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Flexibel in allen Systemen. Die vielen Leben des Konrad Gruda

Konrad Gruda, aus: IPN, Komenda Główna Milicji Obywatelskiej w Warszawie, Akta osobowe funkcjonariusza MO: Konrad Gruda vel Glüksmann / Glücksmann, imię ojca: Zygmunt, ur. 25-10-1915 r., Bd. 2: 1944–1948
Konrad Gruda, ca. 1945

Herkunft und Jugend
 

Konrad Gruda wurde am 25. Oktober 1915 als Konrad Glücksmann im damals österreichischen Bielitz (Bielsko) geboren. Er stammte aus einer prominenten jüdischen Familie. 

Sein Vater Siegmund/Zygmunt Glücksmann (1884–1942), Sohn eines Schächters aus der Nähe von Wadowice, war Jurist und einer der führenden Aktivisten der jüdischen Sozialdemokratie in Galizien und später der deutschen Sozialdemokraten im polnischen Staat. Nach einer Verwundung im Ersten Weltkrieg gründete er in Bielitz eine Rechtsanwaltskanzlei, gehörte dem Gemeinderat an und galt als Marxist. Für zwei Legislaturperioden war er Abgeordneter im Schlesischen Landtag, agierte als Gegner des Wojewoden Michał Grażyński und warnte früh vor den Nationalsozialisten[1]. Vor Hitler mit seiner Familie in das nun sowjetische Lemberg geflohen, wurde er im Herbst 1940 von Stalin nach Sibirien deportiert. Nach seiner Freilassung infolge des Sikorski-Majskij-Abkommens 1941 ging er ins usbekische Buchara, wo er in der Repatriierungsstelle für polnische Soldaten arbeitete, dann aber an Typhus starb[2].

Konrads Mutter Hilda, geb. Rosner, (1888–1972) stammte ebenfalls aus einer jüdischen Bielitzer Familie. Ihr Vater Salomon (1851–1940) war Handlungsreisender. Ihr Bruder Rudolf (1887–1955) wurde nach dem Medizinstudium in Wien dort Hautarzt und überlebte versteckt in Klosterneuburg den Holocaust[3]. Hilda wurde von ihren Eltern zum Studium für zwei Jahre nach Großbritannien geschickt, arbeitete anschließend als Lehrerin und ging später mit ihrem Mann in die Sowjetunion. Nach 1945 unterrichtete sie einige Jahre lang Englisch an der nun polnischen Universität Wrocław. Später emigrierte sie mit der Familie ihrer 1926 geborenen Tochter Ruth, die mit Jerzy Kobryński (1921–1998) verheiratet war und zeitweise als Zahnärztin arbeitete, nach Schweden, wo sie starb. Kobryński war in den 1950er Jahren Dozent für Spionageausbildung am Schulungszentrum des Ministeriums für Öffentliche Sicherheit (Ministerstwo Bezpieczeństwa Publicznego) in Legionowo gewesen[4].

Konrad besuchte das Gymnasium in Bielsko, das er 1933 mit dem Abitur abschloss. Er war in der jüdischen Sportbewegung der Stadt aktiv, vor allem als Schwimmer. Schon als Kind fuhr er in den nahen Beskiden Ski und wanderte. Bei einem internationalen Wasserballturnier in Prag, an dem er mit seinem Bielitzer Verein teilnahm, hatte er um 1930 Fritz Kantor (1908–1979) kennengelernt, einen erfolgreichen Spieler des jüdischen Sportvereins Hagibor Prag. Es stellte sich heraus, dass dieser seine beiden Leidenschaften Sport und Literatur zu einem Berufsmodell zusammenbrachte und schon unter dem Namen Friedrich Torberg zu einem der bekanntesten jungen Schriftsteller jener Jahre wurde. Diesem Vorbild wollte Glücksmann nacheifern. Insbesondere Torbergs Buch „Die Mannschaft. Roman eines Sportlebens“ von 1935 hatte es ihm angetan[5].

