Gemeinschaftsgrab der KZ-Häftlinge des KZ Katzbach in den Adlerwerken
Das Gemeinschaftsgrab der 528 Häftlinge des KZ Katzbach in den Adlerwerken in Frankfurt am Main
Die Adlerwerke in Frankfurt am Main wurden 1944 durch Luftangriffe der Alliierten stark beschädigt. Um dem Arbeitskräftemangel in der Rüstungsproduktion entgegenzuwirken, rekrutierte der Betrieb anschließend Häftlinge aus Konzentrationslagern. Zu diesem Zweck wurden im dritten und vierten Stock des Werks im Frankfurter Stadtteil Gallus 1.000 Insassen kaserniert. Dieses Lager „Katzbach“ war verwaltungstechnisch dem KZ Natzweiler-Struthof im Elsass unterstellt. Das Kommando führte eine 25 Mann starke SS-Einheit, die SS-Hauptscharführer Erich Franz befehligte. Außerdem boten die Adlerwerke Unterstützungseinheiten auf, die überwiegend aus SA-Männern bestanden. Ansonsten wurden die Gefangenen von 300 zivilen Fabrikarbeitern beaufsichtigt.
Am 22. August 1944 kam in den Adlerwerken ein Baukommando von 200 Häftlingen aus dem KZ Buchenwald an, bei denen es sich, wie auch bei den 1.000 Gefangenen, die das KZ Dachau am 29. September 1944 zugewiesen hatte, meist um Polen handelte, die am Warschauer Aufstand teilgenommen hatten. Dabei betrieb das Lager Katzbach Vernichtung durch Arbeit, so dass bis zu 20 Menschen am Tag ihr Leben ließen. Diese Verluste wurden durch Neuankömmlinge ersetzt. Am 26. Januar 1945 wurden 167 Häftlinge, die ebenfalls meist am niedergeschlagenen Warschauer Aufstand teilgenommen hatten, hierhin verbracht, die bis dahin in dem zerstörten Lager von Daimler-Benz in Mannheim-Sandhofen ausgebeutet worden waren. Am 01. Februar 1945 trafen weitere 225 Häftlinge aus den Konzentrationslagern Auschwitz-Jawischowitz und Buchenwald in Frankfurt ein. Nach diesem Datum gehörten die Gefangenen des Lagers Katzbach acht verschiedenen Nationalitäten an. In Anbetracht der heranrückenden Front der Alliierten wurde die Produktion der Adlerwerke dann am 23. März 1945 eingestellt. Einen Tag später traten rund 360 Häftlinge den später als Todesmarsch bezeichneten Evakuationsmarsch an. Die erste Etappe endete im KZ Buchenwald. Von dort aus ging es weiter ins KZ Dachau. Von den 1.600 Häftlingen haben nur etwa 50 das Kriegsende überlebt. .
Die Sterblichkeit im KZ Katzbach
In dem Gemeinschaftsgrab auf dem Hauptfriedhof Frankfurt am Main haben 528 Häftlinge ihre letzte Ruhe gefunden, die in den Adlerwerken bzw. in der Nähe des Werks gestorben sind. Fast alle waren Polen, wobei mindestens 11 mutmaßlich aus Russland und aus der Ukraine stammten. Das Lager hatte zwar eine eigene Krankenstube, die jedoch nur über 20 Pritschen verfügte, so dass die kranken und geschwächten Insassen selektiert wurden. 245 Häftlinge kamen in das Krankenlager in Vaihingen und wurden de facto in den Tod deportiert.
Der Luftangriff am 06. Januar 1945 kostete 62 Häftlinge im Lager Katzbach das Leben. Sie waren in einem erbärmlichen Keller eingesperrt, der von einer Bombe getroffen wurde.[1] Die letzte große Selektion fand kurz vor dem Evakuierungsmarsch statt. Damals wurden 500 marschunfähige Häftlinge in Eisenbahnwaggons in das KZ Bergen-Belsen transportiert, von denen nur acht die Fahrt überlebten. Weitere Häftlinge, etwa 300 an der Zahl, starben auf dem Todesmarsch oder in der Quarantäne, unter die sie in den Ziellagern gestellt wurden.
