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„Meine Kinder aus Lodz...“ – „Moje Dzieci z Łodzi...“

Parkfriedhof Marzahn, Abteilung 19: Gräber und eine Tafel zum Gedenken an den Tod von zwanzig Zwangsarbeiterinnen aus Lodz.
Die Inschrift lautet: „Hier liegen zwanzig junge polnische Frauen, die am 4.9.1943 als Zwangsarbeiterinnen der A.E.G. bei einem Bombenangriff auf Berlin in der Grenzstraße 16 in Wedding ums Leben kamen. Zum Gedenken - Ihre Kolleginnen und Kollegen aus der

GRENZSTRAßE 16

Danuta Bartkowiak:

„Man brachte uns in die Grenzstraße 16 zu einem großen, vierstöckigen Gebäude, dem gegenüber ein Friedhof lag. Wir wurden in einem großen Saal im Parterre untergebracht, früher gab es dort ein Restaurant. Im Saal standen Etagenbetten und ein paar Hocker. Es war im Stadtbezirk Wedding, und die Betriebshallen standen in der Brunnen- und [in der] Ackerstraße. Die Gegend war sehr schön, mit viel Grün.“[13]

Ihr Weg zur Arbeit in der Ackerstraße dauerte kaum zehn Minuten. Sie liefen an der Friedhofsmauer lang, weiter unter den eisernen Brücken der S-Bahn, bis sie hinter der nächsten Straßenecke vom mächtigen Portal des ältesten AEG-Gebäudes „begrüßt“ wurden. Die Terrakotta-Plastiken an den Backstein-Fassaden haben sich bis heute erhalten. Was mussten Sie dort tun? Seit 1930 wurden an diesem Standort Stromzähler, elektrische Uhren, aber auch Vergaser für Dieselmotoren hergestellt. Der Weg zu den Betriebshallen in der Brunnenstraße war ein wenig länger. Nahmen sie dann die Abkürzung durch den öffentlichen Park „Humboldthain“? Eher nicht... Die Zwangsarbeiterinnen mit dem Stigma an der Brust, dem „P“-Abzeichen, waren hier nicht willkommen... Also gingen sie am Park entlang, auf der heutigen Gustav-Meyer-Allee, wo im September 1995 an einem der AEG-Werkstore die „Berliner Gedenktafel” aus Porzellan der berühmten Königlichen Porzellan-Manufaktur (KPM) angebracht wurde.[14] Die Inschrift lautet: „Auf diesem Fabrikgelände beschäftigte die AEG / während des Zweiten Weltkrieges nach Deutschland deportierte / POLNISCHE ZWANGSARBEITER / Auch sie sind Opfer der NS-Herrschaft“.

Aus den Fenstern der Unterkunft und aus den Etagenbetten sahen sie auf den Friedhof (Dorotheenstädtischer Friedhof II)[15] sowie auf die Versöhnungskirche (zugunsten freien Schussfelds nach dem Bau der Mauer gesprengt). Möglicherweise unternahmen sie ihre Nachmittagsspaziergängen eben dort, in diesem Quartier, das für sie eher ein Park als ein Friedhof war.

 

MOJE DZIECI Z ŁODZI – MEINE KINDER AUS LODZ

Bolesław Zajączkowski erinnert sich:

„An unserer letzten Reise [nach Berlin] beteiligten sich die Familienangehörigen jener Kameradinnen, die während eines Luftangriffs auf Berlin umgekommen waren. Zwanzig Mädchen waren es, die damals umgekommen waren. 1943 traf eine Bombe das Gebäude, in dem sie untergebracht waren. Zwanzig Mädchen kamen um, zwei überlebten. Mit Hilfe der Lodzer Presse fand ich noch Familienangehörige. Es kamen zwölf Personen zusammen und wir fuhren nach Berlin. Wir wurden dort sehr würdig von dem Bezirksbürgermeister von Wedding empfangen, denn im Wedding waren sie umgekommen. (...) Wir brachten dorthin eine von meinen Gedenktafeln mit. Sie stand eine Weile sogar hier, in dieser Wohnung, ich ließ sie bei einem Steinmetz anfertigen. Und die zweite Gedenktafel wurde von den Berlinern (...) gestiftet, in der -Grenzstraße sechzehn-, wo sie umgekommen waren. Diese Tafel wurde von Privatpersonen auf Anregung von diesem Herrn – dessen Name ich im Moment nicht mehr weiß – der zwei Meter groß ist[16], gestiftet. Er, seine Familie und einige Freunde von Ihnen stifteten diese schöne Gedenktafel aus Granit, eine schwarze Tafel mit den Namen. Und sie liegt an dieser Stelle, wo das Gebäude früher stand.“ [17]

Diese Tafel gelangte kurz vor dem Beitritt Polens in die EU nach Berlin. Sie wurde nicht von einer Spedition transportiert, da die Beauftragung einer solchen Firma aufgrund der bescheidenen finanziellen Mittel nicht möglich war. Und trotzdem wurde sie pünktlich zum 65. Jahrestag der tragischen Septembernacht an der neuen Gedenkstelle auf dem Parkfriedhof Marzahn enthüllt.

