Sigrid Nikutta – die Frau fürs Unmögliche

Sigrid Nikutta. Autor: Stefanie Loos / re:publica 19.
Sigrid Nikutta auf der „re:publica 19”, 07.05.2019

Die Resonanz in der Branche und in den Medien brachte Sigrid Nikutta dazu, ihre Meinung zur gesetzlichen Frauenquote zu ändern. „Die medialen Reaktionen haben mir gezeigt, wie weit wir davon entfernt sind, dass es eine Selbstverständlichkeit ist, dass eine Frau eine solche Position übernimmt“[4], erklärte sie in einem Interview für den „stern“.

Das mediale Interesse an der „Frau in Führungsposition“ ebbte lange nicht ab. Die Presse kommentierte ausführlich u.a. die Geburt ihrer beiden jüngsten Kinder während ihrer Amtszeit bei den BVG, sowie ihre schnelle Rückkehr zur Arbeit. Für nicht weniger Aufruhr sorgte Sigrid Nikutta, als sie ihre Babys zu den Vorstandssitzungen mitbrachte und sie während der stundenlangen Diskussionen stillte. Weitere Kontroversen entfachte die Tatsache, dass ihr Mann seinen Job aufgab, um sich stattdessen um den Haushalt zu kümmern. 

Mit Sigrid Nikutta als Managerin konnten die BVG zum ersten Mal seit Jahrzehnten Gewinne verzeichnen. Die Zahl der jährlich beförderten Personen stieg auf 1,1 Mrd. Nicht alle Bereiche konnten optimiert werden – die Modernisierung der veralteten Bus- und U-Bahn-Flotte ging nur schleppend voran, was zu einem Anstieg der Fahrtausfälle führte. Dennoch wird Nikuttas Bilanz als Vorstandsvorsitzende aus heutiger Sicht positiv betrachtet. Als Erfolgsgeschichte entpuppte sich die ironische, selbstkritische Image-Kampagne „Weil wir dich lieben“. Durch bewussten, gezielten Spott gegenüber den bekannten Mängeln der BVG (wie die unfreundlichen Fahrer:innen oder die ewigen Busverspätungen) konnten ein einzigartiges Firmenimage und ein hoher Wiedererkennungswert geschaffen werden.

Nach fast 10 Jahren Vorstandsvorsitz in Berlin wurde Sigrid Nikutta im November 2019 in den Vorstand der Deutschen Bahn berufen, wo sie nun für das Ressort Güterverkehr zuständig ist. Zudem fungiert sie als Vorstandsvorsitzende der DB Cargo AG. Somit wurde sie die erste Frau an der Spitze eines deutschen Staatsbahnunternehmens in der 185-jährigen Geschichte der Eisenbahn in Deutschland. Über die Jahre hinweg konnte sich die Managerin als „die Frau fürs Unmögliche“ etablieren. Das wird von ihr auch in ihrer neuen Rolle bei DB Cargo erwartet. Die AG schreibt seit Jahren nur noch rote Zahlen und der Anteil an männlichen Mitarbeitenden liegt bei knapp 90 %. Sigrid Nikutta soll also nicht nur das Unternehmen umstrukturieren, sondern auch den Anteil weiblicher Beschäftigter erhöhen. Letzteres wird zweifellos eine schwierige Herausforderung, doch im Hinblick auf die Haltung und die persönliche Erfahrung der Vorstandsvorsitzenden erscheint sie nicht unmöglich. „Ich möchte zeigen, Kinder und Karriere schließen sich keinesfalls aus. Ich betone aber auch gerne, dass das nicht immer leicht ist. Aber es ist möglich und man kann sich damit das Beste aus beiden Welten ziehen. Vielleicht bin ich auch so robust in meinem Berufsleben, weil ich ein ausgefülltes und glückliches Privatleben habe.“[5]

 

Monika Stefanek, Juli 2021

 

[4]   Ebenda.

[5]   Gronwald, S./Stawski, K.: Bahn-Vorständin Nikutta: „Ich pflege im Berufsleben das Image einer Dampfwalze”, in: stern.de, 23.11.2020, URL: https://www.stern.de/politik/sigrid-nikutta--deutsche-bahn---der-gesamte-vorstand-steht-hinter-der-frauenquote--9500976.html (zuletzt aufgerufen am 01.07.2021).