Verband Polnischer Flüchtlinge in Deutschland (ZPU)
Gründung und Ziele der Organisation
1949 ging vom Forum des Zjednoczenie Polskiego Uchodźstwa Wojennego (ZPUW), dem Verband Polnischer Kriegsflüchtlinge in Paris, die Initiative aus, in der Bundesrepublik Deutschland aus den Trümmern des vorherigen Verbands eine neue zentrale Organisation zu schaffen, die zwischen den polnischen Funktionären und den Vertretungen politischer Parteien, etwa der Stronnictwo Narodowe (Nationale Partei), der Stronnictwo Pracy (Partei der Arbeit), der PPS (Polnische Sozialistische Partei), der Stronnictwo Ludowe „Wolność” (Volkspartei „Freiheit“) sowie den Anhängern Piłsudskis aus dem ehemaligen ONR (Nationalradikales Lager) und den Kombattanten vermitteln sollte. Vor allem aber sollte die neue Organisation nicht mehr auf einer institutionellen, sondern auf persönlicher Mitgliedschaft beruhen. Um diese Idee umzusetzen, berief der Exekutivausschuss des ZPUW eine Organisationskommission für den ZPU (Verband Polnischer Flüchtlinge in Deutschland) ein, deren vorrangige Aufgabe darin bestand, die Zuständigkeiten der neuen Organisation zu regeln, ihre territoriale Gliederung festzulegen und Vorstandswahlen herbeizuführen. Diese Initiative war basisdemokratisch motiviert. Der Kommission gehörten folgende Personen an: Edmund Hemmerling, Władysław Jaroszewski, Magister Jerzy Knothe, Stanisław Mikiciuk, Dipl.-Ing. Jerzy Skiba, Dr. Bolesław Janusz Zawalicz-Mowiński, Dr. Tadeusz Zgaiński und Dr. Stefan Zimmer. Sie verständigte sich auf Ortsgruppen als unterste Ebene der neuen Organisationstruktur. Die territoriale Gliederung sollte auf vier Bezirken beruhen: einem südöstlichen für Bayern mit Sitz in München, einem südwestlichen für Württemberg, Baden, Rheinland-Pfalz und Groß-Hessen mit Sitz in Herrenalb, einem nordöstlichen mit Sitz in Hannover und einem nordwestlichen mit Sitz in Essen. Die Kommission lud alle bestehenden Organisationen und ihre Mitglieder zum Beitritt zu diesem neuen Verband ein. Initiationstreffen für die neue Organisation fanden in München, Hannover, Karlsruhe und Essen statt.
Der Sommer 1951 war für die polnischen Flüchtlinge, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik Deutschland aufhielten, eine Zeit voller Hoffnung. Dies lag unter anderem am Beitritt der Bundesrepublik zur Genfer Flüchtlingskonvention, die den Begriff des Flüchtlings, ihre Rechte und Pflichten, ihre rechtliche Stellung (darunter die Vereinsfreiheit), ihre Lebensumstände, ihre Verdienstmöglichkeiten und die soziale Fürsorge für Flüchtlinge definierte sowie die Arten der Dokumente und die Regularien für ihre Reisefreiheit innerhalb Europas festgelegt hat. Hoffnungen weckte aber auch die Schaffung einer zentralen Organisation, die ebenfalls zur Verbesserung der rechtlichen Stellung und des täglichen Lebens einer großen Zahl von Polen beitragen sollte.
