Polnische Gräber auf dem Friedhof am Perlacher Forst in München
Der Friedhof und seine Geschichte
Mit dem stetigen Bevölkerungswachstum Münchens wurden Ende der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts die freien Flächen auf den Friedhöfen der Stadt knapp. So war zum Beispiel der Ostfriedhof 1929 überfüllt. Daraufhin sollte eine neue Nekropole für bis zu 100.000 Gräber auf einem 100 Hektar großen Grundstück an der Schwanseestraße entstehen. In der Nähe lag das Gefängnis Stadelheim, wobei es zwischen dessen Gebäuden und dem geplanten Friedhof einen breiten Abstandsstreifen gab, was die Planer letztlich für den Standort eingenommen hat. Mit der Umsetzung des Projekts wurde Stadtbaurat Hermann Leitenstorfer betraut. Es sollte die größte und schönste Friedhofsanlage Münchens werden. Inmitten der Anlage entstand eine Kapelle, von der aus strahlenförmige und mit Hecken eingefasste Alleen verliefen. Entlang der Alleen wurden auch Bäume gepflanzt, was die gesamte Anlage mit dem nahe gelegenen Wald in Verbindung brachte, der für den Namen des neuen Friedhofs Pate stand.
Die Eröffnung des Friedhofs erfolgte am 1. Februar 1931, obwohl die Anlage zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertig war. Die Kapelle sollte erst zwei Jahre später entstehen. Anfangs wurden auf dem Friedhof Arbeiter und die Ärmsten der Armen bestattet. Historisch kam es bald darauf zur Machtergreifung der Nationalsozialisten und zu zunehmenden politischen Repressalien. Im benachbarten Gefängnis Stadelheim wurden bis 1945 über 1.200 Personen hingerichtet (die genaue Zahl ist unbekannt). Ein Teil von ihnen wurde in anonymen Massengräbern verscharrt. Nichts sollte an sie erinnern. Ein Teil der Leichname gelangte an anatomische Institute.
Stadelheim
Das Gefängnis Stadelheim geht auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurück und war ab 1942 eine von mehreren Hinrichtungsstätten des Volksgerichtshofs, nachdem bis dahin in Berlin-Plötzensee die Todesurteile vollstreckt worden waren. Die zunehmende Verhängung von Todesstrafen brachte dann die Dezentralisierung hervor. Das Gefängnis fungierte als Vollstreckungsstätte für das südöstliche Deutschland und einen Teil der besetzten Gebiete. Am Ende des Zweiten Weltkriegs wurden auf dem Friedhof über vier Tausend Urnen beigesetzt, meist mit den sterblichen Überresten der Opfer des KZ Dachau. Der Friedhof wurde durch den Luftangriff auf München Anfang Januar 1945 partielle zerstört. Zudem wurde die strahlenförmige Friedhofsanlage auch durch die Erweiterung des Gefängnisses in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts verändert.
Ehrenhaine und Gedenkorte
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde beschlossen, den Friedhof wiederzubeleben und an den Stätten, an denen Opfer des Dritten Reichs ihre letzte Ruhe fanden, Ehrenhaine und Gedenkstätten einzurichten. Die Nachbarschaft des Gefängnisses Stadelheim erwies sich dabei als sinnstiftend für die neue Bestimmung des Friedhofs. Zu den dort Hingerichteten gehörten auch die Mitglieder der Weißen Rose, einer Widerstandsgruppe gegen den Nationalsozialismus. Sie wurden ebenfalls auf diesem Friedhof beigesetzt.
Die Opfer des KZ Dachau
Der Stadtrat beschloss, die Urnen der Opfer aus dem KZ Dachau, die seinerzeit nach der Einäscherung im Lagerkrematorium auf verschiedenen Münchner Friedhöfen verscharrt worden waren, im ersten Ehrenhain beizusetzen, der 1950 entstand. Unter den zu Tode gekommenen Häftlingen waren Deutsche, Österreicher, Tschechen, Polen sowie Menschen aus der damaligen Sowjetunion, aus Frankreich und den Niederlanden. Insgesamt entstanden 44 Grabfelder mit jeweils 96 Urnen. Jedes Grabfeld hat einen eigenen Gedenkstein. Im Zentrum der Anlage wurde ein Brunnen mit Mosaiken und dem Stein der Hoffnung aufgestellt. Der Hain wurde mit Linden bepflanzt, die ein Symbol für Gerechtigkeit, Liebe, Frieden und Heimat sind. Auf dem Gedenkstein am Eingang wird die Zahl der Opfer mit 4.092 beziffert.
