Wierusz-Kowalski, Alfred
Wierusz-Kowalski, Alfred (Alfred Kowalski-Wierusz, Alfred von Wierusz-Kowalski, Alfred Wierusz von Kowalski), polnischer Maler, Mitglied der „Münchner Schule“. 1871 Student der Kunstakademie Dresden. 1873-74 Student der Akademie der Bildenden Künste München. Anschließend in München ansässig und künstlerisch tätig. Ab 1890 Ehrenprofessor der Münchner Kunstakademie. *11.10.1849 Suwałki, †15.2.1915 München. Onkel des Malers Karol W.-K. (1869-1953, Mitglied der „Münchner Schule“), Vater des Malers Czesław W.-K. (1882-1984, Mitglied der „Münchner Schule“). Sohn eines Rechtsanwalts und Notars; Jugend in Suwałki, ab 1865 in Kalisz. 1868-71 Studium in der Warschauer Zeichenklasse/Klasa Rysunkowa bei Rafał Hadziewicz (1803-1883) und Aleksandr Kamiński (Alexander Kaminski, 1823-1886) sowie im Privatatelier von Wojciech Gerson (1831-1901). 1871-73 Studium an der Kunstakademie Dresden; kopiert nach alten Meistern in der Sempergalerie. 1873 geht er zusammen mit dem befreundeten Maler Václav Brožík (1851-1901) nach Prag, malt dort an einem unvollendet gebliebenen Historienbild „Stefan Czarniecki wird nach Sokołówka gebracht“ und fertigt Genreszenen im Auftrag eines Prager Kunsthändlers. Am 18.10.1873 Eintritt in die Malschule der Königlichen Akademie der Bildenden Künste in München, Studium bei dem Historienmaler Sándor (Alexander von) Wagner (1838-1919) mit einem Stipendium der Warschauer Gesellschaft zur Förderung der Schönen Künste/Towarzystwo Zachęty Sztuk Pięknych. 1878 Heirat mit Jadwiga, Tochter des polnischen Schriftstellers Wacław Szymanowski (1821-1886). Das Paar lebt in München, hat vier Kinder, lebt in einer repräsentativen Wohnung und führt ein offenes Haus. Das ebenso repräsentative Atelier wird zum Treffpunkt von anderen Künstlern, Kunsthändlern, Sammlern und Kunstliebhabern, darunter Kronprinz und Prinzregent Luitpold von Bayern (1821-1912). Innerhalb der polnischen Künstlerkolonie nimmt W.-K. eine herausragende Stellung ein; enge Verbindung zu deren Protagonisten Józef Brandt (1841-1915, Mitglied der „Münchner Schule“). Seit Anfang der 1880er-Jahre verkauft er zahlreiche Bilder in den europäischen Hauptstädten und in den USA, vor allem durch verstärkte Zusammenarbeit mit Münchner Kunstgalerien. 1890 wird er zum Ehrenprofessor der Münchner Kunstakademie ernannt. 1883, 1892 Goldmedaillen auf der Internationalen Kunstausstellung in München (Ankauf durch die Neue Pinakothek), 1894 auf der Internationalen Kunst-Ausstellung in Wien. 1896 erwirbt er in Polen das Gut Mikorzyn bei Konin, wo er seitdem regelmäßig die Sommermonate verbringt. 1903 Reise in die USA.
Aus W.-K.s Dresdner Zeit sind ein Porträt des dort ansässigen polnischen Schriftstellers Józef Ignacy Kraszewski (Nationalmuseum Warschau/Muzeum Narodowe w Warszawie), aus der Zeit in Dresden und Prag sein frühes Interesse an Genredarstellungen („Postwagen in der Stadt“/„Stacja pocztowa“, 1871/72, Bleistift, Bezirksmuseum/Muzeum Okręgowe, Suwałki) bezeugt. In München beeinflussen ihn Genre- und Militärbilder des einige Jahre älteren Malers Józef Brandt. Es entstehen Pferdszenen am Fluss und im Park im realistischen Stil der „Münchner Schule“, darunter eine Militärszene „Auf Vorposten“/„Na zwiadach“ (1877, Gouache, Suwałki) und eine „Heimkehr vom Markt“ (1880, Öl, Suwałki) mit einem Pferdegespann, die in Polen angesiedelt sind. Vorübergehend wird er von den Jagdszenen in Kostümen des 18. Jahrhunderts des ebenfalls in München tätigen polnischen Malers Maksymilian Gierymski (1846–1874, Mitglied der „Münchner Schule“) beeinflusst. Bald wendet er sich wieder militärischen Pferdemotiven aus dem Kaukasus und vom Januaraufstand 1863/64 zu, für deren Bearbeitung er Requisiten aus dem reichhaltigen Atelierfundus von Brandt verwendet. Seit Beginn der Achtzigerjahre konzentriert er sich auf Wintermotive mit Kutschen und Schlitten bei der Wolfsjagd („Überfall von Wölfen“/„Wyprawa na niedźwiedzia“, 1885/90, Öl, Privatbesitz), für die er weithin bekannt wird. Außerdem malt er Szenen aus dem Brauchtum und den Landschaften Polens, die in Dörfern und Kleinstädten spielen und sich nicht der Arbeit der ‚kleinen Leute‘, sondern „den Betätigungen und Vergnügungen des ländlichen Adels widmen: Jagdausflüge, Rückreisen von Jahrmärkten und Schlittenfahrten [...] bei wechselnden Witterungen, Tages- und Jahreszeiten“ (Eliza Ptaszyńska). Die Zusammenarbeit mit den Münchner Kunsthandlungen Wimmer, Heinemann, Fleischmann und Hugo Helbing sichert ihm internationale Ausstellungmöglichkeiten und Käufer. Unfähig, seinen Malstil zu verändern, verblasst sein Ruhm im Jahrzehnt nach der Jahrhundertwende. Werke befinden sich in den Nationalmuseen von Breslau, Kielce, Krakau, Posen/Poznań und Warschau, im Kunstmuseum Łódź/Muzeum Sztuki w Łodzi, in Museen von Białystok, Bytom, Opole und Radom, im Bezirksmuseum/Muzeum Okręgowe in Suwałki (umfangreicher Bestand), im Puschkin-Museum in Moskau, im Museum Georg Schäfer in Schweinfurt, in der Neuen Pinakothek in München sowie im Litauischen Kunstmuseum/Lietuvos dailės muziejus in Vilnius.