Die häufigsten Todesursachen im Lager Katzbach, die dem Friedhofsbuch zu entnehmen sind, lauteten auf Tuberkulose, Herzmuskelschaden oder Blutvergiftung, während diejenigen, die das Lager überlebten, von Unterernährung und Unterkühlung wegen fehlender warmer Kleidung sprechen. Nach dem Krieg berichteten die Häftlinge auch von brutalen Misshandlungen durch die SS und die Kapo, die nicht selten ebenfalls zum Tod geführt haben. Aus den Akten sind acht Fälle von Erschießungen und Erhängungen bekannt, wobei die Autoren Kaiser und Knorn[2] nicht ausschließen, dass solche Tötungen viel häufiger waren. Die öffentlichen Exekutionen, Prügelstrafen und Arreststrafen im Bunker dienten der Einschüchterung der Gefangenen. So wurden die Häftlinge Wincenty Bocheński und Władysław Sumara am 24. Januar 1945 wegen angeblicher Sabotage erhängt. Dasselbe Schicksal ereilte am 14. März 1945 den Ukrainer Georgij Lebedenko und den Russen Adam Golub. Beide waren aus dem Lager geflohen, wurden aber kurz darauf von den Anwohnern aus der Nachbarschaft der Adlerwerke verraten.[3] Das KZ Katzbach hatte die höchste Sterblichkeitsrate aller 28 Konzentrationslager und KZ-Außenlager in Hessen.
[1] Ernst Kaiser, Michael Knorn, „Wir lebten und schliefen zwischen den Toten“. Rüstungsproduktion, Zwangsarbeit und Vernichtung in den Frankfurter Adlerwerken, Frankfurt, New York 1998 (3. erweiterte u. aktualisierte Aufl.), S. 221.
[2] Ernst Kaiser, Michael Knorn, Obóz w sercu miasta, [in:] Katzbach – obóz widmo. Powstańcy warszawscy w Zakładach Adlera we Frankfurcie nad Menem 1944-45, Karta, Warszawa 2016, S. 4 sowie: Ernst Kaiser, Michael Knorn, „Wir lebten und schliefen zwischen den Toten“. Rüstungsproduktion, Zwangsarbeit und Vernichtung in den Frankfurter Adlerwerken, Frankfurt/New York 1998 (3. erweiterte u. aktualisierte Aufl.), S. 213.
[3] Ebenda, S. 219.
Die Gestalt der Grabstätte
Mit dem zunehmendem Wissen über die im KZ Katzbach begangenen Verbrechen und mit dem zunehmenden Bedürfnis, seiner Opfer zu gedenken, hat sich das Gemeinschaftsgrab der 528 Lagerinsassen im Laufe der Jahre verändert. Anfangs wurde die Grabstätte von Polen gepflegt, die nach dem Krieg in Deutschland geblieben waren. Seit den 1970er Jahren nahmen dann immer mehr Frankfurter Bürgerinnen und Bürger an der Bewahrung der Erinnerung teil, bis die Pflege der Anlage Mitte der 1990er Jahre von der lokalen NGO Leben und Arbeiten in Gallus und Griesheim e.V. (LAAG) übernommen wurde. Die Gedenkstätte wurden um neue Elemente erweitert, so dass an ihrem Beispiel die jahrzehntelange Bemühung um die Opfer nachvollzogen werden kann – eine wahre Archäologie des Erinnerns.