Die Hingerichteten von Stadelheim
Vier Jahre später, 1954, entstand der zweite Ehrenhain, in den die sterblichen Überreste der 93 in Stadelheim Hingerichteten überführt wurden, die an verschiedenen Stellen des Friedhofs bestattet worden waren. Auf dem 1996 enthüllten Gedenkstein sind die Namen aller Opfer eingraviert. Dort fand unter anderem Henryk Pecak seine letzte Ruhestätte, ein Zwangsarbeiter, der hingerichtet wurde, weil er die Nachrichten der BBC in polnischer Sprache hörte. Ein anderes Opfer war Jan Hebda, der mit zwei Polen floh, um dem polnischen Militär beizutreten. Obwohl es ihnen seinerzeit gelang, die Schweizer Grenze zu passieren, wurden sie festgenommen und an die deutschen Behörden ausgeliefert. Ihre Todesurteile wurden 1943 vollstreckt. Zu dieser Zeit wurde auch Waldemar Schidhabel hingerichtet, ein wegen „Hochverrats“ angeklagte Pole deutscher Abstammung.
Die Zwangsarbeitsopfer
1960 entstand auch die Gedenkanlage für Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge der Konzentrationslager (Displaced Persons), auf der 1.192 Menschen aus 12 Ländern bestattet wurden, die zwischen 1942 und 1946 starben. Polen sind hier mit 274 nach Russen aus der ehemaligen Sowjetunion als zweitstärkste Gruppe vertreten. Außerdem fanden hier Menschen aus Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Griechenland, aus der Türkei, Frankreich, Belgien und aus den Niederlanden ihre letzte Ruhestätte. Im Zentrum der Anlage wurde ein Denkmal errichtet. Auf dem Rasen finden sich Steintafeln mit den Namen der Verstorbenen. Der Hain wurde mit Birken angelegt, die symbolisch für das Leben und die Wiedergeburt stehen.
Polnische Soldaten
In die Nähe dieser Gedenkanlage wurden 1998 aus den Gruften des Münchner Westfriedhofs die Särge neun polnischer Soldaten überführt, die nach dem Krieg verstarben, unter anderem Mitglieder der Świętokrzyska-Brigade, um sie nun in einem eigens zu diesem Zweck geschaffenen Bereich beizusetzen. Die Trauerfeier fand in Anwesenheit von Vertretern des polnischen Konsulats sowie des Rats zur Bewahrung des Gedenkens an Kampf und Martyrium (Rada Ochrony Pamięci Walk i Męczeństwa) statt. Auf einer Gedenktafel aus Granit mit dem polnischen Adler wurde diese Inschrift in polnischer Sprache eingraviert: Tu spoczywają żołnierze polscy zmarli w drodze do Ojczyzny. Cześć Ich pamięci (Hier ruhen polnische Soldaten, die auf dem Weg in die Heimat verstarben. Ehre Ihrem Andenken).
Krzysztof Ruchniewicz, März 2018
Literatur:
Irene Stuiber: Hingerichtet in München-Stadelheim. Opfer nationalsozialistischer Verfolgung auf dem Friedhof am Perlacher Forst, Kulturreferat der Landeshauptstadt München, 2004.
Internet (http://polskiegroby.pl/s/cmentarz.php?osobaok=13096&cmentarzok=455):
Friedhof Perlacher Forst, „Stiftung Polnisch-Deutsche Aussöhnung” (Zugriff 13.03.2018). Dort auch der Friedhofsplan und die Namensliste der polnischen Soldaten.
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Empfohlene Zitierweise:
Krzysztof Ruchniewicz: Polnische Gräber auf dem Friedhof am Perlacher Forst in München, in: "Porta Polonica“ (Nr. 592), 14.03.2018, url: www.porta-polonica.de/de/node/592