Das Redemptoristenkloster „Maria Hilf“ in Bochum und die Polenseelsorge
Am 24. Juni 1900 wurde der aus Niederschlesien stammende Pater Paul Meißner (1852–1922) zum hauptamtlichen Polenseelsorger ernannt. Er wurde vom römischen Ordensgeneral persönlich nach Bochum beordert, dem er unmittelbar unterstellt war. Damit wurde er bei möglichen Auseinandersetzungen zwischen dem Orden und staatlichen Polizeiorganen aus der Schusslinie genommen. In den folgenden Jahren erweiterte er die Polenseelsorge, für die ab 1903 drei Patres der Redemptoristen aus Bochum ausschließlich zuständig waren. Einer von ihnen war Pater Theodor Fischer (1871–1941), der aus Herzebrock in Westfalen stammte. Er lernte innerhalb weniger Jahre so gut Polnisch, dass er es beinahe wie eine Muttersprache beherrschte. In dieser Zeit nahm der behördliche Druck auf die Redemptoristen wieder zu, weil sich Teile der Ruhrpolen zunehmend politisierten, mit der Zentrumspartei brachen und seit 1903 einen eigenen Kandidaten für die Reichstagswahlen aufstellten. Ab 1907 beschränkte sich die Polenseelsorge der Redemptoristen auf die Bochumer Klosterkirche. Die Gründe dafür lagen einerseits in der Arbeitsbelastung durch die stetig wachsende Zahl der Polen an der Ruhr und an der zugleich nicht ausreichenden Anzahl polnischsprachiger Patres, andererseits an der ihnen häufig entgegenschlagenden negativen Einstellung der deutschen Pfarrgeistlichkeit sowie antipolnischen Tendenzen vonseiten der preußischen Behörden, die auch die Polenseelsorger beeinträchtigten und ihre Arbeit erschwerten. Eine dieser Maßnahmen war die Versetzung des unter den Polen überaus beliebten Paters Fischer im Jahr 1909, was von den polnischen Gläubigen als weitere Schikane von behördlicher Seite angesehen wurde. Zahlen für die Jahre 1900 bis 1907 lassen zumindest ansatzweise auf den immensen Arbeitsaufwand der Redemptoristen schließen, der sich aus der Polenseelsorge ergab: In diesem Zeitraum wurden jährlich mehr als 100 Predigten gehalten und zwischen 13.000 und 23.000 Beichten abgenommen.
Während des Ersten Weltkrieges wurden die Bochumer Redemptoristen auch über die Grenzen des Ruhrgebietes hinaus in der Polenseelsorge tätig, insbesondere aufgrund der Vielzahl an internierten polnischen Soldaten aus der Zarenarmee. Mit der Wiedererstehung eines polnischen Staatswesens 1918, der Rückwanderung eines beträchtlichen Teiles der Ruhrpolen in die Heimat bzw. ihrer Auswanderung in die französischen, belgischen und niederländischen Kohlenreviere und einer veränderten gesamtpolitischen Lage war die Polenseelsorge im bisherigen Umfang und in dieser Form nicht mehr notwendig, aber auch nicht mehr möglich.
Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Bochumer Redemptoristenkloster aufgelöst, und 1943 samt angrenzender Kirche bei einem alliierten Bombenangriff völlig zerstört. Im Jahr 1950 begann der Wiederaufbau des Klosters und der Kirche, der Mitte der 1950er Jahre abgeschlossen wurde. Der Neubau wich stark vom ursprünglichen Bau ab. Nachdem die Priester der Gesellschaft der Christväter für Polen im Ausland (polnisch: Towarzystwo Chrystusowe), die bereits seit 1943 die Seelsorge für die polnischen Zwangsarbeiter an der Ruhr und nach 1945 auch für die polnischen Displaced Persons anboten, diese auch für die sogenannte alte Polonia und Flüchtlinge aus der Volksrepublik Polen sowie für die Aussiedler aus Polen insbesondere der 1970er und 1980er Jahre übernommen, ihre Seelsorgetätigkeit umgestaltet und die Polnische Katholische Mission (PKM) gegründet hatten, wurde auch das Redemptoristenkloster wieder zu einem geistlichen Zentrum der Polen in Bochum und Umgebung. In der Klosterkirche fanden allsonntäglich und an Feiertagen polnische Messen statt. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts zog die polnische Gemeinde Bochums in die unweit der Klosterkirche gelegene St. Joseph-Kirche, die sie für die dauerhafte Nutzung zugesprochen bekommen hatte – womit der Abbruch dieser Kirche verhindert worden war. Zu diesem Zeitpunkt spekulierte man aufgrund der Überalterung der Patres und des mangelnden Nachwuchses bereits seit Jahren über die Aufhebung des Klosters. Im Jahr 2010 erging schließlich die offizielle Bestätigung der Aufhebung und des Abbruchs des Klosters und der Klosterkirche. Am 16. Januar 2011 fand die letzte Messe mit der Profanierung des Kirchenbaus statt, bevor im Jahr 2012 der Abriss erfolgte, der zugleich der mehr als 120 Jahre andauernden Polenseelsorge durch die Redemptoristen bzw. in den sakralen Bauten des Ordens ein Ende setzte. Auf dem Areal entstand ein Altenheim, der Klostergarten blieb zum Teil erhalten.
David Skrabania, November 2018
Literatur:
Brandt, Hans Jürgen (Hg.): Die Polen und die Kirche im Ruhrgebiet 1871-1919. Ausgewählte Dokumente zur pastoral und kirchlichen Integration sprachlicher Minderheiten im deutschen Kaiserreich, Bd. 1, Münster 1987, S. 16–19.
http://pmk.pmk-bochum.de/historia-pmk-bochum/ [aufgerufen am: 29.10.2018].
https://www.bistum-essen.de/fileadmin/bereiche/ruhrbischof/110116-Profanierung_Redemptoristen_Klosterkirche_Bochum__16._01.11_12.01.11.pdf [aufgerufen am: 07.11.2018].