„Zwei Deutsche haben die Gedenktafel nach Berlin gebracht. Der eine mit polnischen Wurzeln und ich. [lacht] Aus privaten Mitteln und mit einem Privatauto. Wenigstens so viel konnte ich für meine Kinder aus Lodz tun“, sagte mir Klaus Leutner anlässlich eines Gesprächs über polnische Spuren auf dem Friedhof in Marzahn.[18]

Die Gräber der Polinnen[19] aus Lodz und die Gedenktafel, von der Leutner und Zajączkowski berichten, befinden sich im nordöstlichen Teil des Friedhofs (Grabfläche in der Abteilung 19). Dort fanden 1.400 Opfer der Zwangsarbeit aus ganz Europa sowie ihre Kinder ihre letzte Ruhestätte. Auch das Denkmal des Berliner Bildhauers Michael Klein aus dem Jahre 2004 ist ihrem Gedenken gewidmet.

 

LAST BUT NOT LEAST

Am Haupteingang des Parkfriedhofs Marzahn begrüßt uns neben der Kapelle ein Denkmal im Stil des sozialistischen Realismus. Und es wundert niemanden, dass es sich dabei um eine Hand handelt, die sich zu dem heuchlerischen Eid „Nie wieder Krieg“ erhebt. Zum Nachdenken regt jedoch die Inschrift an: „Euch lebende / mahnen / 3330 Opfer / des Bombenterrors“. Den Erschaffern dieses „Denkmals“ und den politischen, ostdeutschen Auftraggebern, die Hitlers Generäle angeblich nie unter ihre Fittiche genommen haben, erwidere ich darauf: Guernica1937, Wieluń1939, Warschau1939, Coventry1940, London September 1940 bis Mai 1941, Antwerpen 1944/1945...

 

Wojciech Drozdek, Juni 2021

 

[13] Interview mit Danuta Bartkowiak (siehe Fußnote 1).

[15] Vergleiche Fußnote 13.

[16] Es handelt sich dabei um Thomas Irmer von der „Berliner Geschichtswerkstatt“ in Berlin. Die Mitarbeiter dieser Institution haben Informationen über Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus ganz Europa gesammelt und mit ihnen Interviews geführt.

[17] Transkript des Interviews mit Zajączkowski, Bolesław, Interview za258, 20.06.2005, Interview-Archiv „Das Interview-Archiv ‚Zwangsarbeit 1939-1945‘“, Seite 27-28, https://archiv.zwangsarbeit-archiv.de/de/interviews/za258

[19] In alphabetischer Reihenfolge: Zofia CIURA (16 Jahre), Izabela DAMIŃSKA (17 Jahre), Irena DASZYŃSKA ( 17 Jahre), Stanisława GAWROŃSKA (19 Jahre), Alfreda IMIŃSKA (19 Jahre), Lucyna JURCZYK (17 Jahre), Maria MACIASZCZYK (16 Jahre), Janina MAŃKUT (18 Jahre), Jadwiga MATEJKA (17 Jahre), Anna MOSZYŃSKA (18 Jahre), Helena MUCHOWICZ (16 Jahre), Krystyna OCHĘCKA (18 Jahre), Krystyna PAJOR (18 Jahre), Irena RUTKOWSKA (16 Jahre), Stefania SIERADZKA (17 Jahre), Ryszarda ŚWIRYDOWSKA (17 Jahre), Kazimiera WALCZAK (19 Jahre), Aleksandra WIŚNIEWSKA (14 Jahre), Maria WYDRZYŃSKA (17 Jahre), Zofia ZIÓŁEK (18 Jahre).

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  • Parkfriedhof Marzahn, Abteilung 19: Gräber und eine Tafel zum Gedenken an den Tod von zwanzig Zwangsarbeiterinnen aus Lodz.

    Die Inschrift lautet: „Hier liegen zwanzig junge polnische Frauen, die am 4.9.1943 als Zwangsarbeiterinnen der A.E.G. bei einem Bombenangriff auf Berlin in der Grenzstraße 16 in Wedding ums Leben kame...
  • Tzw. "Berliner Gedenktafel / Berlińska Tablica Pamięci".

    Nad jednym z wejść do zakładów AEG (dziś: Gustav-Meyer-Allee 25).
  • Gedenktafel in der Grenzstraße 16

    Gedenktafel in der Grenzstraße 16, wo sich die Unterkünfte der jungen Frauen aus Lodz befanden. Blick auf den Friedhof und auf die nicht mehr vorhandene Versöhnungskirche.
  • Am 22. Januar 1985 sprengte die Volksarmee der DDR die Versöhnungskirche...

    ...um freies Schussfeld zu erhalten (Stand: Februar 1985).
  • Der Weg zur Arbeitsstätte in der Ackerstraße.

    Verkehrskreisel in der Gartenstraße (Stand: 2021).
  • Gebäude der AEG in der Ackerstraße

    Die auf die Brunnenstraße 100 folgende Arbeitsstätte der jungen Frauen aus Lodz...
  • Friedhofsabteilung 19 mit dem Denkmal zur Erinnerung an die in Berlin verstorbenen und ermordeten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter sowie ihre Kinder aus ganz Europa, das am 27. Januar 2004 enthüllt wurde (Michael Klein).

    Die Inschrift lautet: „Zur Erinnerung an die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter sowie ihre Kinder aus vielen Ländern Europas 1939 bis 1945“.
  • Rechts: Info-Tafeln auf dem Gelände des ehemaligen „Zwangsarbeiterlagers“.

  • Zur Erinnerung an die 20 Zwangsarbeiterinnen aus Lodz. Die Jüngste (Aleksandra Wiśniewska) war 14 Jahre alt.

    Zur Erinnerung an die 20 Zwangsarbeiterinnen aus Lodz. Die Jüngste (Aleksandra Wiśniewska) war 14 Jahre alt.