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Die Schwarze Madonna von Tschenstochau in Essen-Altendorf

Die Schwarze Madonna von Tschenstochau in Essen-Altendorf, St. Clemens Maria Hofbauer
Die Schwarze Madonna von Tschenstochau in Essen-Altendorf, St. Clemens Maria Hofbauer

Das ‚schwarze‘ Ruhrgebiet
 

Dass ihre muttersprachliche Gemeinde noch heute so lebendig ist, hat auch mit dem Zuzug vieler polnischer Katholik:innen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts in die boomende Industrieregion an der Ruhr zu tun. Denn die Geschichte der polnischsprachigen Seelsorge an der Ruhr ist älter als die des 1958 gegründeten Bistums Essen. Bereits im 19. Jahrhundert kamen viele Pol:innen an die Ruhr, um in dem neu entstehenden Industriegebiet eine Arbeit zu finden. Um ihre Katholizität auch fernab der Heimat, aber in vertrautem Gewand ausleben zu können, gründeten sie entsprechende Vereine: 16 (!) verschiedene Organisationen lassen sich vor dem Zweiten Weltkrieg allein für die Stadt Essen belegen. Die Eucharistie wurde in polnischer Sprache bis zu Beginn der 1930er Jahre in neun Essener Gemeinden gefeiert. Die Erzählung des ‚roten‘ Ruhrgebietes trifft somit nicht in Gänze zu – weder gegenwärtig noch in der Vergangenheit. Denn das gelebte Katholischsein der ursprünglich polnischen Bergarbeiter war die Ursache dafür, dass man im sogenannten Ruhrgebiet lange nicht ‚rot‘, sondern ‚schwarz‘, also die katholische Zentrumspartei, wählte.

 

Vor und nach 1945
 

Der aufkommende Nationalsozialismus bedeutete eine starke Zäsur für den polnischstämmigen Katholizismus an der Ruhr. Der von Hitler und seinen Vasallen betriebene Kult um das Deutschtum setzte fremdsprachigen Messfeiern und dem katholischen Leben in Gänze ein vorübergehendes Ende. Der bereits erwähnte polnische Orden „Gesellschaft Christi für Emigrantenseelsorge" sorgte dann für einen Neubeginn nach 1945. Bereits während des Weltkrieges hatte der Orden vier Priester aus Polen inkognito über die deutsche Grenze geschleust, damit sie polnischen Zwangsarbeiter:innen seelsorgliche Unterstützung zukommen ließen. In den Jahren nach 1945 setzten sie ihre pastorale Unterstützung in Nordrhein-Westfalen ganz offiziell fort. Eine Männerseelsorge, eine Schule, eine Caritasstation zeugen vom Engagement der polnischen Emigrantenseelsorge nach der sogenannten „Stunde Null“. Zu Bischof Franz Hengsbach (1910–1991), dem seit seiner eigenen Vikariatszeit in Herne die Seelsorge für polnische Katholik:innen besonders wichtig war und der sich in späteren Jahren am Aussöhnungsprozess zwischen deutscher und polnischer Bischofskonferenz maßgeblich beteiligen sollte, bestand seitens der polnischen Missionare ein ausgezeichneter Kontakt. Auch mit ‚weltlichen‘ polnischen Organisationen der Region arbeitete die polnischsprachige Gemeinde eng zusammen, unter dem Dach des Katholizismus einte sie regierungsfreundliche wie auch -kritische Verbände.

 

Das „Komitee zur Verteidigung der Pfarrei“
 

Dennoch ist die Geschichte der polnischsprachigen katholischen Gemeinde in Essen keine reine Erfolgsgeschichte, seit den 1980ern haben polnische Einrichtungen in Deutschland insgesamt mit Mitgliederschwund zu kämpfen. Vor diesem Hintergrund und der allgemeinen Umstrukturierung der Diözese sah sich das Bistum Essen gezwungen, 2005 die Stelle eines Vikars einzusparen, was zu drastischen Aktionen in der Gemeinde führte. Die Abschaffung dieser Position hätte die Reduzierung polnischer Gottesdienste und anderer Gemeindeaktivitäten bedeutet, sodass ein „Komitee zur Verteidigung der Pfarrei“ entstand. Aus Sicht der Komiteemitglieder konnte die Entscheidung des Bistums Essen nicht akzeptiert werden, da zeitgleich auch Johannes Paul II. 2005 als das Jahr der Eucharistie ausgerufen hatte. War es nicht ein Widerspruch, angesichts einer solchen Initiative eine Priester- und damit auch Zelebrantenstelle zu kürzen? Auch hatte die Zahl der Gottesdienstteilnehmer:innen gerade wieder zugenommen. Würden, so die Befürchtung vieler Gemeindemitglieder, auf die Einsparung der Vikarsstelle nicht noch weitergehende Schritte, gar die Abschaffung der polnischen Mission, folgen? Es kam schließlich zu einer Einigung, die Stelle des Vikars blieb aufgrund des großen Engagements der Gläubigen, kulminierend in einer Unterschriftenaktion, bestehen. Nur wenige Wochen danach kündigte sich schließlich an, dass die polnische katholische Mission nicht mehr in St. Marien in Essen-Steele ihre hauptsächliche Wohnung nehmen würde. Als die Überlegungen Bischof Genns zu dieser Umstrukturierung das erste Mal während einer Messe von der Kanzel verlesen wurden, betete ein Teil der Gläubigen nach der Messe für eine gute Zukunft für die Mission und kniete nieder — und zwar vor der Madonna von Tschenstochau. Dem Katholizismus an der Ruhr des 21. Jahrhunderts ausschließlich ein Niedergangsnarrativ zu unterstellen, greift damit zu kurz, wie das Beispiel der Schwarzen ‚Maria‘ in Altendorf belegt.

 

Florian Bock, Oktober 2021

 

Literatur zum Weiterlesen:

Leonard Paszek (Hg.): Dzieje polskojęzycznego duszpasterstwa w Essen. Geschichte der polnischsprachigen Seelsorge in Essen, Essen/Katowice 2007.

 

Übernahme mit freundlicher Genehmigung durch den Aschendorff Verlag

Originalbeitrag:

Florian Bock: Das katholische Milieu lebt? Die Schwarze Madonna von Tschenstochau in Essen-Altendorf, in: Florian Bock, Sebastian Eck, Miriam Niekämper und Lea Torwesten (Hrsg.): Geschichte(n) des Bistums Essen in 30 Objekten, Münster 2021, S. 138–143.

Mediateka
  • Das Frömmigkeitsensemble

    St. Clemens Maria Hofbauer, Essen-Altendorf
  • Die Schwarze Madonna von Essen-Altendorf, St. Clemens Maria Hofbauer

    Kopie des Gnadenbildes der Schwarzen Madonna von Tschenstochau, ca. 2008
  • Bildnis von Papst Johannes Paul II., 2013

    St. Clemens Maria Hofbauer, Essen-Altendorf
  • Blutreliquie von Papst Johannes Paul II.

    St. Clemens Maria Hofbauer, Essen-Altendorf
  • St. Clemens Maria Hofbauer, Essen-Altendorf

    Außenansicht
  • St. Clemens Maria Hofbauer, Essen-Altendorf

    Innenansicht, links das Frömmigkeitsensemble