Zwangsarbeit im KZ-Außenlager Kochem-Bruttig-Treis an der Mosel

Gedenkstein für die Opfer des Außenlagers Kochem-Bruttig-Treis auf dem Friedhof von Treis-Karden, 11. Oktober 2021
Gedenkstein für die Opfer des Außenlagers Kochem-Bruttig-Treis auf dem Friedhof von Treis-Karden

Die Bedingungen im KZ-Außenlager Kochem-Bruttig-Treis waren extrem schlecht. Dennoch ließen sich bisher nur 73 Todesfälle namentlich identifizieren, wie auch insgesamt das Schicksal der einzelnen Häftlinge nur schwierig nachzuvollziehen ist. Die Toten wurden z. T. vor Ort in Mehrpersonengräbern verscharrt, z. T. ins Krematorium nach Mainz verbracht und anschließend in Mainz-Mombach auf dem Waldfriedhof bestattet.[13]

Die Arbeit im Tunnel war körperlich außerordentlich kräftezehrend, ebenso wie der Weg dorthin, und außerdem gefährlich – dies alles bei völlig unzureichender Ernährung. Sie bestand pro Tag aus einer Portion mit einer Art schwarzem Saft, einer Portion Rübensuppe, 300 bis 500 g Brot und einem Löffel Marmelade oder Quark. Ständige Mangelversorgung und Hunger hatten ein sehr großes Ausmaß. Die hygienischen Verhältnisse waren miserabel. Eine ärztliche Versorgung war so gut wie nicht vorhanden.[14] Diese Kombination sorgte unter anderem für eine Typhusepidemie im Frühjahr 1944. Die ersten Nacht-und-Nebel-Häftlinge, die wieder zurück nach Natzweiler geschickt wurden, waren trotz ihres kurzen Aufenthalts an der Mosel, in einem derartig schlechten Zustand, dass ein anderer Häftling aus Natzweiler, der ihre Rückkehr beobachtete, später entsetzt von dieser für ihn beispiellosen Szene berichtete.[15]

Das durch die SS als Todesursachen natürliche Gründe eingetragen wurden, wie bei den in Bruttig bestatteten Männern, und Gründe wie Misshandlungen verschwiegen wurden, war die normale Verfahrensweise in Konzentrationslagern und Außenlagern. Die beschriebenen Lebensumstände machen deutlich, dass auch diese Todesursachen zum ganz überwiegenden Teil durch Entkräftung, Hunger, Misshandlung und vorenthaltene medizinische Behandlung begründet waren. Im Außenlager Kochem-Bruttig-Treis wurden auch Hinrichtungen vorgenommen. 

So wurden am 20. Juni 1944 in Bruttig und Treis 13 Häftlinge wegen „Fluchtversuchen“ und „Diebstahl“ hingerichtet:[16]

Alexej Gorilow, Häftlingsnr. 10179, geb. 1903, Russe (Treis)
Nikolaj Nocaijew, Häftlingsnr. 10224, geb. 1920 [Nationalität: k. A.] (Treis)
Wilian Costasza, Häftlingsnr. 10313, geb. 1904, Pole (Bruttig)[17]
Slawonir[18] Kwiadkowski, Häftlingsnr. 10438, geb. 1918, Pole (Bruttig)
Theodor Wasilula, Häftlingsnr. 10630, geb. 1908 [Nationalität: k. A.] (Treis)
Wachlaw Tarzycki[19], Häftlingsnr. 10658, geb. 1920 [Nationalität: k. A.]  (Treis)
Stefan Bandel, Häftlingsnr.10682, geb. 1910, Russe (Bruttig)
Antoni Genezako, Häftlingsnr. 10724, geb. 1914, Russe (Bruttig)
Wadim Krutalewicz, Häftlingsnr. 10770 1924, Russe (Bruttig)
Stephan Mitjaschenko, Häftlingsnr. 10810, geb. 1918 [Nationalität: k. A.][20] (Bruttig)
Iwan Tschurikow, Häftlingsnr. 10909, geb. 1918, Russe (Treis)
Nikolaj Weselew, Häftlingsnr. 10916, geb. 1910, Russe (Bruttig)
Gregor Iwanow, Häftlingsr. 10947, geb. 1921, Russe (Treis)

