Eine verbotene Liebe – Prinzessin Elisa Radziwiłł und Wilhelm von Preußen

Julius Ludwig Sebbers (1804–1843): Prinzessin Elisa Radziwiłł, 1835. Lithographie nach einem Aquarell.
Julius Ludwig Sebbers (1804–1843): Prinzessin Elisa Radziwiłł, 1835. Lithographie nach einem Aquarell.

Kommission, bestehend aus Wittgenstein, General Graf Gneisenau und mehreren Ministern, fiel nach Wilhelms Ansicht windelweich aus. Der König ordnete unterdessen ein Familientreffen im Hirschberger Tal an, woraufhin die Familie Radziwiłł auf Schloss Ruhberg die gesamte königliche Familie einschließlich Charlotte aus St. Petersburg und der neuen Kronprinzessin Elisabeth erwartete. Möglicherweise wollte der König persönlich die „Dauergeliebte“ seines Sohnes, so Dagmar von Gersdorff, „in Augenschein nehmen“. Das Treffen fiel freundschaftlich und herzlich aus. Elisas Schönheit und Anmut beeindruckten König Friedrich Wilhelm III. nachhaltig, und nach seiner Rückkehr nach Berlin bemühte er sich nach Kräften, ihre Heirat mit Wilhelm doch noch möglich zu machen.

Die standesgemäße Verbindung der künftigen Brautleute sollte nun eine Adoption Elisas durch ein regierendes Fürstenhaus ermöglichen. Kamptz und Raumer legten weitere Gutachten vor, in denen sie nun historische Adoptionen in Europa referierten. Der König bat den russischen Zaren um Hilfe, der Elisas Adoption jedoch ablehnte, weil unstandesgemäße Heiraten im Zarenhause auch nicht auf diese Weise gelöst worden waren. Eine Adoption im Hause Habsburg kam aus politischen Gründen nicht infrage. Die Familie Radziwiłł empfand den Plan einer Adoption als zusätzliche Demütigung, weil dadurch endgültig der geringere Rang der, so Dagmar von Gersdorff, „uralten polnisch-litauischen Fürstenwürde“ gegenüber dem „jüngeren Preußenadel“ dokumentiert werden würde. Infrage kam für eine Adoption letztendlich nur Prinz August von Preußen, jüngster Bruder von Fürstin Luise, General der Infanterie und reichster Grundbesitzer Preußens. Nur mit größtem Widerstand willigte das Ehepaar Radziwiłł ein, denn August galt als Lebemann, der nicht weniger als elf uneheliche Kinder gezeugt hatte. Wilhelm, der Elisa seit drei Jahren nicht mehr gesehen hatte, reiste im Februar 1825 nach Posen und verlobte sich im Geheimen mit ihr.

In Berlin zweifelte niemand mehr an der bevorstehenden Hochzeit. Wilhelm schmiedete Pläne für ein eigenes Schloss im Park von Babelsberg und Elisa träumte in Posen von ihrem neuen Hausstand. Bedienstete meldeten sich, um eine Anstellung bei dem künftigen Ehepaar zu finden. Von den Hochzeitsgerüchten alarmiert, berief der König erneut eine Konferenz ein, auf der die Minister bekräftigten, dass die Heirat unerwünscht und eine Adoption die Ebenbürtigkeit Elisas auch nicht würde herstellen können. Inzwischen war bekannt geworden, dass Kronprinz Friedrich Wilhelm kinderlos bleiben und Wilhelm für die Thronfolge der Hohenzollern verantwortlich sein würde.  Elisa fühlte sich, während alle ihre Freundinnen längst verheiratet waren, durch den langen Wartestand wie im Exil. Es wurde Oktober und Elisa feierte im neuen Jagdschloss Antonin, das Fürst Radziwiłł im Kreis Ostrowo in der Provinz Posen durch Karl Friedrich Schinkel hatte erbauen lassen, ihren zweiundzwanzigsten Geburtstag. Wilhelm war die Reise nach Schlesien verboten worden. Stattdessen reiste er auf Anregung des Königs mit seinem jüngeren Bruder Carl nach Weimar, wo die sechzehnjährige Marie und die vierzehnjährige Auguste von Sachsen-Weimar-Eisenach auf heiratsfähige Männer warteten.

Carl verliebte sich sofort in Marie. Die Mutter der Prinzessinnen, Großherzogin Maria Pawlowna, Schwester des russischen Zaren und Schwägerin von Charlotte, hätte einer Heirat jedoch nur zugestimmt, wenn Wilhelm auf eine Heirat mit Elisa, einer nicht ebenbürtigen Tochter aus polnischem Hause, verzichten würde. Während in Moskau Zar Alexander I. starb und Charlottes Mann, Nikolaus I., nach einer Offiziersrevolte auf den Zarenthron folgte, intervenierte Großherzog Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach beim preußischen König mit einem Ultimatum, dass eine Heirat zwischen Carl und Marie nur zustande käme, wenn es zu keiner Verbindung mit dem Hause Radziwiłł kommen würde. Beide Magnaten waren sich im Grunde darüber einig, dass eine Heirat der Prinzessinnen von Sachsen-Weimar-Eisenach mit beiden Preußen-Prinzen die beste Lösung wäre. Brieflich untersagte Friedrich Wilhelm III. daraufhin seinem Sohn Wilhelm im Juni 1826 die Ehe mit Elisa. „Das Band der Liebe ist zwischen Elisa und mir gelöst – möge ihre Freundschaft mir bleiben – bis zum Tode!“, schrieb Wilhelm an Mutter und Tochter. Fürst Radziwiłł war über die Herabsetzung seiner Familie und das jahrelange Hinhalten seiner Tochter zutiefst beleidigt, verzichtete aber darauf, die bereits aufgesetzten empörten Briefe an den König abzusenden.

