausstellung, Dresden 1964 (15 Seiten)
Drezno i Warszawa w twórczości Bernarda Bellotta Canaletta. Wystawa zorganizowana wspólnie przez państwowe zbiory sztuki w Dreźnie, Galerie̜ Dawnych Mistrzów i Muzeum Narodowe w Warszawie. Katalog, Warschau 1964
Bernardo Bellotto Caneletto. Wystawa zorganizowana wspólnie przez Państwowe Zbiory Sztuki w Dréznie, Galerie Dawnych Mistrzów i Muzeum Narodowe w Warszawie przy współudziale Kunsthistorisches Museum w Wiedniu, Pánstwowego Ermitazu w Leningradzie i Muzeum Sztuk Plastycznych im. A.S. Puszkina w Moskwie. Przewodnik. [Wystawa] 1964-1965, Muzeum Narodowe w Krakowie, Krakau 1964
Bernardo Bellotto genannt Canaletto. Ausstellung unter der Leitung von: Staatliche Kunstsammlung Dresden, Nationalmuseum Warschau, Kunsthistorisches Museum Wien veranstaltet von der Österreichischen Kulturvereinigung, Wien, Oberes Belvedere, 29. April bis 25. Juli 1965, Wien 1965
Europäische Veduten des Bernardo Bellotto genannt Canaletto. Ausstellung 29. April - 31. Juli 1966 in der Villa Hügel in Essen, hrsg. vom Villa Hügel e.V., Essen-Bredeney 1966
[15] Der Spiegel 26/1963, S. 25
[16] Der Spiegel 26/1963, S. 26
[17] Einladung v. 22.3.1966, abgebildet in Neues Deutschland v. 21.5.1966
[18] Abbildung Neues Deutschland, 21.5.1966
[19] Berliner Zeitung v. 21.5.1966, 22.5.1966; Neues Deutschland v. 21.5.1966
[20] Neues Deutschland v. 26.5.1966
[21] Die Zeit 27/1966 v. 1.7.1966
[22] Pressetext 50 Jahre Kunst in der Villa Hügel. Chronologie eines außergewöhnlichen Mäzenatentums, April 2003, villahuegel.de