Daraufhin berief die Organisationskommission Vollversammlungen der Delegierten aus allen vier Bezirken auf dem Gebiet der Bundesrepublik ein. Sie fanden Anfang Juli 1951 statt und dienten in erster Linie der Wahl von Vertretern der Bezirke in den Rat des ZPU. Nach vielen weiteren Vorkehrungen der Kommission wurde schließlich vom 28. bis zum 30. Juli 1951 in Höxter eine Tagung der Bezirksvertreter einberufen. Dies war die erste Zusammenkunft des Verbandsrates, anlässlich derer auch sein erster Vorstand gewählt wurde. Dabei handelte es sich zugleich um die letzte Sitzung der ZPU-Organisationskommission, die noch von der Pariser Organisation einberufenen worden war. Bei ihrer Gründung wurden der neuen Organisation insgesamt 117 Ortsgruppen aus vier Bezirken in ganz Westdeutschland unterstellt. Die Zahl der Mitglieder betrug in den ersten Monaten rund sechs Tausend und stieg bis Mai 1953 auf 6.649, während sie dann in den folgenden Jahren stetig sank. Erster Vorsitzender der neuen Organisation wurde Major Dr. Bolesław Zawalicz-Mowiński. Zu seinen Stellvertretern wurden Stanisław Mikiciuk, Edmund Hemmerling sowie Kazimierz Odrobny gewählt. Witold Szwabowicz wurde erster Sekretär des Verbands.
Das wichtigste Merkmal des neuen Verbands bestand darin, für die Unabhängigkeit einzustehen, was sich von seiner Gründung bis zu seiner Auflösung darin zeigte, dass der Vorstand die Autorität der polnischen Exilregierung in London anerkannte. Dies beweist das Schreiben der Mitglieder des Verbandsrates an August Zaleski, den Exil-Präsidenten der Republik Polen in London, das die Arbeit der Organisation im Dienst der Unabhängigkeit und die Verbundenheit mit der legalen Exil-Regierung unterstreicht. Dem entsprechend wurden alle Verbindungen von Verbandsaktivisten zur Regierung in Warschau als feindlich und als im Widerspruch zur Tätigkeit der Organisation befindlich eingestuft. Zu den wichtigsten Aussagen der Satzung des Verbands gehörten die Ziele der Organisation:
„§2 a) Der Verband hat das Ziel, die in der Bundesrepublik Deutschland wohnenden Polen zu organisieren und zu vertreten sowie sie moralisch und materiell zu unterstützen, §2 b) dabei drückt sich die Tätigkeit des Verbands insbesondere darin aus, für seine Mitglieder Rechtsberatung, Hilfen zur Selbsthilfe und Beratung zur Aufnahme von Arbeit zu organisieren sowie ihre religiösen, nationalen und kulturellen Bedürfnisse zu pflegen, §2 c) der Verband wacht über die auf dem [deutschen] Gebiet existierenden polnischen Organisationen und arbeitet mit den Gewerkschaften zusammen”.[1]
Der ZPU war in der Zeit seines Bestehens an Aktionen beteiligt, die sich gegen die Volksrepublik Polen wandten, unter anderem durch Hilfen für hungernde Polen, mit denen die Vorfälle 1956 in Poznań (Posen) verurteilt wurden, sowie später an Protesten gegen die UdSSR. Die Teilnehmer der ersten Sitzung des Rates des ZPU bestimmten Höxter als Sitz der Organisation. Nach der Wahl von Kazimierz Odrobny zum Vorsitzenden des Verbands wurde dessen Sitz dann 1954 nach Velbert verlegt.
Als höchstes Organ des ZPU sah die Satzung den Hauptrat (Rada Główna) vor. Dieses Gremium wurde später in Verbandsrat (Rada Stowarzyszenia) umbenannt. Außerdem enthielt die Satzung Ausführungen über die Ziele, die Mitgliedschaft und die Organe des Verbands (Verbandsrat, Vorstand, Bezirksvorstände, Revisionskommission, etc.). Mit der Gründung des ZPU wurden die bisher existierenden polnischen Verbände aufgelöst, darunter Zjednoczenie Polskie w Niemczech, kurz ZP (Polnischer Verband in Deutschland), Zjednoczenie Polskie strefy amerykańskiej (Polnischer Verband in der amerikanischen Besatzungszone), Zjednoczenie Polskie w Bawarii (Polnischer Verband in Bayern), Zrzeszenie Ośrodków Polskich w Wirtembergii i Badenii (Verband Polnischer Zentren in Württemberg und Baaden), Zrzeszenie Polaków w Bawarii (Verband der Polen in Bayern), Zjednoczenie Polskie strefy francuskiej (Polnischer Verband in der französischen Besatzungszone, Zjednoczenie Polskie strefy brytyjskiej (Polnischer Verband in der britischen Besatzungszone) und Fundusz Polski, kurz FP (Polnischer Fond), der allerdings seinen Willen äußerte, weiterhin bestehen zu wollen, jedoch nicht als Organisation, sondern als Hilfskasse und ohne den Anspruch, die polnischen Kreise zu vertreten.
