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Dynastische Hochzeiten zwischen polnischen und deutschen Fürstenhäusern Piasten: 1115 Bolesław III. Schiefmund

Grabstätte von Władysław I. Herman und seinem Sohn Bolesław III. Schiefmund, Herzöge von Polen, in der Kathedrale Mariä Himmelfahrt/Katedra Wniebowzięcia Najświętszej Maryi Panny in Płock, Königliche Kapelle. Schwarzer Marmorsarkophag mit Alabaster-Adler nach dem Entwurf von Zygmunt Vogel (1764-1826), 1825
Grabstätte von Władysław I. Herman und seinem Sohn Bolesław III. Schiefmund, Herzöge von Polen, in der Kathedrale Mariä Himmelfahrt/Katedra Wniebowzięcia Najświętszej Maryi Panny in Płock, Königliche Kapelle. Schwarzer Marmorsarkophag mit Alabaster-Adler

Nach Ottos zweiter Missionsreise 1128 in das Gebiet der Lutizen, die auch von dem aus sächsischem Adel stammenden König Lothar III. und von deutschen Fürsten unterstützt wird, nehmen die Adligen von Demmin, Wolgast und Gützkow auf einem Landtag in Usedom das Christentum an. 1135 erhält Bolesław von Lothar auf dem Hoftag in Merseburg Pommern und Rügen als Lehen. Anlässlich dieser Begegnung, bei der zwischen Böhmen und Polen ein Waffenstillstand in den Auseinandersetzungen um Schlesien vereinbart wird, bestimmt Lothar, der 1133 zum Kaiser gekrönt worden ist, auch das Verhältnis zu Bolesław neu. Es ist ein Verhältnis zwischen Unterwürfigkeit und Wertschätzung: In Merseburg tritt Bolesław als Schwertträger des Kaisers auf. Anschließend pilgert er nach Hildesheim zum Grab des von ihm verehrten Bischofs Godehard (960-1038), der 1131 heiliggesprochen worden ist. Auf dem Rückweg nach Polen wird Bolesław in Magdeburg „auf Weisung Lothars mit königlichen Ehren empfangen“.[9] Im Anschluss daran werden in Polen Godehard-Patrozinien, also dem heiligen Bischof gewidmete Kirchen und Altäre, in Posen/Poznań, Kruschwitz/Kruszwica, Leslau/Włocławek, Kalisch/Kalisz und Kostenblut/Kostomłoty bei Neumarkt in Schlesien/Środa Śląska eingeführt.[10]

Die Nachfolgeregelung für Bolesław III. wird, so belegen zeitgenössische Quellen, nicht erst auf dessen Totenbett und durch ein Testament bestimmt, sondern bereits im Vorwege als Ergebnis „eines öffentlichen Aushandlungsprozesses, bei dem weltliche und geistliche Große gemeinsam mit dem Herzog rechtzeitig nach einer Lösung für ein Problem gesucht haben, das angesichts von fünf zwischen 1105 und 1138 geborenen Herzogssöhnen absehbar war.“[11] Zuvor hat es bei den Piasten eine solche Erbfolgeregelung offensichtlich nicht gegeben, was zur Folge hatte, dass Bolesław I., Mieszko II. und Bolesław III. erst durch gewaltsame Verdrängung ihrer (Halb-)Brüder eine Alleinherrschaft durchsetzen konnten. Die neu gefundene Senioratsordnung knüpft, so Mühle, „an das archaische Prinzip der Vorherrschaft“ eines Ältesten an, dessen Entscheidungen die Junioren zu folgen haben. Im Fall der Piasten fällt dem Senior der Dynastie künftig das ostgroßpolnische und kleinpolnische Kerngebiet um Gnesen und Krakau zu. Damit verbunden ist die Wahrnehmung der zentralen Aufgaben wie die oberste Rechtsprechung, die Kriegsführung, die Außenpolitik sowie die Einsetzung der kirchlichen und weltlichen Amtsträger. Die Junioren erhalten eigene fest umrissene territoriale Teilgebiete, eine „verlässliche politische und materielle Teilhabe an der Herrschaft“[12] sowie die Perspektive auf ein geregeltes Nachfolgeverfahren beim Tod des Seniors. Diese Senioratsverfassung führt ab 1138 zu einer Teilung des Piastengeschlechts in die masowisch-kujawische, die großpolnische, die kleinpolnische und die schlesische Linie, die sich dennoch untereinander bekriegen und die schließlich in verschiedenen Jahrhunderten bis 1675 in der schlesischen Linie aussterben.