Tatsächlich hatte es im April einen Fluchtversuch von 21 Häftlingen aus der provisorischen Unterkunft in Bruttig gegeben, von denen in der folgenden Zeit alle wieder gefasst wurden, und auch weitere von vorherigen Fluchten. Der zu diesem Zeitpunkt 40-jährige Wiliam Costasza und der 26-jährige Sławomir Kwiatkowski etwa waren am 18. April als flüchtig gemeldet worden (geflohen waren sie wohl bereits drei Tage zuvor), am 19. April waren sie bereits wieder eingefangen worden. Die Historikerin Ksenia Stähle-Müller, die sich mit der Geschichte des Lagers befasst hat, hat rekonstruiert, dass ein Teil von ihnen wieder nach Natzweiler gebracht wurde und 13 zur Staatspolizeistelle nach Koblenz. Hier seien, „höchstwahrscheinlich unter massiver Gewaltanwendung“ auf die Gefangenen, die Einbruchsdiebstähle ermittelt worden, mit denen sich die Flüchtigen etwas zum Essen und zum Anziehen besorgt hatten. „Angesichts der zeitlichen Unterschiede bei Flucht und Verhaftung der 13 Häftlinge kann die folgende Massenhinrichtung vor allem als Abschreckungsmaßnahme interpretiert werden“, so Stähle-Müller.[21]

 

[13] Hetzel: Konzept für die Gedenkarbeit.

[14] Stähle-Müller: Blätter zum Land.

[15] Stähle-Müller: Blätter zum Land.

[16] Stähle-Müller: Das Außenlager Kochem-Bruttig-Treis, S. 138–141 hat anhand verschiedener Archivmaterialien genau die Fluchtversuche, die weiteren vorgeworfenen Delikte und die Rahmendaten der Hinrichtung, die eindeutig belegt sind, erforscht. Anhand unterschiedlicher, teils widersprüchlicher, Zeugenaussagen und weiterer Dokumente hat sie den historisch wahrscheinlichen Ablauf der Hinrichtung rekonstruiert.

[17] Auch: Wiliam. Wiliam Costasza wurde am 6.1.1904 in Solotwina im Kreis Bereschany in Galizien geboren. Als sein Beruf war „Fleischer“ vermerkt. Zuletzt hatte er mit seiner Frau Maria in Rohatyn, ebenfalls im Kreis Bereschany, gelebt. Sterbeurkunde vom 21.6.1946, in: 01012902 oS / Dok. 3158616 ITS Digital Archive, Arolsen Archives.

[18] Der Vorname ist in dieser Schreibweise überliefert; wahrscheinlich ursprünglich: Sławomir.

[19] Die häufigste überlieferte Namensvariante in nach dem Krieg für die Alliierten erstellten Listen ist Wacklaw Tarzgebi, aber es lässt sich nicht ermitteln, auf welchen originalen Angaben die einzelnen Dokumente beruhen.

[20] In der entsprechenden Liste ist der Eintrag von Mitjaschenko mit einem „R“ für „Russe“ versehen.

[21] Stähle-Müller: Blätter zum Land, S. 13.

Mediathek
  • Friedhof von Bruttig mit Gedenkstein für die Opfer des Außenlagers Kochem-Bruttig-Treis

    Im Hintergrund Weinberge
  • Anlage mit Einzelgräbern für einige Opfer des Außenlagers Kochem-Bruttig-Treis in der Nähe des Gedenksteins

    Auf dem Friedhof von Bruttig
  • Gedenkstein für die Opfer des Außenlagers Kochem-Bruttig-Treis

    Auf dem Friedhof von Bruttig mit Inschriften
  • Grabkreuz für Louis Christian Vervooren

    Friedhof von Bruttig
  • Grabkreuz für Hendrikus Rempe

    Friedhof von Bruttig
  • Grabkreuz für Josef Dunal

    Friedhof von Bruttig
  • Grabkreuz für Ignatz Chrzuszoz

    Friedhof von Bruttig
  • Grabkreuz für Jan Królak

    Friedhof von Bruttig
  • Grabkreuz für Adolf Czech

    Friedhof von Bruttig
  • Grabkreuz für Josef Aniolczyk

    Friedhof von Bruttig
  • Liste von siebzehn Toten aus dem Außenlagers Kochem-Bruttig-Treis, die aus dem Lager in Bruttig auf dem Friedhof begraben wurden

    Aufstellung von 1947
  • Liste von fünf Polen, die in namentlich gekennzeichneten Grabstätten aus dem Friedhof von Bruttig beerdigt sind

    Aufstellung von 1947
  • Große Baracke in Bruttig-Fankel, die bis heute erhalten ist

    Davor befand sich der Appellplatz für den Bruttiger Teil des Lagers
  • Große Baracke

    In Bruttig-Fankel
  • Große Baracke

    In Bruttig-Fankel
  • Ehemalige Baracke in Bruttig-Fankel

    Zum Wohnhaus umfunktioniert
  • Ehemalige Baracke in Bruttig-Fankel

    Zur Poststelle umfunktioniert
  • Bahndamm in Bruttig

    Über den die Häftlinge zum Tunnel marschieren mussten
  • Bahndamm in Bruttig

    Über den die Häftlinge zum Tunnel marschieren mussten, mit Informationstafel, die diese Geschichte verschweigt