[1] Satzung des Verbands „Zjednoczenie Polskich Uchodźców w Niemczech” [1955] - aus den Beständen der Abteilung für Studien über polnische Emigranten in Deutschland nach 1945 beim Historischen Institut der Universität Wrocław (Pracownia Badań nad Polską Emigracją w Niemczech po 1945 r. w Instytucie Historycznym Uniwersytetu Wrocławskiego).
Die Arbeit der Organisation
Der Vorstand nahm bereits kurz nach der Gründung der neuen Organisation die internationale Zusammenarbeit mit Emigrationskreisen auf, vor allem in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den Vereinigten Staaten und in Kanada. An dieser Stelle sind die Organisationen hervorzuheben, die mit dem ZPU in Deutschland kooperierten, darunter die Kompanie Wartownicze (Wachkompanien), die Vertretung des Kongres Polonii Amerykańskiej (Kongress der amerikanischen Polonia), der Stowarzyszenie Polskich Kombatantów, kurz SPK (Verband Polnischer Kombattanten), die Centrala Caritasu Polskiego w Niemczech (Zentrale der polnischen Caritas in Deutschland), die Towarzystwo Pomocy Polakom w Niemczech, kurz TPP (Gesellschaft zur Unterstützung der Polen in Deutschland), die Komisja Skarbu Narodowego w Niemczech (Kommission des [polnischen] Nationalfonds in Deutschland), die Vertretung des Rada Polonii Amerykańskiej w Niemczech (Rat der amerikanischen Polonia in Deutschland), der Związek Inwalidów Wojennych PSZ (Bund der Kriegsversehrten der Polnischen Streitkräfte), das Centralny Komitet dla Spraw Szkolnych i Oświatowych (Zentralkomitee für Schul- und Bildungsangelegenheiten) sowie der Sender Freies Europa. Und obwohl sich diese Zusammenarbeit in der Anfangsphase nur der Mitfinanzierung der Aktivitäten des ZPU verdankte, kann den Gönnern und den Mitarbeitern ihr Wohlwollen für die neue Organisation nicht abgesprochen werden. Ohne diese Zuwendungen hätte der ZPU keine Chance gehabt, seine Arbeit aufzunehmen. Die Beziehungen zu den genannten Organisationen gestalteten sich in den verschiedenen Zeitperioden mehr oder weniger intensiv.
Anfangs unterhielt der Vorstand des ZPU sehr gute Beziehungen zum Związek Polaków w Niemczech (ZPwN), dem Bund der Polen in Deutschland, bis sie im Laufe der Zeit, Ende der fünfziger Jahre, eingefroren wurden. Diese Entscheidung resultierte aus der Annäherung des Vorsitzenden des ZPwN, Stanisław Szczepaniak, an den Związek Polaków „Zgoda” (ZP Zgoda), den Bund der Polen „Eintracht“, dessen Arbeit in den nach Unabhängigkeit strebenden Kreisen als regimefreundlich, also als treu zu Warschau, angesehen wurde. Erst Anfang der siebziger Jahre setzte ein Tauwetter zwischen den beiden Organisationen ein, nachdem Kazimierz Odrobny dem SPK und dem ZPwN ein gemeinsames Bündnis polnischer Organisationen in Deutschland vorgeschlagen hatte. Dieses Bündnis sollte dazu dienen, alle Kreise, die Kombattanten, die Polen und die Flüchtlinge, zu vereinen. Dieser Feldversuch war jedoch nicht von Dauer, sodass sich die Beziehungen zwischen den Organisationen in den weiteren Jahren sehr unterschiedlich entwickelten. Dies resultierte aber auch aus dem natürlichen Alterungsprozess, in dem sich die polnische Diaspora befand, sowie aus dem nachlassenden Interesse an den Organisationen selbst.
