Dynastische Hochzeiten zwischen polnischen und deutschen Fürstenhäusern Piasten: vor 1118 Adelajda/Adelheid von Polen
vor 1118 Adelajda/Adelheid (1090/91-1127), Tochter von Władysław I. Herman (1044-1102), Herzog von Polen, heiratet Diepold III. von Vohburg (1075-1146), Markgraf auf dem Nordgau und von Nabburg, Vohburg und Cham
Adelheid ist die jüngste von drei Töchtern aus der 1088 geschlossenen dritten Ehe von Władysław I. Herman mit Judith von Schwaben (Judith von Ungarn, 1047/54-nach 1105). Ihre Mutter ist die Witwe des ungarischen Königs Salomon (1053-1087) und Tochter des Salier-Königs und Kaisers des Römisch-Deutschen Reiches Heinrich III. (1016/17-1056) aus dessen zweiter Ehe mit Agnes von Poitou (um 1025-1077). Sie ist Halbschwester der beiden Söhne und Thronfolger von Władysław I. Herman aus dessen ersten beiden Ehen, Zbigniew und Bolesław III. Schiefmund. Sie ist außerdem Urenkelin des polnischen Königs Mieszko II. Lambert aus dessen 1013 geschlossener Ehe mit Richeza von Lothringen/Rycheza Lotaryńska, „der polnischen Königin am Rhein“, und dadurch mit dem ottonischen Kaiserhaus verwandt.
Ihr Vater Władysław I. Herman übernimmt die Herrschaft als Herzog von Polen von seinem Bruder Bolesław II., als dieser nach einer bewaffneten Revolte ins ungarische Exil fliehen muss. Władysław Herman verliert dabei die polnische Königswürde. Nach Władysławs Tod 1102 wird Polen unter seinen Söhnen, dem älteren Zbigniew aus der Ehe mit einer Polin und dem jüngeren Bolesław III. (1086-1138) aus der zweiten Ehe mit Judith von Böhmen/Judyta Przemyślidka, aufgeteilt. Aus der dritten, 1086 geschlossenen Ehe zwischen Władysław I. Herman und Judith von Schwaben stammen drei Töchter, von denen die älteste einen Fürsten der Wladimirer Rus heiratet, dann Agnes, welche Äbtissin der adligen Damenstifte Gandersheim und Quedlinburg wird, und schließlich Adelheid, die 1090/91 geboren wird. Ihr Halbbruder Bolesław III. vertreibt 1007/08 den älteren Zbigniew, verursacht 1112/13 dessen Tod und wird dadurch Alleinherrscher über Polen. 1115 heiratet Bolesław die deutsche Grafentochter Salome von Berg und betreibt in den folgenden Jahrzehnten eine intensive Heiratspolitik, indem er neun seiner vierzehn Kinder an benachbarte europäische Fürstenhäuser verheiratet. 1118 gibt er seine Halbschwester Adelheid dem Bruder seiner Schwiegermutter Adelheid von Mochental, Diepold III. von Vohburg, zur Frau, die dadurch Markgräfin auf dem Nordgau und von Nabburg, Vohburg und Cham wird.
Diepold III. wird seit dem Tod seines Vaters Diepold II. von Vohburg (†1078), Markgraf auf dem Nordgau und von Giengen, 1078 in der Schlacht bei Mellrichstadt von seiner Mutter Liutgard von Zähringen (um 1047-1119), der Tochter eines Herzogs von Kärnten und Markgrafen von Verona, erzogen. Mit seiner Volljährigkeit 1093 wird er Markgraf auf dem Nordgau, einem schon unter Karl dem Großen so bezeichneten Siedlungs- und Herrschaftsgebiet nördlich der Donau zwischen Neuburg an der Donau und Regensburg im Grenzgebiet zu Böhmen, das später als Oberpfalz bezeichnet wird und das Vater und Sohn bis ins Egerland ausdehnen. 1099 übernimmt er das Erbe seiner Verwandten Ulrich von Passau und Rapoto V. von Cham, die während eines Hoftags in Regensburg an einer Seuche gestorben sind. Seitdem gehören ihm die Herrschaft Vohburg mit einer Höhenburg an der Donau bei Pfaffenhofen sowie die Marken Cham und Nabburg, die sich bis nach Schwaben und Österreich erstrecken. Diepold kämpft zusammen mit dem Salier-König Heinrich V. gegen dessen Vater, reist in Heinrichs Gefolge zum Hoftag nach Quedlinburg und begleitet ihn 1111 und 1116 auf den Heerzügen nach Italien.
