Kann Radio eine Frau sein? Roma Stacherska-Jung und ihre polnische Sendung im Radio Duisburg
Roma sagt oft, dass Schauspieler, Dichter, Schriftsteller und Journalisten das Land ihrer Muttersprache nicht verlassen sollten, da sie mit der Sprache umgehen wie niemand sonst. Und trotzdem ist Roma nach Deutschland gekommen, um, kaum war sie da, die Entscheidung zu treffen: NIE WIEDER JOURNALISMUS!!! Dass dieser Vorsatz unrealistisch war, erfährt sie in ihrem Leben immer wieder. Jedes Mal, wenn sie dem Journalismus den Rücken kehren will, findet er sie wieder.
Da es in Deutschland ad hoc keine Möglichkeiten gab, musste sie in Düsseldorf ein Aufbaustudium Journalistik absolvieren, wobei sie unter den dreizehn Mitstudierenden, die deutsche Hochschulen absolviert hatten, die einzige Ausländerin war. Diese Phase bezeichnet sie die „Glasscheibe“, weil sie damals begriff: Ganz gleich, wie lange sie in Deutschland leben und wie gut sie sich die deutsche Sprache aneignen würde, wäre es nie genug, um an die sprachliche Perfektion hier Geborener heranzureichen. Sie bleibt von ihren deutschen Kolleginnen und Kollegen trotz ihrer guten Ideen, ihrer interessanten Stimme und ihrer Berufserfahrung immer durch eine unsichtbare, aber gepanzerte Scheibe getrennt.
Dabei ist es eine Ironie des Schicksals, dass Roma Stacherska-Jung ihre erste Anstellung in der deutschen Redaktion des Monitor-Dienstes der Deutschen Welle in Köln fand und nicht etwa in der Polnischen Redaktion des Senders. Diese Tätigkeit sollte jedoch eine ganz ausgezeichnete Sprachschule für sie sein: Sie beschäftigte sich zwar mit Polen, doch ihre Aufgabe bestand darin, die polnische Presse zu lesen, die interessanten Beiträge herauszufiltern, sie zu übersetzen und sie für die deutschen Zuhörer:innen redaktionell aufzubereiten.
In diese Zeit fiel das Angebot aus Duisburg. Heute unvorstellbar, aber 1992 war Deutschland im Multikultimodus. Der neu gegründete Rundfunksender Radio Duisburg war der einzige private Lokalfunk in Nordrhein-Westfalen, der einen Programmbeirat hatte. Dieses Gremium beschloss, lokale Programme für ausländische Mitbürger:innen zu entwickeln, die nicht fließend Deutsch konnten, um es ihnen zu erlauben, aktiv am Leben der Stadt Duisburg teilzunehmen. Zu diesem Zweck wurde zunächst ermittelt, wie viele Ausländer:innen in Duisburg gemeldeten waren. Danach wurden zwölf Kurzprogramme definiert und entsprechende Redaktionen zusammengestellt. Die polnische Sendung wurde von Anfang an am Dienstagabend nach dem italienischen Beitrag ausgestrahlt und dauerte 15 Minuten. Der Haken war, dass Roma Stacherska-Jung damals so wie heute noch in Düsseldorf wohnte! Außerdem war der finanzielle Anreiz, lapidar gesagt, gering, es gab die regelmäßige Anreise nach Duisburg und Dienstreisen zu den Protagonisten, die sie überhaupt nicht kannte. Nichtsdestotrotz, es war eine Herausforderung und für sie persönlich eine Chance, etwas von der Schuld der Dankbarkeit abzutragen... gegenüber ihrem Heimatland Polen sowie speziell gegenüber den in Deutschland lebenden Polinnen und Polen, deren Image damals klischeehaft negativ war und bisweilen auch verletzende Seiten hatte.
In diesem Sinne legte sich Roma Stacherska-Jung darauf fest, „zur Stärkung der Herzen im Exil“ in Deutschland lebende und wirkende Kunstschaffende aus Polen zu präsentieren sowie Stars der Unterhaltung, bekannte Film- und Theaterleute aus Polen, die in Deutschland gastierten, zu empfangen. Außerdem nahm sie sich vor, Deutsche zu porträtieren, die den Austausch beider Staaten förderten, um die Polinnen und Polen in Duisburg und Umgebung zu ermuntern, selbst aktiv zu werden und auf ihr Herkunftsland stolz zu sein. Tatsächlich kamen dann in ihren Programmen auch Menschen aus Amerika, Japan, Schweden, Israel und anderen Ländern vor, die gemeinsam hatten, sowohl mit Polen als auch mit Deutschland verbunden zu sein.
Grob geschätzt gab es in der polnischen Sendung von Radio Duisburg schon fast zwei tausend Gäste – von „einfachen Eingewanderten“, über Schauspieler:innen, Musiker:innen, Architekt:innen und Kunstschaffende, Ärzte und Ärztinnen, Restaurateur:innen, Anwälte und Anwältinnen, Diplomaten und Diplomatinnen bis hin zur hochrangigen Personen aus der Politik. Charakteristisch für diese Begegnungen ist, dass Roma Stacherska-Jung stets den Menschen in den Mittelpunkt stellt, also weder seine Funktion noch den Beruf. Mit ihrer besonderen Art und Weise, die Gespräche zu führen, schafft sie es, dass ihre Interviewpartner:innen, selbst die, die sonst mit Medien fremdeln, locker werden, ins Plaudern kommen und sich öffnen. Roma Stacherska-Jung beherrscht die Kunst des Schnitts meisterhaft. Programme, die aus ihrer Feder kommen, sind sprachliche und musikalische Perlen, oft voller Humor und überraschender Pointen, während ihr stets gelingt, eine professionelle Halbdistanz zu ihren Gesprächspartner:innen zu wahren. Sie wird nie ausfallend, gibt niemanden der Lächerlichkeit preis, sie stellt keine investigativen persönlichen Fragen und sie ist diskret. Sensationslust interessiere sie nicht, sagt sie und fügt hinzu, dass es im Journalismus um Objektivität gehe, die mit ihrer privaten Auffassung nichts zu tun habe.
Darüber hinaus unterstützt sie Initiativen aufstrebender Polinnen und Polen und sie bringt das polnische Brauchtum unter die Leute. Für Menschen, die in Deutschland geboren wurden und Polnisch können, macht sie historische Programme, bringt wichtige Ereignisse und deren Hintergründe zur Sprache und sie erklärt polnische Traditionen.