Schließlich folgten weitere Kooperationen, und zwar mit Flüchtlingskreisen anderer Nationalitäten in der Bundesrepublik Deutschland, darunter mit den Organisationen der Serben, Jugoslawen, Ukrainer, Tschechen und der Rumänen.
Die Idee zur Gründung des ZPU lebte vor allem davon, alle Aktivitäten der polnischen Flüchtlinge unter einem „Dach” zu vereinen und zu integrieren. In diesem Sinne befasste sich der Vorstand des ZPU bereits in den ersten Jahren mit der Koordinierung unter anderem von Bildungsangelegenheiten, er bemühte sich um Kriegsentschädigungen und er leitete Maßnahmen zur sozialen Fürsorge ein. Die Aktivitäten in diesen Bereichen wurden als Verbandsstrukturen in Vorstandsressorts eingebracht. Die Bildungsaufgaben übernahm der Bildungsausschuss des ZPU (Komisja Oświatowa ZPU). Er verwaltete das vom Zentralkomitee für Schul- und Bildungsangelegenheiten (Centralny Komitet dla Spraw Szkolnych i Oświatowych) übernommene Netzwerk polnischer Schulen, wobei er vor allem über den nationalen Charakter der Ausbildung wachte, der die Verbundenheit mit der polnischen Sprache und der polnischen Kultur aufrecht erhalten sollte. Zu den vorrangigen Bildungsaufgaben zählte die Schaffung von Polskie Szkoły Przedmiotów Ojczystych (Polnische Schulen mit heimatbezogenen Fächern), an denen die Lehrer Kinder polnischer Flüchtlinge unter anderem in Polnisch sowie in der Geschichte und Geographie Polens unterrichtet haben, wobei der Schwerpunkt auf nationaler Erziehung lag. Hinzu kam die Begehung von Jahrestagen, etwa des Verfassungstags am 3. Mai und des Unabhängigkeitstags am 11. November, sowie der Gedenktage zum Novemberaufstand, zum Januaraufstand und zur Schlacht bei Warschau 1920, dem „Wunder an der Weichsel“. Ende der fünfziger Jahre waren in diesem Schulsystem jedoch nur 12 % aller polnischen Kinder erfasst. Die Ausbildung junger Polen durch den ZPU verharrte bis Anfang der siebziger Jahre auf diesem Niveau.
Ein weiterer wichtiger Baustein des Engagements des ZPU für die Belange polnischer Flüchtlinge waren Kriegsentschädigungen sowie Zivil- und Strafsachen, die in der damaligen Zeit unter dem Oberbegriff der Rechtsberatung geführt wurden, und zwar schon bald nach der Gründung des Verbands. Dank der Zusammenarbeit mit polnischen Juristen konnte der Vorstand des ZPU gemeinsam mit dem Zentralkomitee für ehemalige Häftlinge der deutschen Gefängnisse und Konzentrationslager (Centralny Komitet byłych Więźniów Niemieckich Więzień i Obozów Koncentracyjnych) damit beginnen, sich vor deutschen Gerichten um Entschädigungen für Zeiten in den Konzentrations- und Arbeitslagern zu bemühen. Der ZPU spielte dabei sehr oft die Rolle eines Mittlers, half den Polen bei der Übersetzung von Gerichtsunterlagen, er bewertete den rechtlichen Status, bezahlte die Rechtsanwälte und er führte im Namen der polnischen Flüchtlinge deren Schriftverkehr mit deutschen Gerichten. Zu den Rechtsanwälten, die von Anfang an in diese Dinge involviert waren, gehörten unter anderem Roman Błeński und Alojzy Mikołajewski sowie der in London lebende Mieczysław Chmielewski. Die Einbindung des Letztgenannten sollte sich als sehr fruchtbar erweisen. Wichtiger Teil dieser Arbeit waren auch Hilfen für die Bürger der Volksrepublik Polen, die sich mit ihren Begehren nach Kriegsentschädigungen an den Vorstand des ZPU wandten.