Auf Drängen der Eltern studierte er aber zunächst an der Krakauer Jagiellonen-Universität Jura. In dieser Zeit gehörte er (bis zu dessen Auflösung im Jahre 1938) dem Bund der Unabhängigen Sozialistischen Jugend (Związek Niezależnej Młodzieży Socjalistycznej) an. Angeblich wurde er wegen seiner politischen Tätigkeit 1937 von einem Krakauer Gericht zu einer zweijährigen Gefängnisstrafe auf Bewährung verurteilt[6], das Studium gab er jedenfalls auf. 1938/39 arbeitete er nebenbei in Bielitz im Büro der Bank Śląski Zakład Kredytowy.

 

[1] Przemysław Kmieciak: Niemcy, nie naziści. O niemieckich antyfaszystach w II RP, in: Krytyka Polityczna vom 7.10.2023, https://krytykapolityczna.pl/kultura/historia/niemcy-nie-nazisci-o-niemieckich-antyfaszystach-w-ii-rp (zuletzt aufgerufen am 10.4.2024).

[2] Petra Blachetta-Madajczyk: Klassenkampf oder Nation? Deutsche Sozialdemokratie in Polen 1918–1939, Düsseldorf 1997, S. 274–278.

[3] Michaela Raggam-Blesch: Zwischen Rettung und Deportation. Jüdische Gesundheitsversorgung unter der NS-Herrschaft in Wien, in: Herwig Czech/Paul Weidling (Hg.): Österreichische Ärzte und Ärztinnen im Nationalsozialismus, Wien 2017, S. 67–88, hier S. 73/74. – Familienfotos unter https://www.centropa.org/de/photo/salomon-und-cecilie-rosner (zuletzt aufgerufen am 23.3.2024).

[4] Adrian Jusupović: „Nie matura, lecz chęć szczera zrobi z ciebie oficera”, czyli rola przyzakładowego szkolnictwa w kształceniu kadr RBP/MBP/MSW (1944–1990), in: Dzieje Najnowsze 47 (2015), Nr. 4, S. 95–118, hier S. 108.

[5] Konrad Gruda im Gespräch mit Joanna de Vincenz für Radio Multikulti, 2001 (siehe Audiomitschnitt in Mediathek).

[6] IPN BU 2174/2138, Bl. 18.

Mediateka
  • Konrad Gruda, ca. 1945

    aus IPN-Akte: Komenda Główna Milicji Obywatelskiej w Warszawie, Akta osobowe funkcjonariusza MO: Konrad Gruda vel Glüksmann / Glücksmann, imię ojca: Zygmunt, ur. 25-10-1915 r., Bd. 2: 1944–1948
  • Konrad Gruda, ca. 1957

    aus IPN-Akte: Ministerstwo Bezpieczeństwa Publicznego w Warszawie, Akta paszportowe: Gruda, Konrad, imię ojca Zygmunt, data urodzenia: 25-10-1915
  • Zofia Gruda (Winnicka-Bieżeńska), ca. 1957

    aus IPN-Akte: Ministerstwo Bezpieczeństwa Publicznego w Warszawie, Akta paszportowe: Gruda, Konrad, imię ojca Zygmunt, data urodzenia: 25-10-1915
  • Konrad Gruda: 4 x 100 dla Polski, Warszawa 1967

    Buchcover
  • Konrad Gruda: Zwölf Uhr einundvierzig. Wird Jan der tödlichen Gefahr entrinnen?, München 1979 [1975]

    Buchcover
  • Konrad Gruda im Interview mit Joanna Skibińska (auf Polnisch)

    Wiesbaden 2001, für Radio Multikulti, Ausschnitt über Begegnungen mit F. Torberg – gekürzt
  • „80-jähriges SPD-Jubiläum“ von Konrad Gruda, SPD Wiesbaden Nord

    Mitgliederehrung am 31.01.2011, von links nach rechts: Heidemarie Wieczorek-Zeul, Konrad Gruda, Thorsten Schäfer-Gümbel, Arno Goßmann