Im Mai 1827 heirateten Carl und Marie. Ein Jahr später hielt Wilhelm um die Hand von Augusta an, für die er jedoch keine Liebe empfinden konnte. Im Hause Radziwiłł hielt der Tod Einzug. Im September 1827 starb Elisas Bruder Ferdinand an Tuberkulose, drei Monate später Helene, die Frau von Elisas Bruders Wilhelm, im Jahr darauf deren Tochter, Elisas Patenkind. Im Juni 1829 heiratete Wilhelm von Preußen Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach (Abb. 7), die sich zeit ihres Lebens bewusst war, dass sie nur ein ungenügender Ersatz für Elisa sein würde. „Erhalten, bleiben Sie mir, was Sie mir waren, was Sie mir sind! Er segne Sie! Ewig Ihr Sie zärtlichst liebender Neffe Wilhelm“, schrieb dieser in seinem für immer letzten Brief an Fürstin Luise Radziwiłł. Als Folge des Novemberaufstands 1830 im russischen Teil Polens, der von einem Schwager des Fürsten Radziwiłł, Fürst Constantin Czartoryski, und von seinem Bruder Michael Radziwiłł angeführt wurde, enthob der preußische König noch im selben Jahr Fürst Anton Radziwiłł seines Postens als Statthalter im Großherzogtum Posen. 1831 starb Elisas Bruder Wladislaw an Tuberkulose. Fürst Anton Radziwiłł wurde 1833 aus dem preußischen Staatsdienst entlassen und starb noch im selben Jahr in Berlin. 

Elisa, die sich offenbar bei der aufopfernden Pflege ihres Bruders Wladislaw angesteckt hatte und seitdem jahrelang leidend war, starb am 27. September 1834 auf Schloss Freienwalde (Abb. 8). Prinzessin Augusta von Preußen gebahr 1831 ihren Sohn Friedrich, den späteren deutschen Kaiser Friedrich III., den sogenannten 99-Tage-Kaiser, 1838 ihre Tochter Luise, die spätere Großherzogin von Baden. Wilhelm, der Elisa auch nach seiner Heirat mit Augusta mehrfach wiedergesehen hatte, wurde nach dem Tod seines Bruders Friedrich Wilhelm IV. 1861 König von Preußen. Am 18. Januar 1871 wurde er im Spiegelsaal von Versailles zum Deutschen Kaiser proklamiert (Abb. 9). Die verbotene Liebe zwischen Elisa und Wilhelm beschäftigte nicht nur Zeitzeugen in ihren Lebenserinnerungen, sondern wurde Gegenstand von zahlreichen historischen Abhandlungen und Romanen und 1938 sogar eines Kinofilms, der während der Nazizeit verboten war und 1950 unter dem Titel „Liebeslegende“ in die deutschen Kinos kam.

 

Axel Feuß, Juni 2016

 

Mediathek
  • Abb. 1: Prinz Wilhelm von Preußen.

    Mit der weißen Feldbinde der Alliierten in den Befreiungskriegen. Stich nach einem Gemälde von Carl von Steuben.
  • Abb. 2: Wilhelms Vater Friedrich Wilhelm III. von Preußen

    Gemälde von Ernst Gebauer, Öl auf Leinwand, 90,5 x 66,5 cm, Preußen-Museum Nordrhein-Westfalen, Minden.
  • Abb. 3: Wilhelms Mutter Königin Luise von Preußen

    Gemälde von Josef Grassi, Öl auf Leinwand.
  • Abb. 4: Elisas Mutter Fürstin Luise Radziwiłł

    Gemälde von Élisabeth Vigée-Lebrun, Öl auf Leinwand, 80,5 x 64 cm, Privatsammlung.
  • Abb. 5: Elisas Vater Fürst Anton Radziwiłł

    Lithographie von Karol Antoni Simon, 1824/30, 17,3 x 15,3 cm (Ausschnitt ohne die Schrift).
  • Abb. 6: Prinzessin Elisa Radziwiłł als Göttin Peri

    Gemälde von Wilhelm Hensel, Öl auf Leinwand, Robert-Schumann-Haus, Zwickau.
  • Abb. 7: Wilhelm und seine Frau Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach

    Lithographie, Stadtarchiv Karlsruhe.
  • Abb. 8: Elisa Radziwiłł auf dem Totenbett

    Marmorbüste von Christian Daniel Rauch.
  • Abb. 9: Kaiser Wilhelm I. an seinem Schreibtisch im Alten Palais, Berlin

    Auf diesem Schreibtisch soll auch ein Bildnis von Elisa gestanden haben.
  • "Die verbotene Liebe"

    Nach dem Buch von Dagmar von Gersdorf 'Auf der ganzen Welt nur Sie'. Ein Film von Schülerinnen und Schülern der Robert-Jungk-Oberschule in Berlin.
  • Eine verbotene Liebe - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku" auf Deutsch

    In Zusammenarbeit mit "COSMO Radio po polsku" präsentieren wir Hörspiele zu ausgewählten Themen unseres Portals.