Józef Szotowski
Von Beginn seiner Tätigkeit an wurde Szotowski polizeilich überwacht, wenngleich die Maßnahmen aufgrund fehlender Sprachkompetenzen bei den Polizeibehörden oberflächlich blieben. Die Behörden sahen seine Tätigkeit zwiespältig; einerseits positiv, weil er als Autorität erfolgreich moralisches, sittliches und rechtschaffenes Verhalten von den Zuwanderern einforderte und sich ganz eindeutig gegen sozialistische Bestrebungen positionierte, andererseits negativ, aufgrund seiner ebenso klaren Wahlempfehlungen für die Zentrumspartei und seiner polnisch-nationalen Agitation, die über den religiösen Rahmen hinausging und aufgrund derer die polnischen Vereine über eigene Fahnen und entsprechende Symbole (Mützen, Kokarden, etc.) im öffentlichen Raum als Polen erkennbar wurden. Da Szotowski bemerkte, dass er überwacht und sein Umfeld von Polizeispitzeln ausgekundschaftet wurde, zog er sich seit 1887 aus der aktiven Vereinsarbeit zurück.
Zum 1. April 1890 wurde Pfarrer Szotowski von seiner Position als Polenseelsorger für die Diözese Paderborn abberufen und durch Pfarrer Dr. Liss ersetzt, den er vor seiner Abreise in die Heimat in seine neue Tätigkeit einwies. Grund für seine Abberufung sollen seine regelmäßigen Überschreitungen der Diözesangrenzen bei seiner Tätigkeit gewesen sein, daneben war den preußischen Behörden aber auch seine polnisch-nationale Tätigkeit ein Dorn im Auge, weswegen sie Druck auf den Paderborner Bischof ausübten, er möge Szotowski zur Mäßigung aufrufen. Möglicherweise wurde er aber auch auf eigenen Wunsch von seinen Aufgaben entbunden, denn nach fünfjähriger Tätigkeit unter schwierigsten Bedingungen, ständiger Rastlosigkeit und Mobilität war er gesundheitlich sehr angeschlagen. Zurück in Pelplin blieb er zunächst ohne neue Aufgabe und beantragte beim Regierungspräsidenten in Danzig Beihilfe – eben aufgrund jener gesundheitlichen Probleme. Nach einigen Monaten wurde er Pfarrer in Groß Wudschin (Wudzyn) im Kreis Bromberg (Bydgoszcz).
Keine drei Jahre später nahm er die vakante Pfarrersstelle in Chmelno (Chmielno) in der Kaschubei an, wo er bis zu seinem Tod am 27. August 1911 tätig blieb. Während dieser Zeit engagierte er sich weiterhin sehr stark auf sozialem Gebiet und agitierte für die polnische Sache. Seit 1894 war er Mitglied der Landwirtschaftlichen Gesellschaft in Karthaus (Kartuzy) und initiierte im Jahr 1897 die Gründung einer Volksbank („Bank Ludowy“) in Chmelno. Zusätzlich nahm er die 1902 gegründete polnische Arbeiterbewegung in Allenstein (Olsztyn) unter seine Obhut. Auch die im Jahr 1908 in Chmelno gegründete Handelsgesellschaft „Kupiec“ wäre ohne seine materielle Unterstützung nicht zustande gekommen. Auf seine Initiative hin wurden in den nahegelegenen Ortschaften Wygoda (1902) und Oberbrodnitz (Brodnica Góna, 1905) neue Pfarrgemeinden eingerichtet und 1906 in Chmelno ein Spital für Arme und Bedürftige eingerichtet. Heute erinnert dort eine Gedenktafel an Pfarrer Szotowski.
Er setzte sich für die Pflege der kaschubischen Traditionen, Bräuche und Volkslieder ein und betrachtete sie als Teil des Polentums, für welches er in der Pfarrgemeinde und darüber hinaus agitierte. Szotowski war in den polnischen Wahlkomitees aktiv, hielt Vorträge zur Geschichte Polens und aktuellen Problemen, war in Kontakt mit den Kreisen um die polnische „Gazeta Olsztyńska” (Allensteiner Zeitung) und kümmerte sich moralisch und materiell um die polnischen Wahlkomitees in seiner Heimatregion, dem Ermland. Er befürwortete den Schulstreik 1906/07 und setzte sich für die Emanzipation der polnischen Bevölkerung in der Kaschubei und im Ermland ein, ebenso wie für ihre Bildung, die Pflege der polnischen Sprache und die nationale Bewusstwerdung. Seine Tätigkeit als Polenseelsorger an der Ruhr bildete das Fundament für die späteren umfangreichen Organisationsstrukturen der Ruhrpolen. Aus den von ihm initiierten Vereinsgründungen erwuchsen in nur zwei Jahrzehnten etwa 900 Vereine mit ca. 80.000 Mitgliedern.
David Skrabania, November 2018
Literatur:
Biografischer Artikel zu Szotowski Józef, in: Oracki, Tadeusz (Hg.): Słownik biograficzny Warmii, Mazur i Powiśla XIX i XX wieku (do roku 1945), Warszawa 1983, S. 306–307.
Matwiejczyk, Witold: Katolickie towarzystwa robotników polskich w Zagłębiu Ruhry 1871–1894, Lublin 1999 [insbesondere Kapitel III].