Rosa Luxemburg
Am 31. Mai 1919 wurde aus dem Berliner Landwehrkanal eine Leiche geborgen. Schnell wurde klar, dass es sich um die vermisste Rosa Luxemburg handelt. Klar wurde auch, dass sie ermordet wurde. Und es war ein politisch motivierter Mord. Von ihrer Jugend an bis zu ihrem Tod kämpfte Rosa Luxemburg für die Rechte der internationalen Arbeiterklasse. Rosas Eltern waren Juden, die sich sozial, politisch und kulturell in Zamość engagierten. Die Bildung ihrer insgesamt fünf Kinder stand für sie an erster Stelle. Die kleine Rosa genoss eine humanistische Bildung. Neben Polnisch und Deutsch, das man zu Hause sprach, lernte sie Russisch, Latein und Altgriechisch, aber auch Französisch, Englisch und Italienisch waren ihr nicht fremd. Sie interessierte sich für die Natur, Biologie und Botanik, war eine gute Zeichnerin, hörte gerne Musik und liebte es, Gedichte zu lernen und zu rezitieren.
Früh war ihr das politische Engagement anzumerken, früh war auch die politische Richtung vorgegeben. Mit 13 Jahren schrieb sie auf Polnisch ein sarkastisches Gedicht über Kaiser Wilhelm II., der damals Warschau besuchte. Während ihrer Schulzeit in dem II. Warschauer Mädchen-Gymnasium gehörte Rosa Luxemburg einer geheimen Lerngruppe an. Dort war sie auch mit der Arbeitsgemeinschaft „Proletariat“, einem illegalen, politischen Zirkel, in Kontakt gekommen. 1887 beendete die 16-jährige Rosa Luxemburg das Gymnasium in Warschau mit besten Noten in allen Fächern. Die Goldmedaille ihrer Schule bekam sie wegen ihrer „oppositionellen Haltung“ dennoch nicht. Als die Zarenpolizei von ihrer Mitgliedschaft im „Proletariat“ erfuhr, musste sie 1889 nach Zürich fliehen. Hier studierte sie dann Philosophie, Ökonomie und Jura. 1897 schloss sie ihr Studium mit einer Dissertation über die „Industrielle Entwicklung Polens“ ab, wobei sie durch ihr großes Wissen und ihren brillanten Stil auffiel. Bereits 1898 erschien die Arbeit bei Duncker & Humblot in Leipzig.
Ihre politische Vision nahm 1893 erste konkrete Konturen an. Sie gründete die Pariser Exilzeitung „Sprawa Robotnicza“ (Sache der Arbeiter). Kurze Zeit später war sie Mitbegründerin der konsequent internationalistisch ausgerichteten Partei „Sozialdemokratische Arbeiterpartei des Königreichs Polen“ und ab 1900 „Sozialdemokratische Arbeiterpartei des Königreichs Polen und Litauens“. 1897 beschloss Rosa Luxemburg, nach Deutschland zu ziehen. Um die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten, heiratete sie am 19. April 1898 Gustav Lübeck, den einzigen Sohn ihrer Züricher Gastfamilie. 1898 trat sie in die SPD ein, die in der Arbeiterbewegung als fortschrittlichste sozialistische Partei Europas galt. Rasch gewann sie ein hohes Ansehen in der SPD als gefragte Spezialistin für polnische Angelegenheiten. In Dresden übernahm sie die Redaktion der „Sächsischen Arbeiterzeitung“, später zog sie weiter nach Berlin, wo sie gegen Entgelt für verschiedene SPD-Zeitschriften anonyme Artikel schrieb. Nach wie vor engagierte sie sich sehr stark politisch. Früh warnte sie vor einem kommenden Krieg. 1903 kritisiert sie erneut, diesmal öffentlich, Kaiser Wilhelm II. und sagte: „Der Mann, der von der guten und gesicherten Existenz der deutschen Arbeiter spricht, hat keine Ahnung von den Tatsachen.“ Wegen Majestätsbeleidigung wurde sie zu drei Monaten Haftstrafe verurteilt. 1906 erneute Verurteilung, diesmal wegen „Anreizung zum Klassenhass“.
1907 nahm sie am Parteitag der russischen Sozialdemokraten in London und an dem Kongress der „Zweiten Internationale“ in Stuttgart teil. Ab 1907 unterrichtete sie an der SPD-Parteischule Marxismus und Ökonomie. Am 25. September 1913 rief sie auf einer Antikriegsdemonstration in Fechenheim bei Frankfurt a.M. eine Menge von Hunderttausenden zu Kriegsdienst- und Befehlsverweigerung auf: „Wenn uns zugemutet wird, die Mordwaffen gegen unsere französischen oder anderen ausländischen Brüder zu erheben, so erklären wir: ‚Nein, das tun wir nicht!‘“ Dafür wurde sie wegen „Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze und Anordnungen der Obrigkeit“ 1914 zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.