Im Übrigen wurde ein starkes soziales Engagement entfaltet. Man suchte nach Polen, die sich in Krankenhäusern und Sanatorien befanden, und ließ ihnen finanzielle Unterstützung zukommen. Eine große Zahl derer, die ihr Dasein unter schwierigsten Bedingungen fristeten, konnte mit regelmäßigen Zuwendungen rechnen. Eine andere Form der Hilfe galt Staatsbürgern der Volksrepublik Polen, die Medikamente benötigten, die es in Polen nicht gab. Alles in allem wurden Landsleute in Polen über zwanzig Jahre unterstützt. Die entsprechenden finanziellen Mittel kamen aus dem Hilfsfonds für die Opfer des Zweiten Weltkriegs (Fundusz Pomocy Ofiarom II wojny światowej), der sich wiederum aus Spenden an die Katholische Universität Lublin (Katolicki Uniwersytet Lubelski) speiste. Die gesamte Arbeit in diesem Bereich ist Witold Szwabowicz zu verdanken, der die Aktivitäten seit Ende der fünfziger Jahre bis zu seinem Tod im Jahre 1982 koordinierte.
Als Kazimierz Odrobny den Vorsitz übernahm, kamen die Aktivisten der Stronnictwo Narodowe (SN), der Nationalen Partei, die wichtige Funktionen im Verband ausübten, zu Wort. Dies blieb dann so bis Ende der siebziger Jahre. In dieser Zeit wurden die Posten der älteren Generation der SN mit den Mitgliedern der PPS besetzt.
In den sechziger und siebziger Jahren wurde die Arbeit des ZPU unverändert fortgeführt. Dabei ging es unter großen Anstrengungen darum, die Arbeit der Schulen zu garantieren, Sozialhilfe für Bedürftige aufzubringen sowie das gesellschaftliche und kulturelle Leben zu gestalten. In dieser Zeit hat sich der Vorstand des Verbands nie gegen die Exilregierung in London gewandt, sondern verblieb stets unter ihrer Hoheit. Zugleich setzte Kazimierz Odrobny seine Bemühungen um deutsche Entschädigungen für Zeiten in den Konzentrationslagern zusammen mit dem Zentralkomitee für ehemalige politische Häftlinge der deutschen Gefängnisse und der Konzentrationslager in der Freien Welt (Centralny Komitet b. Więźniów Politycznych Niemieckich Więzień i Obozów Koncentracyjnych w Wolnym Świecie) fort. Diese Aufgabe wurde rasch zu seinem wichtigsten Thema. Die Zusammenarbeit des ZPU mit Rechtsanwalt Mieczysław Chmielewski diente dazu, von der Bundesrepublik Deutschland sowie aus dem Fonds des Hohen Kommissars für Flüchtlinge Renten und Entschädigungen zu erwirken. Zu diesem Zweck wurden von der Organisation Fragebögen von den Personen eingeholt, die mit einem positiven Ausgang eines gerichtlichen Entschädigungsverfahrens rechnen konnten. Parallel wurden in dieser Sache Bemühungen vor dem Hohen Kommissar für Flüchtlinge in Bonn und Genf eingeleitet. Die Bedeutung dieser Problematik und ihre internationale Tragweite haben dann dazu geführt, dass Anfang der sechziger Jahre eine internationale Organisation mit dem Namen „Zentralverband für Ausländische Flüchtlinge in der BRD“, kurz ZAF, in der Bundesrepublik Deutschland gegründet wurde. Kazimierz Odrobny übernahm dort zunächst das Amt des Sekretärs, bevor er später Vorsitzender des Vorstands wurde. Diese Organisation befasste sich vornehmlich mit Entschädigungsfragen und setzte sich zusammen unter anderem aus Vertretern Estlands, Tschechiens, Jugoslawiens, Litauens, Lettlands, Polens, der Ukraine, Ungarns zusammen. Sie trug in den sechziger und siebziger Jahren die größte Last, die vom ZPU im Hinblick auf die Entschädigungen geschultert wurde. Sie bildete in diesen Jahren quasi den Transmissionsriemen zwischen dem ZPU, den internationalen Flüchtlingsorganisationen, der deutschen Administration und dem Hohen Kommissar für Flüchtlinge. Dabei ist es, abgesehen von den Erfolgen des ZAF, diesen Aktivitäten mit zu verdanken, dass der Komplex der Entschädigungen von der Regierung der Bundesrepublik Deutschland geordnet werden konnte. Kazimierz Odrobny gelang es auch, sich mit dem Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) zu verständigen, der das Bundesentschädigungsgesetz, auf dessen Grundlage ehemaligen Häftlingen der deutschen Konzentrationslager Sozialhilfe zustand, mitgetragen hat. 1969 verbuchte die Zusammenarbeit des ZPU mit dem ZAF ihren größten Erfolg: das Büro des Hohen Kommissars für Flüchtlinge beschloss, einen „großen Fonds“ (45 Mio. DM) und einen „kleinen Fonds“ (3 Mio. DM) für Entschädigungen einzurichten.
