Lexikon des Polentums in Deutschland
Anlässlich des 15. Jahrestages der Gründung des „Bundes der Polen in Deutschland“ am 3. Dezember 1937 forderte der Rat die Redaktion des Lexikons auf, die Arbeiten bis zu diesem Zeitpunkt abzuschließen. Der Text sollte nur um die Jubiläumsmaterialien und die Beschlüsse des I. Kongresses des „Bundes der Polen in Berlin“ 1938 ergänzt werden. Nach dem Kongress machte sich die Delegation des „Weltbundes der Polen im Ausland“ (Światpol) mit den von der Redaktion gesammelten Materialien vertraut und bot an, sie in Polen zu veröffentlichen. Der Vorstand des Bundes billigte diesen Vorschlag. Die Redakteure begannen, die Endredaktion des Lexikons vorzubereiten. Mitte Juni war das Manuskript, das über 1 500 Seiten umfasste, fertig und wurde nach Warschau abgeschickt. Die Fotos sollten folgen.
Bis Herbst kam keine Antwort. In dieser Zeit legte die Redaktion eine Kartei mit Ergänzungen an, um das Lexikon auf dem neuesten Stand zu halten. Die Ereignisse des Jahres 1938 in Deutschland (der Anschluss Österreichs sowie die Mobilmachung der Jahrgänge, die in der Weimarer Republik infolge der Versailler Verträge keinen Wehrdienst geleistet hatten) wirkten sich wiederum auf die weitere Arbeit der Redaktion des Lexikons aus. Ende des Jahres bekam die Zentrale des Bundes eine Nachricht aus Warschau, dass „Światpol“ keine Möglichkeit der Veröffentlichung des Lexikons sehe. Das Auswärtige Amt in Warschau hatte die Publikation des Lexikons nicht gebilligt, da es in der Veröffentlichung des Lexikons einen Störfaktor für die guten deutsch-polnischen Beziehungen sah. In dieser Situation beschloss der Rat des Bundes, das Lexikon mit eigenen Mitteln im Verlag der „Nowiny Codzienne“ (Tägliche Rundschau) in Oppeln zu drucken. Chefredakteur der Zeitung und erster Redakteur des Lexikons, Jan Łangowski, bekam Garantien der Slawischen Bank für den Ankauf von Papier und Druckfarben auf Kredit, angeblich für einen „Kalendarz Spółdzielczy“ (Genossenschaftskalender) für das Jahr 1940. Die Setzer begannen das große Manuskript neben ihrer täglichen Arbeit für den Druck vorzubereiten. Aus praktischen Gründen wurde der Text zweispaltig im Zeitungsformat gesetzt. Die Auflage sollte 5 000 betragen, wobei 100 Exemplare auf Glanzpapier, das eine bessere Druckqualität der Fotos garantierte, gedruckt werden sollte. Für die Publikation hatte man ca. 1 200 Fotos gesammelt.
Den ersten Bogen druckte man im Mai, den letzten, den 19. von 30 geplanten, im August 1939. Der 20. Bogen sollte am 1. September 1939 gedruckt werden. Die Korrektur wurde vor Ort vorgenommen, um die Aufmerksamkeit der deutschen Polizei durch das Abschicken der Post nicht zu wecken.
Nach dem deutschen Angriff auf Polen wurde der Verlag schon am 1. September von der Polizei besetzt, die gedruckten Bogen des Lexikons entdeckt und der Verlag versiegelt. Einer der Drucker, Jan Trzeciok, rettete jedoch einen kompletten Satz der bereits gedruckten Bogen und versteckte ihn in seinem Haus. Kurz danach kam ein Befehl aus Berlin nach Oppeln, die ganze Auflage und die Manuskripte zu vernichten. Dieser Befehl wurde noch im September 1939 ausgeführt.
Während des Zweiten Weltkrieges konnte man durch Zufälle einzelne Bogen retten. Erst nach dem Krieg hat der oben erwähnte Drucker die versteckten Bogen dem Redakteur Edmund Osmańczyk überlassen. Die Publikation dieser geretteten Bogen erfolgte in Polen nach vielen Schwierigkeiten, u.a. aus mangelndem Interesse, erst Anfang der 70er Jahre.
Durch einen glücklichen Zufall ist es gelungen, das als vernichtet betrachtete Manuskript des Lexikons in einer deutschen Bibliothek ausfindig zu machen. Es besteht u.a. aus den fehlenden Artikeln des Lexikons. Dieses Manuskript wird eine Druckgrundlage bilden. Das komplette Lexikon soll im Rahmen der Arbeiten des Willy Brandt Zentrums für Deutschland- und Europastudien der Universität Wrocław bald erscheinen.
Krzysztof Ruchniewicz, Juni 2014