Unmittelbar nach seiner Hochzeit mit Adelheid von Polen gründet er 1118 zusammen mit seiner Mutter Liutgard und sicher nicht ohne Beteiligung seiner Ehefrau das Maria Himmelfahrt gewidmete Benediktinerkloster Reichenbach am Regen in der Nähe von Cham (Titelbild). Liutgard, die bereits im Folgejahr stirbt, sorgt noch für die Besiedelung des Klosters mit Benediktinermönchen aus dem in der Oberpfalz gelegenen Kloster Kastl, das sie 1103 zusammen mit ihrem Bruder Gebhard III. von Zähringen, Bischof von Konstanz, gegründet hat. 1122 ist Diepold III. am Zustandekommen des Wormser Konkordats beteiligt und 1125 bei der Thronbesteigung König Lothars III. anwesend. Nach Adelheids Tod 1127 heiratet er zwei weitere Male. 1133 gründet er das Kloster Waldsassen in der Oberpfalz, wenige Kilometer südwestlich von Eger (heute Cheb, Tschechische Republik). Dort soll sich ein Porträtgemälde von Adelheid befinden, das 1795 nach einer Vorlage aus dem Kloster Reichenbach gemalt worden ist.
Diepold und Adelheid haben fünf Kinder. Der einzige Sohn, Diepold IV., heiratet Mathilde von Bayern, Tochter eines Welfen-Herzogs. Die älteste Tochter Adela, Erbin des Egerlandes, ehelicht 1147 oder 1149 in Eger Friedrich Barbarossa, Herzog von Schwaben, kurz vor dessen Aufbruch zum zweiten Kreuzzug oder unmittelbar nach der Rückkehr. Die einhundertfünfzig Jahre später entstandene Gründungsnotiz über die Entstehung des Klosters Waldsassen[1] (die allerdings eher eine Sage ähnelt) berichtet, Diepold habe seiner Tochter Adela das gesamte „territorium“ des Klosters mit in die Ehe gegeben.[2] 1152 wird Friedrich Barbarossa zum König gewählt. Im Jahr darauf, also zwei Jahre vor dessen Krönung zum Kaiser des Römisch-Deutschen Reiches, wird die kinderlose Ehe geschieden. Vermutlich gilt die Markgrafentochter Adela dem neuen König als unebenbürtig. 1156 vermählt sich Barbarossa mit Beatrix von Burgund.[3]
Axel Feuß, Juli 2021
Literatur:
Norbert Kersken / Przemysław Wiszewski: Neue Nachbarn in der Mitte Europas: Polen und das Reich im Mittelalter (WBG Deutsch-polnische Geschichte, 1: Mittelalter), Darmstadt 2020
Eduard Mühle: Die Piasten. Polen im Mittelalter, München 2011
Karol Maleczyński: Bolesław III Krzywousty (1975), Krakau 2010
Owald Balzer: Genealogia Piastów, 2. Auflage, Krakau 2005
Tobias Weller: Die Heiratspolitik des deutschen Hochadels im 12. Jahrhundert (Rheinisches Archiv, 149; zugleich Dissertation Universität Bonn, 2002), Köln und andere 2004
Kazimierz Jasiński, Rodowód pierwszych Piastów, 2. Auflage, Poznań 2004, Seite 199-203
Robert Treml: Markgraf Diepold III., der Stifter des Klosters Waldsassen, in: Waldsassen. 850 Jahre eine Stätte der Gnade, herausgegeben von Franz Busl, Hof 1983, Seite 23-32
Wolfgang Rappel: Diepoldinger, Markgrafen, in: Bosls bayerische Biographie, herausgegeben von Karl Bosl, Regensburg 1983, Seite 138; Digitalisat: http://bosl.uni-regensburg.de/?seite=154&band=1
Kazimierz Jasiński: Powiązania genealogiczne Piastów (małżenstwa piastowskie), in: Piastowie w dziejach Polski, herausgegeben von Roman Heck, Wrocław 1975, Seite 135-148
Sigmund Ritter von Riezler: Diepold III. (Dietbold I.), in: Allgemeine Deutsche Biographie 5 (1877), Seite 153-154 [Online-Version]; https://www.deutsche-biographie.de/sfz69641.html#adbcontent
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[1] Fundatio monasterii Waldsassensis, 1290-1310; 1329-39, Berichtszeit 1132, vergleiche Bayerische Akademie der Wissenschaften, Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters, https://www.geschichtsquellen.de/werk/2410
[2] Weller 2004 (siehe Literatur), Seite 84 f.
[3] Ebenda, Seite 88-91
Weitere Einträge zu den dynastischen Hochzeiten zwischen polnischen und deutschen Fürstenhäusern
Piasten
1115 Bolesław III. Schiefmund/Bolesław III Krzywousty
um 1142 Dobroniega Ludgarda/Luitgard, Lukardis
1148 Judith/Judyta Bolesławówna