Im demselben Sinne, wie die Kooperationen des zentralen ZPU-Vorstands verliefen, arbeiteten auch die Bezirksvorstände mit den Landesregierungen und ihren Ministerien zusammen. Diese Kooperationen bezogen sich vor allem auf die Finanzierung des polnischen Schulwesens. In diesem Kontext sollte nicht unerwähnt sein, dass dieser Bereich der Arbeit des ZPU seit dem Bestehen des Bildungsausschusses sowohl von den Landesregierungen der Bundesrepublik Deutschland, als auch von der Bundesregierung mit bescheidenen Mitteln bezuschusst wurde. Eine umfassende Zusammenarbeit des Vorstands des ZPU in diesem Bereich erwuchs in den fünfziger und sechziger Jahren mit dem National Catholic Welfare Council (NCWC), mit dem Sender Radio Free Europe (RFE), dem Polish American Immigration Relief Committe (PAIRC) und der UNO. Diese Organisationen haben viele Jahre lang polnische Schulen finanziell unterstützt und Stipendien für Schüler und Studenten finanziert. Seine lebhafteste Entwicklung erfuhr das polnische Schulwesen Ende der sechziger Jahre im zweiten ZPU-Bezirk in Nordrhein-Westfalen. Leider kam es 1968 zu einer Zäsur, die maßgeblich von Dominik Marcol hervorgerufen wurde. Die damalige Spaltung schwächte die Aktivitäten des ZPU, stellte seinen Vorstand vor den deutschen Behörden bloß und führte zur Einziehung der Zuwendungen, die dem ZPU für seine schulischen Aufgaben von der Bonner Regierung gewährt wurden. Letztlich haben diese Ereignisse die finanzielle Quelle zum Versiegen gebracht, den Rückgang der Aktivitäten des ZPU eingeleitet und die Schließung der polnischen Schulen herbeigeführt. Sie haben auch den Zerfall der Organisation eingeleitet.