Axel Feuß, Juli 2021

 

Literatur:

Norbert Kersken / Przemysław Wiszewski: Neue Nachbarn in der Mitte Europas: Polen und das Reich im Mittelalter (WBG Deutsch-polnische Geschichte, 1: Mittelalter), Darmstadt 2020

Robert F. Barkowski: Die Piasten und die Anfänge des polnischen Staates, Berlin 2018

Fernhändler, Dynasten, Kleriker. Die piastische Herrschaft in kontinentalen Beziehungsgeflechten vom 10. bis zum frühen 13. Jahrhundert, herausgegeben von Dariusz Adamczyk und Norbert Kersken, Wiesbaden 2015 (darin: Norbert Kersken: Heiratsbeziehungen der Piasten zum römisch-deutschen Reich, Seite 83 f., 92-94; Joanna Sobiesiak: Mulier suadens und andere Damen. Dynastische Heiraten in der Geschichte der polnisch-böhmischen Beziehungen des 10.-12. Jahrhunderts, Seite 121)

Eduard Mühle: Die Piasten. Polen im Mittelalter, München 2011, Seite 37-42, 52-54

Karol Maleczyński: Bolesław III Krzywousty (1975), Krakau 2010

Zbigniew Dalewski: Ritual and politics. Writing the history of a dynastic conflict in medieval Poland, Leiden 2008

Hedwig Röckelein: Heiraten, ein Instrument hochmittelalterlicher Politik, in: Der Hoftag in Quedlinburg 973. Von den historischen Wurzeln zum Neuen Europa, herausgegeben von Andreas Ranft, Berlin 2006, Seite 99-136

Owald Balzer: Genealogia Piastów, 2. Auflage, Krakau 2005

Tobias Weller: Die Heiratspolitik des deutschen Hochadels im 12. Jahrhundert (Rheinisches Archiv, 149; zugleich Dissertation Universität Bonn, 2002), Köln und andere 2004

Kazimierz Jasiński: Rodowód pierwszych Piastów, 2. Auflage, Poznań 2004, Seite 184-194

Christian Lübke / Henryk Machajewski / Jürgen Udolph: Pommern, in: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA), 2. Auflage, Band 23, Berlin/New York 2003

Ulrich Schmilewski: Piasten, in: Neue Deutsche Biographie 20 (2001), Seite 403-405 [Online-Version], https://www.deutsche-biographie.de/sfz30876.html#ndbcontent

Zdzisław S. Pietras: Bolesław Krzywousty, Krakau 2000

Józef Mitkowski: Bolesław Krzywousty (Biblioteczka historyczna), Warschau 1989

Kazimierz Jasiński: Powiązania genealogiczne Piastów (małżenstwa piastowskie), in: Piastowie w dziejach Polski, herausgegeben von Roman Heck, Wrocław 1975, Seite 135-148

Polski Słownik Biograficzny, Band 2, 1936, Seite 256

 

Online:

Bolesław III Krzywousty, auf Polski Portal Biograficzny, https://www.biogramy.pl/a/biografia/boleslaw-iii-krzywousty-wiesz

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[9] Kersken/Wiszewski 2020 (siehe Literatur), Seite 42

[10] Ebenda, Seite 113. Vergleiche Marta Młynarska-Kaletynowa: O kulcie św. Gotarda w Polsce XII i XIII wieku, in: Społeczeństwo Polski średniowiecznej, Band 6, Warschau 1994, Seite 75-91

[11] Mühle 2011 (siehe Literatur), Seite 39

[12] Ebenda, Seite 40

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