Emilia Smechowski

Emilia Smechowski
Emilia Smechowski – Journalistin, Feuilletonist und Autorin des Buches „Wir Strebermigranten“

„Emilia Smechowski ist eine typische Polin: erfolgreich, aber unsichtbar“, schrieb Simone Schmollack vom Deutschlandfunk über die Journalistin, Feuilletonist und Autorin des Buches „Wir Strebermigranten“.[1] Smechowski selbst fällt die Beschreibung ihrer Identität nicht so leicht. Die Autorin gesteht, dass sie die Frage, ob sie sich mehr als Deutsche oder mehr als Polin fühle, überhaupt nicht mag. Sie sagt: „Das klingt so, als müsste man sich für eins von beiden entscheiden“.[2]

Im Pass von Emilia Elisabeth Smechowski steht der Geburtsort Neustadt in Westpreußen, der deutsche Name der heutigen Stadt Wejherowo, wo sie 1983 als Emilka Elżbieta Śmiechowska auf die Welt gekommen ist. Ihre ersten fünf Lebensjahre verliefen unbeschwert und die Erinnerungen an diese Zeit beziehen sich auf Familientreffen und altersgemäße Kinderspiele, etwa im Sandkasten oder auf der verrosteten Teppichstange im Hof. Eine Zäsur in dieser Biographie fiel in den Juni 1988, als Emilias Eltern darangehen, in den Westen auszureisen – und zwar für immer, heimlich sowie ohne Abschied von Familie und Freunden. „Polnischer Abgang“ hätten die Deutschen dazu gesagt.

In Westberlin angekommen kommt die Familie zunächst in einer Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Neukölln unter. Zwei Jahre später erhält sie dann, infolge eines Großvaters, der im Zweiten Weltkrieg die „Volksliste“ gezeichnet hatte, den Status deutscher Aussiedler. Sie beginnt ein neues Leben, erwirbt einen hohen sozialen Status und erklimmt rasch die Wohlstandsleiter: „Meine Eltern arbeiteten als Ärzte, wir bauten ein Haus, mit Garten. Wir fuhren erst einen Mazda, dann einen BMW und einen Chrysler, später nur noch Limousinen von Audi.“[3] Doch obwohl sich die Lebensbedingungen so sehr verändern, üben die Eltern weiterhin Druck auf ihre Kinder aus. Es gibt Lateinstunden und Unterricht in Altgriechisch, Ballett- und Klavierstunden, was Emilia und ihren Schwestern beste Voraussetzungen für Ihre Zukunft bieten soll. Dabei reicht es nicht, nur gut zu lernen. Die Töchter werden dazu verdonnert, erstklassige Noten nach Hause zu bringen. Zwei Fehler in einem Deutschdiktat sind Grund genug, sich zu schämen, was auch dafür gilt, auf der Straße Polnisch zu sprechen. Tatsächlich vermeidet es die Familie sogar, außerhalb ihrer vier Wände miteinander zu reden, solange ihre Deutschkenntnisse noch defizitär sind.

Insofern werden die Smechowskis in kürzester Zeit nicht so sehr zu einem Paradebeispiel gelungener Integration als vollständiger Assimilierung. „Wir sind die Wirklichkeit gewordene Phantasie rechtskonservativen Politikers, dem zufolge Einwanderer sich der neuen Gesellschaft anpassen müssen, die ihrerseits aber bleibt wie zuvor“, stellt Emilia Smechowski später in ihrem Buch fest.[4] Doch im Laufe der Zeit rufen die Migrationserfahrung und das Aufgehen in der deutschen Gesellschaft bei der Autorin eine Identitätskrise hervor, wobei Smechowski als Teenager zuvor eine stürmische Zeit der Rebellion durchlebt. Mit 16 Jahren stellt sie sich vor, ihr Elternhaus zu verlassen und Sängerin zu werden. Ein durchaus legitimer Traum: Emilia singt Soli in einem Kirchenchor, leitet in ihrer Schule eine Musical-AG, und sie erhält Gesangsunterricht. Die Eltern, die auf eine strahlende Zukunft ihrer Tochter hoffen, überzeugt sie damit jedoch nicht. Der Jugendlichen bleibt also nur auszuziehen und ein Leben auf eigene Rechnung zu beginnen. Viele Jahre später kommt Emilia Smechowski zu dem Schluss, dass dies alles weniger das Aufbegehren eines Teenagers war als die Weigerung, die Lebensführung ihrer Familie fortzusetzen.

Nach dem Abitur studiert Emilia Operngesang und Romanistik in Berlin und Rom, wobei sie sich ihren Unterhalt mit diversen Gelegenheitsjobs verdient. Schließlich wird sie journalistisch tätig und schreibt unter anderem für „die taz“, „die Zeit“, für „Geo“ und die „Süddeutsche Zeitung“. Das Migrationsmotiv bleibt charakteristisch für ihre Texte. Für ihren Essay über die unsichtbaren Polen in Deutschland unter dem Titel „Ich bin wer, den du nicht siehst“ erhält sie 2016 den Deutsch-Polnischen Tadeusz-Mazowiecki-Journalistenpreis, den Deutschen Reporterpreis und den Konrad-Duden-Journalistenpreis.[5]

 

[3] E. Smechowski, Wir Strebermigranten, Hanser Berlin 2017, s. 11.

[4] Wir Strebermigranten..., S. 11.

[5] http://www.taz.de/!868119/ (aufgerufen am 02.03.2018).