Einzelausstellungen: 1892, 1908, 1935 Warschau, Gesellschaft zur Förderung der Schönen Künste/Towarzystwo Zachęty Sztuk Pięknych
Gruppenausstellungen: Warschau: Ab 1869 Gesellschaft zur Förderung der Schönen Künste/Towarzystwo Zachęty Sztuk Pięknych; 1893-1902 Salon Krywult / 1873-1908 Krakau, Gesellschaft der Freunde der Schönen Künste/Towarzystwo Przyjaciół Sztuk Pięknych w Krakowie / Berlin: 1891, 1896 Internationale Kunst-Ausstellung; 1893 Große Berliner Kunst-Ausstellung / 1891 Wien, Künstlerhaus / 1899, 1909 München, Glaspalast sowie zahlreiche weitere deutsche, polnische und internationale Ausstellungen
Literatur: Adolf Rosenberg: Die Münchener Malerschule in ihrer Entwicklung seit 1871, Leipzig 1887, Seite 47; Friedrich Pecht: Geschichte der Münchener Kunst im neunzehnten Jahrhundert, München 1888, Seite 422; Polski Słownik Biograficzny, Band 14, 1968/69, Seite 537 (Kowalski, Alfred Jan); Münchner Maler im 19. Jahrhundert, Band 4, München 1983, Seite 376-379; Hans-Peter Bühler: Jäger, Kosaken und polnische Reiter. Josef von Brandt, Alfred von Wierusz-Kowalski, Franz Roubaud und der Münchner Polenkreis, Hildesheim/Zürich/New York 1993; Halina Stępień/Maria Liczbińska: Artyści polscy w środowisku monachijskim w latach 1828-1914. Materiały źródłowe, Warschau 1994, Seite 11, 47; Halina Stępień: Artyści polscy w środowisku monachijskim w latach 1856-1914 (Studia z historii sztuki, L), Warschau 2003; Jednodniówka – Eintagszeitung. Neuausgabe, herausgegeben von Zbigniew Fałtynowicz/Eliza Ptaszyńska, Muzeum Okręgowe w Suwałkach, Suwałki 2008, zugleich Katalog der Ausstellung „Signatur - anders geschrieben. Anwesenheit polnischer Künstler im Lichte von Archivalien“, Polnisches Kulturzentrum, München 2008; Eliza Ptaszyńska: Alfred Wierusz-Kowalski 1849-1915, Warschau 2011; Helmut Heß: Gierige Wölfe und rasende Schlitten. Ein erfolgreiches Bildkonzept von Alfred von Wierusz-Kowalski, in: Eliza Ptaszyńska (Hrsg.): Ateny nad Izarą. Malarstwo monachijskie. Studia i szkice, Suwałki 2012, Seite 285-303; J. Różalska, in: De Gruyter Allgemeines Künstlerlexikon, Band 81, Berlin, Boston 2014, Seite 422; Eliza Ptaszyńska: Alfred Wierusz-Kowalski, Olszanica 2017
Online:
Matrikeldatenbank, Matrikelbuch 2, Akademie der Bildenden Künste München, 02936 Alfred von Kowalski, http://matrikel.adbk.de/matrikel/mb_1841-1884/jahr_1873/matrikel-02936
Ewa Micke-Broniarek: Alfred Wierusz-Kowalski (2004), auf culture.pl, http://culture.pl/pl/tworca/alfred-wierusz-kowalski
Eliza Ptaszyńska: Alfred Wierusz-Kowalski (Online-Ausstellung mit 28 Abbildungen), auf Porta Polonica, http://porta-polonica.de/de/Atlas-der-Erinnerungsorte/alfred-wierusz-kowalski
10 Werke im Nationalmuseum Warschau/Muzeum Narodowe w Warszawie auf Muzeum Cyfrowe, http://cyfrowe.mnw.art.pl/dmuseion/results?q=Kowalski+Wierusz%2C+Alfred&action=SimpleSearchAction&mdirids=1&type=-2
Zahlreiche Werke auf artyzm.com, http://artyzm.com/e_artysta.php?id=586&page=1
Zahlreiche Werke auf Pinakoteka Zaścianek, https://www.pinakoteka.zascianek.pl/Wierusz_Kowalski/Index.htm (alle aufgerufen am 3.2.2018)
Axel Feuß, Februar 2018