Am 4. August 1914 stimmte die SPD-Reichstagsfraktion für die Aufnahme der ersten Kriegskredite und ermöglichte damit die Mobilmachung. Die Pazifistin Rosa Luxemburg warf der SPD folgenschweres Versagen vor. Sie sah in der Abstimmung das Ja zum Krieg. Noch im selben Jahr gründete sie gemeinsam mit sechs weiteren SPD-Linken die „Gruppe Internationale“, aus der dann später der „Spartakusbund“ hervorging. 1915 trat Rosa Luxemburg ihre Haftstrafe im Frauengefängnis in Berlin an. Nach der Entlassung wurde sie am 10. Juli 1916 in „Sicherheitsverwahrung“ wie es damals hieß, zur „Abwendung einer Gefahr für die Sicherheit des Reichs“, genommen, die bis November 1918 dauerte. Rosa Luxemburg wurde zweimal verlegt, zuerst in die Festung Wronke in der Provinz Posen, dann nach Breslau. Am 09. November 1918 erreichte die Novemberrevolution Berlin, einen Tag später traf die gerade aus der „Sicherheitsverwahrung“ entlassene Rosa Luxemburg in der Stadt ein. Hier engagierte sie sich mit ganzer Kraft in der Novemberrevolution. Gemeinsam mit Karl Liebknecht gab sie die »Rote Fahne« heraus, Organ des Spartakusbundes, und gehörte an der Jahreswende 1918/1919 zu den Gründern der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Nach dem gewaltsam niedergeschlagenen Januaraufstand wurde Rosa Luxemburg zusammen mit Karl Liebknecht am 15. Januar 1919 von der „Wilmersdorfer Bürgerwehr“ gefangen genommen. Sie wurden in das Eden-Hotel, dem Hauptquartier des Freikorps Garde-Kavallerie-Schützen-Division gebracht und dort dem Offizier Waldemar Pabst übergeben. Dieser ließ sie stundenlang verhören und brutal misshandeln. Beim Abtransport aus dem Hotel wurde Rosa Luxemburg von den Angehörigen des Freicorps ermordet. Rosa Luxemburgs Leiche warfen die Täter in den Berliner Landwehrkanal.
Rosa Luxemburg hat sich von ihrer Jugend bis zu ihrem Tod für die internationale Arbeiterbewegung engagiert. Sie trat für einen demokratischen Sozialismus ein. Sie kritisierte Lenin und den Bolschewismus. Kritisch setzte sie sich auch mit den Ideen des „Kommunistischen Manifests“ von Karl Marx und Friedrich Engels auseinander. Ihre Schriften und Ansichten werden bis heute ernsthaft diskutiert und bilden Grundlage für linke Konzepte.
Wichtige Werke von Rosa Luxemburg:
1897 „Die industrielle Entwicklung Polens“
(Dissertation an der Universität Zürich), Duncker & Humblot, Leipzig 1898
1899 „Sozialreform oder Revolution?“
(Zuerst veröffentlicht in der Leipziger Volkszeitung, Nr. 219–225, 21.–28. September 1898, und Nr. 76–80, 4.–8. April 1899. Rosa Luxemburg, Gesammelte Werke, Bd.1, Erster Halbbd., Karl Dietz Verlag, Berlin 1982, S. 369–445.)
1913 „Die Akkumulation des Kapitals. Ein Beitrag zur ökonomischen Erklärung des Imperialismus“
(Ursprünglich veröffentlicht: Buchhandlung Vorwärts Paul Singer GmbH., Berlin 1913. Rosa Luxemburg, Gesammelte Werke, Bd. 5, Berlin/DDR 1975, S. 5–411.
1916 „Die Krise der Sozialdemokratie“
(unter Pseudonym „Junius“, Verlag Union, Zürich 1916)
1918 „Zur russischen Revolution“
(Zuerst veröffentlicht 1922 von Paul Levi nach dem handschriftlichen Manuskript aus dem Nachlass. Rosa Luxemburg, Gesammelte Werke, Bd. 4 (6. überarbeitete Auflage), Karl Dietz Verlag, Berlin 2000, S. 332–362)
1916 „Einführung in die Nationalökonomie“
(Verlag Laub, Berlin 1925)
Rosa Luxemburgs berühmtes Zitat:
„Freiheit nur für die Anfänger der Regierung, nur für die Mitglieder einer Partei - mögen sie auch so zahlreich sein- ist keine Freiheit. Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden.“
Adam Gusowski, Juni 2014
Weiterführende Literatur:
Bernd Faulenbach, Rosa Luxemburg als Mythos?
http://www.isb.ruhr-uni-bochum.de/mam/content/mitteilungsblatt/volltexte/faulenbach_mtb29.pdf