Zwangsarbeit im KZ-Außenlager Kochem-Bruttig-Treis an der Mosel

Gedenkstein für die Opfer des Außenlagers Kochem-Bruttig-Treis auf dem Friedhof von Treis-Karden, 11. Oktober 2021
Gedenkstein für die Opfer des Außenlagers Kochem-Bruttig-Treis auf dem Friedhof von Treis-Karden

Spurensuche auf den Friedhöfen von Bruttig-Fankel und Treis-Karden an der Mosel
 

Auf dem Friedhof des kleinen Ortes Bruttig-Fankel[1] an der Mosel stehen sieben steinerne Grabkreuze mit Todesdaten aus den Monaten März bis Juli 1944. Ganz in der Nähe: Ein Gedenkstein, eine skulptural gestaltete Stele, dunkelgrau. Im oberen, durch eine waagerechte Kante abgesetzten, Teil sind eingeklemmte Hände zu erkennen, die aus einer Art Spalte herausragen. Unten ist eine Beschriftung eingemeißelt:

„Die Opfer des A. L.
Treis-Bruttig
1944–45
Mahnen zum Frieden
Mir[2]
Paix
Peace
Shalom
[Zeichen: Kreuz und Davidstern]“

Auf der Seite steht:

„Die Würde
des Menschen
ist
unantastbar
G. G. Art. 1“

In sieben Kilometer Entfernung liegt der Friedhof des Örtchens Treis-Karden, ebenfalls an der in einer Schleife verlaufenden Mosel gelegen. Auch hier befindet sich ein Gedenkstein, wie ein großer Findling anmutend, der an einer Seite glattgesägt ist. Die Inschrift lautet:

„Zum Gedenken an
die Opfer des
KZ-Aussenlagers
Treis-Bruttig
1944“

Was befand sich hier, und warum wird an zwei unterschiedlichen Orten erinnert? Ein Arbeitslager („A. L.“), ein KZ-Außenlager? Schon diese wenigen steinernen Spuren weisen auf einige spezifische Merkmale in der Geschichte des Ortes hin, auf den sie sich beziehen: Ein Lager, auf mehrere Standorte verteilt – der Raum zwischen den Orten entlang der sieben Kilometer, der konstituierend für das Lager war – die Bemühungen um Erinnerung und die Schwierigkeit, dabei die richtigen Worte der Beschreibung zu finden.

Für wen die Kreuze errichtet wurde, lässt sich in Bruttig ablesen, aber wer waren die weiteren Opfer? Die Kreuze tragen Namen und Lebensdaten: Louis Christian Vervooren (9.10.95 – 31.3.44), Hendrikus Rempe (21.2.03 – 26.3.44), Josef Dunal (5.1.96 – 1.8.44), Ignatz Chrzuszoz (14.1.09 – 31.7.44), Jan Królak (24.4.04 – 30.7.44), Adolf Czech (1.1.10 – 26.7.44) und Josef Aniolczyk[3] (2.5.94 – 30.7.44).

Auch hier verbergen sich, aus der Rückschau, noch mehr Anzeichen für die Geschichte des Lagers. Die Reihe der hier erinnerten Toten beginnt mit westeuropäisch klingenden Namen, bevor später west- und ostslawisch anmutende Namen folgen. Nach dem Krieg erstellte der Amtsbürgermeister auf Aufforderung alliierter Behörden eine Liste der Gräber. Adolf Czech, Josef Aniolczyk, Ignatz Chrzuszoz und Josef Dunal werden als Polen aufgelistet, Louis Christian Vervooren und Hendrikus Rempe als Holländer.[4] Auch Jan Królak war Pole, über ihn lässt sich zusätzlich in Erfahrung bringen, dass er in Wola Polska[5] geboren wurde; als Todesursache wurde „Pneumonie“ angegeben. Auch für die meisten der anderen hier Bestatteten wurden verschiedene natürliche Todesursachen in Listen eingetragen. In allen Konzentrations- und Vernichtungslagern wurden diese Todesursachen in den meisten Fällen von Täter:innen eingetragen, unabhängig davon, wie die Menschen tatsächlich gestorben waren.[6] Diese oftmals verharmlosenden Angaben wurden später, auch wegen Ermangelung weiterer Informationen über die tatsächlichen Umstände, in andere Listen übernommen.