1948 wurden die sterblichen Überreste der Häftlinge des KZ Katzbach in die jetzige Grabstätte auf dem Hauptfriedhof umgebettet.[4] Die Polnische Katholische Mission errichtete dort ein Steinkreuz mit einem Relief des gekreuzigten Christus, das im Sockel die Inschrift „Ofiarom niemieckich obozów koncentracyjnych 1948 – Rodacy“ (Den Opfern der deutschen Konzentrationslagern 1948 – Die Landsleute) trägt. Auf einen direkten Hinweis auf den Ort der Gefangenschaft der Toten, das Lager Katzbach in den Adlewerken, wurde dabei verzichtet. Auf dem Plan des Friedhofs wurde dieses Massengrab als „polnische Kriegsgräber“ ausgewiesen. Die gemeinnützige Arbeit an der frisch angelegten Grabstätte haben seinerzeit fünf Polen verrichtet, die dafür von der Berufsschule für Baugewerbe in Frankfurt für einige Tage freigestellt worden waren. 1972 ließ das hessische Innenministerium die Ruhestätte mit Steinplatten einfassen, auf denen alle Vor- und Nachname der 528 Opfern des KZ Katzbach eingraviert wurden. Die meisten Namen sind polnischer Herkunft. Seither sind die Opfer nicht mehr anonym. Die Angabe des Ortes, an dem sie gestorben sind, fehlte allerdings immer noch. Die Steinplatten wurden so verlegt, dass sie das Grabquartier rechteckig begrenzen. 1974 wurden umfangreiche Grünarbeiten ausgeführt.
1986 kam noch eine Gedenktafel vor dem Steinkreuz mit polnisch-deutscher Inschrift hinzu, die von der Frankfurter Sektion des Bundes der Polen Zgoda e. V. gestiftet worden war. Die universelle Inschrift lautet: „Ofiarom niemieckich obozów koncentracyjnych. Den Opfern des Faschismus“, wobei sich diese deutsche Übersetzung wesentlich von der Inschrift des Jahres 1948 unterschied. Der ausdrückliche Hinweis auf das Lager fehlte weiterhin. Nachdem die umfangreiche Monographie von Ernst Kaiser und Michael Knorn unter dem Titel „‚Wir lebten und schliefen zwischen den Toten‘. Rüstungsproduktion, Zwangsarbeit und Vernichtung in den Frankfurter Adlerwerken“ 1994 erschienen war, die auf jahrelanger wissenschaftlicher Forschungsarbeit beruhte, übernahm der Verein Leben und Arbeiten in Gallus und Griesheim e. V. (LAGG) 1995 die Pflege der Grabstätte. Die beiden unabhängigen Frankfurter Historiker hatten ihre Quellen gründlich studiert und ausgewertet, wodurch sie die Erinnerung an das KZ Katzbach wiederbelebten, indem sie auf das Gemeinschaftsgrab der 528 Häftlinge hinwiesen.
Auf Initiative des Vereins LAGG wurde die Grabanlage im Jahr 1997 neu benannt. Sie heißt nun „Grabstätte der Opfer des KZ-Außenlagers Katzbach/Adlerwerke“. Außerdem hat der Verein einen Gedenkstein gestiftet. Der Wettbewerb für den Entwurf wurde 1996 mit der Initiative gegen das Vergessen ausgeschrieben. Den Zuschlag erhielt der Frankfurter Künstler Dirk Wilhelm Bührmann, dessen Entwurf im griechischen Humanismus und in jüdischen Traditionen wurzelt, in dem er eine Symbolik wählte, die an die Lagersklaverei gemahnte. Die Einweihung dieses Gedenksteins fand 1997 in Anwesenheit aus Warschau angereister ehemaliger Häftlinge des KZ Katzbach statt.
[4] Siehe: https://kz-adlerwerke.de/de/orte/grab/einleitung.html (letzter Zugriff: 22.05.2018).