Da sich der ZPU der Unabhängigkeit verschrieben hatte, sodass ihm die Exilregierung in London als oberste Machtinstanz galt, wurde bald klar, dass der Sicherheitsapparat der Volksrepublik Polen seine Aktivitäten als staatsfeindlich eingestuft hat. Dies wiederum sorgte unmittelbar dafür, dass die polnischen Sicherheitsbehörden die Funktionäre des Verbands ins Visier nahmen. Besonderes Interesse zeigten die Abteilungen I und II des polnischen Außenministeriums (ziviler Nachrichtendienst und Spionageabwehr), die unter anderem folgende Personen observierten: Dipl.-Ing. Jerzy Arłamowski, Henryk Bogdański, Antoni Czerwiński, Czesław Brunner, Władysław Kawecki, Jerzy Knothe, Janusz Jar-Łańcucki, Dominik Marcol, Stanisław Mikiciuk, Kazimierz Odrobny, Wincenty Broniwój-Orliński, Leopold Sanicki, Witold Szwabowicz und Roman Żelazny. Dies sind aber nur einige wenige derer, die schließlich ausspioniert wurden. Dabei gab es auch einige Zeitgenossen, die sich dank der Gunst der Stunde zu einer Zusammenarbeit mit dem polnischen und dem westdeutschen Nachrichtendienst bereitfanden. Es ist durchaus möglich, dass es dies häufiger gab. Dabei weiß man jedoch bis heute nicht, ob die Spaltung des Bezirksverbands Nordrhein-Westfalen 1968 vom Nachrichtendienst der Volksrepublik Polen betrieben wurde. Die Umstände und die Ereignisse deuten eher auf Operationen westdeutscher Nachrichtendienste hin. Eine besondere Rolle in diesen Jahren spielte jedenfalls Dominik Marcol, der Vorsitzende des ZPU-Bezirks Nordrhein-Westfalen, der enge und nicht nur punktuelle Kontakte zum polnischen Geheimdienst unterhielt. Durchaus erwähnenswert ist, dass auch der britische MI6, die Stasi, der Verfassungsschutz und der Bundesnachrichtendienst (BND) Interesse an der Organisation und ihren Funktionären hatten.
Der Vorstand des ZPU unterhielt durchgängig gute Beziehungen zu polnischen Geistlichen in der Bundesrepublik Deutschland. Diese Kontakte haben bis auf wenige Ausnahmen viele Jahre überdauert. Die Aktivisten des ZPU haben sich gern in zahlreiche Initiativen der Geistlichen engagiert, auch durch aktive Teilnahme. Zu den wichtigsten Anlässen gehörten Wallfahrten von Polen nach Neviges und Maria-Buchen sowie die Festlichkeiten anlässlich der Tausendjahrfeier der Christianisierung Polens, der sogenannten „Taufe Polens“ (Chrzest Polski), 1966. In späteren Jahren wurden die verschiedenen katholischen Initiativen in Gemeinschaft mit den polnischen Geistlichen eher in einzelnen, individuellen Gruppen ohne nennenswerte Teilnahme des Vorstands realisiert, bis sie schließlich ganz eingestellt wurden.
In den siebziger Jahren wurden die Geschicke der Organisation weiterhin von ihrem Vorsitzenden, Kazimierz Odrobny, geleitet. In der Geschichte der Organisation waren dies äußerst schwierige Jahre, da unter den Verbandsaktiven immer mehr Sterbefälle zu beklagen waren, die einen Generationswechsel im ZPU nach sich zogen. Doch für die vakant gewordenen Stellen fanden sich kaum bereitwillige Nachfolger. Dabei ließ der Verband zu seinen zentralen Verbandsorganen keine Wirtschaftsmigranten und keine „neuen“ Flüchtlinge aus der Volksrepublik Polen zu. Diese Haltung folgte der Vision des Vorsitzenden, der den Verband als Vertretung der Kriegsflüchtlinge sah. Zudem war dies auch die Zeit, in der die finanziellen Mittel für das laufende Geschäft des Verbands immer knapper wurden. Insofern wurden Ratssitzungen und Vorstandswahlen immer wieder auf Jahre hinausgeschoben. Die Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag des Bestehens des Verbands wurden nur in einigen wenigen Ortsgruppen des ZPU begangen. Eine zentrale Veranstaltung zu diesem Anlass blieb aus. Es war das erste deutliche Signal für den