Die heutige Grabanlage wurde 1946 durch die französischen Besatzungsbehörden vorgenommen, wobei die Identität der zuvor durch die SS verscharrten Toten bei der Umbettung nur, auf erhaltenen Unterlagen basierend, als wahrscheinlich angenommen werden konnte.[7] Es werden noch weitere Tote aufgezählt, die in Bruttig auf dem Friedhof liegen, aber es lassen sich keine namentlichen Gräber mehr zuordnen.

 

[1] Im Folgenden: Bruttig

[2] Im Original in kyrillischer Schrift.

[3] Die Inschrift lautet „Anoilczyk“, aber in verschiedenen Dokumenten heißt es, wesentlich wahrscheinlicher, Aniolczyk.

[4] S. die vom Amtsbürgermeister des Amtes Cochem-Land am 5. Oktober 1946 erstellte Liste. In einem Fall wurde hier allerdings als Grund eine „Vergiftungserscheinung“ übernommen. DE ITS 2.1.3.1 RP 011 3 DIV ZM/Dok. 70808716/ ITS Digital Archive, Arolsen Archives.

[5] Es gibt in Masowien zwei Gemeinden dieses Namens.

[6] Vgl. zu den quellenkritischen Besonderheiten die Einführung der Arolsen Archives zu KZ-Dokumenten: https://eguide.arolsen-archives.org/zusatzmaterialien/hintergrundinformationen-zu-kz-dokumenten/ (25.1.2022).

[7] Amtsbürgermeister des Amtes Cochem-Land: Liste, 5. Oktober 1946.

Mediathek
  • Friedhof von Bruttig mit Gedenkstein für die Opfer des Außenlagers Kochem-Bruttig-Treis

    Im Hintergrund Weinberge
  • Anlage mit Einzelgräbern für einige Opfer des Außenlagers Kochem-Bruttig-Treis in der Nähe des Gedenksteins

    Auf dem Friedhof von Bruttig
  • Gedenkstein für die Opfer des Außenlagers Kochem-Bruttig-Treis

    Auf dem Friedhof von Bruttig mit Inschriften
  • Grabkreuz für Louis Christian Vervooren

    Friedhof von Bruttig
  • Grabkreuz für Hendrikus Rempe

    Friedhof von Bruttig
  • Grabkreuz für Josef Dunal

    Friedhof von Bruttig
  • Grabkreuz für Ignatz Chrzuszoz

    Friedhof von Bruttig
  • Grabkreuz für Jan Królak

    Friedhof von Bruttig
  • Grabkreuz für Adolf Czech

    Friedhof von Bruttig
  • Grabkreuz für Josef Aniolczyk

    Friedhof von Bruttig
  • Liste von siebzehn Toten aus dem Außenlagers Kochem-Bruttig-Treis, die aus dem Lager in Bruttig auf dem Friedhof begraben wurden

    Aufstellung von 1947
  • Liste von fünf Polen, die in namentlich gekennzeichneten Grabstätten aus dem Friedhof von Bruttig beerdigt sind

    Aufstellung von 1947
  • Große Baracke in Bruttig-Fankel, die bis heute erhalten ist

    Davor befand sich der Appellplatz für den Bruttiger Teil des Lagers
  • Große Baracke

    In Bruttig-Fankel
  • Große Baracke

    In Bruttig-Fankel
  • Ehemalige Baracke in Bruttig-Fankel

    Zum Wohnhaus umfunktioniert
  • Ehemalige Baracke in Bruttig-Fankel

    Zur Poststelle umfunktioniert
  • Bahndamm in Bruttig

    Über den die Häftlinge zum Tunnel marschieren mussten
  • Bahndamm in Bruttig

    Über den die Häftlinge zum Tunnel marschieren mussten, mit Informationstafel, die diese Geschichte verschweigt