Bührmanns Gedenkstein hat die Gestalt eines Sarkophags mit leicht geneigten Deckelflächen, einer in der griechischen und römischen Antike typischen Grabmalform, die vorrangig wohlhabenden, verdienten Bürgern vorbehalten war. Diese Formgebung verleiht den Opfern ihre Würde symbolisch zurück, die ihnen im Lager genommen worden war. Der Sarkophag wurde absichtlich ein Stückweit in der Erde versenkt. Für Betrachter soll der Eindruck entstehen, eine unbekannte Kraft drücke ihn aus dem Boden heraus. Dieses Moment wiederum stehe für das Auftauchen aus der Vergessenheit und für die Weitergabe der Erinnerung an die Verbrechen im KZ Katzbach an nachfolgende Generationen. Die Proportionen des Sarkophags beziehen sich auf einen traditionellen jüdischen Sarg. Am Kopf- und Fußende finden sich symmetrisch angeordnete kreisförmige Reliefs. Auf der einen Seite ein Brotlaib – etwas, was sich die Häftlinge in ihrer monatelangen Lagerhölle am meisten wünschten. Auf der anderen Seite ein Schmetterling – ein Symbol für die in den Himmel aufsteigenden Seelen der Verstorbenen. Auf den beiden leicht geneigten Deckelflächen wurden auf Deutsch und Polnisch diese Inschriften eingraviert:
Zum Gedenken
Hier ruhen 528 Menschen
Sie starben zwischen August 1944 und März 1945
in den Adler-Werken, in Frankfurt am Main.
Sie wurden durch Arbeit, Zwangsarbeit,
vernichtet. Sie verhungerten, starben an Entkräftung,
An unbehandelten Krankheiten, wurden zu Tode geprügelt.
Sie starben mitten in Frankfurt.
Die Adlerwerke waren eine Außenstelle des
Konzentrationslagers Natzweiler.
Der Schoß ist fruchtbar noch aus dem das kroch.
Bert Brecht
Miejsce spoczynku 528 ofiar wojny,
zmarłych w okresie od sierpnia 1944 r. do marca 1945 r.
w Zakladach Adlera we Frankfurcie nad Menem.
Wyniszczyła je praca, roboty przymusowe.
Zmarły z głodu, wycieńczenia, w wyniku nie leczonych chorób,
zachłostano je na śmierć.
Zginęły w centrum Frankfurtu.
Zakłady Adlera były filią
obozu koncentracyjnego w Natzweiler.
Hołd ich pamięci.
Łono jest jeszcze płodne, z którego wypełzło
Bert Brecht
Joanna de Vincenz, Juli 2018
Zuletzt hat die Stadt Frankfurt neben dem Sarkophag eine Informationstafel aufgestellt, auf der ein Piktogramm abgebildet ist und diese beiden Internetseiten angegeben sind:
Gedenkorte-Frankfurt-Main.de
Frankfurt1933-1945.de
Beide Internetauftritte wurden unter Federführung des Instituts für Stadtgeschichte realisiert und werden unter wissenschaftlicher Aufsicht fortwährend bearbeitet und ergänzt.
Literatur:
De Vincenz, Joanna, Powstaje miejsce pamięci o byłym niemieckim obozie Katzbach, Beitrag der Deutschen Welle vom 13.05.2018, online: http://www.dw.com/pl/powstaje-miejsce-pami%C4%99ci-o-by%C5%82ym-niemieckim-obozie-katzbach/a-43747010
Ernst Kaiser, Michael Knorn, „Wir lebten und schliefen zwischen den Toten“. Rüstungsproduktion, Zwangsarbeit und Vernichtung in den Frankfurter Adlerwerken, Frankfurt/New York 1998 (3. erweiterte u. aktualisierte Aufl.)
Katzbach – obóz widmo. Powstańcy warszawscy w Zakładach Adlera we Frankfurcie nad Menem 1944-45, Ośrodek KARTA, Warszawa 2016
Joanna Skibińska, Die letzten Zeugen. Gespräche mit Überlebenden des KZ-Außenlagers „Katzbach“ in den Adlerwerken Frankfurt am Main, Hanau 2005
Internetseiten:
https://kz-adlerwerke.de, unter anderem mit einem Namens-Verzeichnis der Opfer, die in dem Gemeinschaftsgrab ihre letze Ruhe fanden. Der Internetauftritt wird von der Initiative gegen das Vergessen und von dem Verein Leben und Arbeiten im Gallus und Griesheim (LAGG) betrieben. (letzter Aufruf: 22.05.2018).
http://www.gedenkorte-frankfurt-main.de/
Zwei Balkone, Dokumentarfilm von Andrzej Falber, 2004, 45 Minuten, online: https://www.youtube.com/watch?v=wp5PFETKrrU