Niedergang der Zentrale, also des Vorstands. Die Stunde des Untergangs des Verbands nahte. Kazimierz Odrobny nahm zwar noch 1975 an der internationalen Konferenz „Polonia Jutra’75” (sinngemäß: 1975 - Die Zukunft der Polonia) teil, doch diese Tatsache hatte keinen größeren Einfluss mehr auf die weitere Arbeit des ZPU. Dem Vorsitzenden fehlten bereits die Kräfte, um die Bemühungen aller Organisationen zu koordinierten, an denen er beteiligt war. Aus heutiger Sicht scheint es so zu sein, als ob sich die Existenz der Organisation in den siebziger Jahren bis zu seinem Tod im Jahr 1981 nur seinem persönlichen Willen und seiner Autorität verdankt. Nach seinem Tod brachen im Verband das Chaos und der Kampf um Einflussnahme aus. Aus der gesamten Struktur überlebte nur der Bezirk in München, der aus einer größeren Gruppe von Aktivisten und aus ein paar selbstständig gebliebenen Ortsgruppen bestand. Streitigkeiten und Grabenkämpfe der Funktionäre führten dazu, dass der Verband für die „neuen“ Emigranten der Solidarność-Generation nicht attraktiv war. Gleichwohl war es einem Teil der zugezogenen „neuen” Kräfte zu verdanken, dass einige Ortsgruppen reaktiviert werden konnten, während andere ihre Arbeit wieder vitaler und aktiver betrieben. Im Zuge dessen wurde Mitte der achtziger Jahre der fünfte Bezirk mit Sitz in Westberlin gegründet. Doch letztlich haben alle diese Maßnahmen den ZPU nur wenige Jahre länger leben lassen. 1993 ließ der letzte Vorsitzende des ZPU, Andrzej Prusiński, die Organisation bei Gereicht aus dem Vereinsregister streichen. Der ZPU hörte auf zu existieren.
Zusammenfassend ist darauf hinzuweisen, dass der Verband seine vorgegebenen Ziele viele Jahre und mit großer Wirkung umgesetzt hat. Erfolgreich verliefen seine Aktivitäten zum Wohle der Unabhängigkeit, im Schulwesen, in der Bereitstellung von Rechtsberatung sowie in der Unterstützung in Entschädigungsfragen und im Bereich der sozialen Fürsorge. Zu dieser Zeit stieg das Tempo der Arbeit von Jahr zu Jahr. Nach dem Rückzug des Senders Radio Freies Europa aus der Finanzierung des Verbands und im Zuge der Spaltung im Jahre 1968, die eine weitere Beschneidung finanzieller Mittel nach sich zog, verschlechterte sich die Situation dann leider dramatisch. Die Verantwortlichen ließen sich davon jedoch nicht entmutigen und setzten die Realisierung der vorgegebenen Ziele fort. Allerdings konnte der Verband trotz aller guten Vorsätze und Versuche nicht mehr an seine alte Stärke anknüpfen.
Łukasz Wolak, März 2017
Literatur:
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Z. T. Klimaszewski, Emigracja Polska w Niemczech, Białystok 2007, S. 107-109.
K. Ruchniewicz, Polskie zabiegi o odszkodowania niemieckie w latach 1944/45-1975, Wrocław 2007.
Ł. Wolak, Szkolnictwo Polaków w RFN pod egidą Zjednoczenia Polskich Uchodźców w latach 1951-1959, [in:] Zeszyty Naukowe PUNO, [Abhandlungen, Artikeln, Rezensionen], hg. von J. Chwastyk-Kowalczyk, Londyn 2015, dritte Reihe Nr. 3, S.142-143.
Ł. Wolak, Działacze Zjednoczenia Polskich Uchodźców w Niemczech w materiałach organów bezpieczeństwa PRL w latach 1945-1970, [in:] Letnia Szkoła Historii Najnowszej 2010. Referaty, hg. von Natalia Jarska und Tomasz Kozłowski, Einleitung: Łukasz Kamiński, Warszawa 2011, S. 142-152.
Ł. Wolak, Pierwsze trudne lata działalności. Zjednoczenie Polskich Uchodźców w Republice Federalnej Niemiec w latach 1951-1954, [in:] Zimowa Szkoła Historii Najnowszej 2012. Referaty, hg. von Łukasz Kamiński und Grzegorz Wołek, Warszawa 2012, S.141-153.
Ł. Wolak, Zjednoczenie Polskich Uchodźców wobec emigracji solidarnościowej w latach 1981-1989, [in:] Świat wobec solidarności, hg. von Paweł Jaworski und Łukasz Kamiński, Warszawa 2013, S. 703-717