Dziennik Berliński („Berliner Zeitung“)

Dziennik Berliński, Ausgabe Nr. 260 von 10. November 1937.
Dziennik Berliński, Ausgabe Nr. 260 von 10. November 1937.

Einige Male wechselten die Herausgeber, was auf finanzielle Probleme zurückzuführen ist und zur Folge hatte, dass sich auch das politisches Profil des „Dziennik“ veränderte. In den Jahren 1915–1919 erlebte die Zeitung ihre Glanzjahre (über 3 000 Abonnenten). Nach den Massenausreisen in das wiederentstandene Polen drohte der Zeitung das Aus. Es rettete sie der Kauf durch eine Warschauer Genossenschaft, die von der polnischen Regierung finanziert wurde. Die finanziellen Schwierigkeiten ließen jedoch nicht nach, sondern wurden durch die Inflation und die den Polen negativ gesinnte staatliche Politik (1921 Verkaufsverbot an Bahnhöfen, Attacken in der deutschen Presse, Festnahmen von Redakteuren, die angeblich für Beleidigungen deutscher Beamter verantwortlich waren) vertieft. 1921 musste die Zeitung ihr Gebäude und die Druckerei verkaufen, 1922 wurde die Herausgabe für eine Zeit unterbrochen. 1925 wurde der Druck nach Beuthen (Bytom) in die Druckerei „Katolik“ verlagert, 1932 nach Oppeln (Opole), später nach Herne, was die Berichterstattung erschwerte. 1927 betrug die Auflage 2 200 Exemplare, was die finanzielle Stabilität nicht sicherstellen konnte. Man versuchte neue Leser unter den bäuerlichen Saisonarbeitern und durch den Druck von thematischen Beilagen zu finden. Nach 1933 zensierte die deutsche Regierung immer öfter die Zeitung und konfiszierte sogar ganze Auflagen. Trotz dieser zahlreichen Probleme überdauerte die Zeitung bis zum September 1939.

Die ersten Versuche eine Zeitschrift für Polen im Berliner Raum herauszubringen, wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts unternommen. Solche Versuche hatte es schon früher gegeben, allerdings erlaubte die Finanzmittelknappheit der polnischen Emigranten und das Fehlen wohlhabender Sponsoren über lange Jahre nicht, diesen Gedanken zu realisieren. 1897 überwand man diese Probleme allerdings, dank bekannter und geschätzter Emigranten aus Polen, wie Władysław Berkan und Pfarrer Piotr Wawrzyniak. Man begann, den „Dziennik Berliński“ („Berliner Zeitung“), zunächst unter dem Namen „Dziennik Polski“, herauszugeben. Von Anfang an setzte sich die Zeitung das Ziel, das Nationalgefühl, die Sprache und die Religion der Polen zu stärken und zu erhalten. Bis zum I. Weltkrieg wechselte das Blatt oftmals den Herausgeber, was nicht ohne Einfluss auf seine politische Richtung war. Seine Blütezeit erlebte es paradoxerweise während des Krieges und in den ersten Jahren danach. In den Jahren 1915 bis 1919 hatte es ungefähr 3 000 Abonnenten. Nach 1918 und den Massenemigrationen der Polen in die II. Polnische Republik drohte der Zeitung das Ende. Nach der Gründung des Bundes der Polen in Deutschland 1922 beschloss man, die Angelegenheiten der polnischen Presse zu ordnen und die Redakteure und Herausgeber zur Zusammenarbeit mit der neuen Organisation zu animieren. Allerdings konnte es sich der Bund nicht leisten, ein eigenes Organ zu gründen und eine bessere Zusammenarbeit mit den bereits existierenden Organen erwies sich ebenfalls als große Herausforderung.

In den Tagen des 21. und 22. Aprils 1923 fand auf Einladung des Bundes der Polen eine erste gemeinsame Besprechung in Berlin statt, zu der alle Vertreter der polnischen Presse geladen waren. Bald begann man dieses Treffen als „die erste Zusammenkunft der polnischen Presse in Deutschland“ zu bezeichnen. Am Eröffnungstag veröffentlichte der „Dziennik“ einen Artikel mit dem Titel „Presse und Gesellschaft“, der unterstrich, dass die polnische Presse informative Aufgaben erfüllt. „Sie sollte auf ihre Leser einen kulturell-erzieherischen, wie auch politisch-nationalen Einfluss haben. Sie sollte hier in Deutschland trotz verschiedener Namen ein gemeinsames Organ darstellen, dessen grundlegende Aufgabe die Erhaltung und Entwicklung des nationalen Bewusstseins bei den Polen ist“. Das Treffen löste die Probleme der Presse der polnischen Minderheit allerdings nicht, weiterhin litt sie unter dem Weggang von Redakteuren und den durch Arbeitslosigkeit und Inflation bedingten Rückgang der Abonnentenzahlen.

Um die „Dziennik Berliński“ nicht zu schließen, beschloss die Zentrale des Bundes der Polen die Häufigkeit des Erscheinens zu ändern. Seit August 1923 erschien die Zeitung nun dreimal pro Woche. Bei der Rettung der Zeitung halfen unter anderem andere polnische Presseorgane, die in Berlin herauskamen. Der Bund verpflichtete seine Mitglieder zum Zwangsabonnement. Zur Hilfe eilte auch die polnische Gesandtschaft in Berlin und der Verein zum Schutz der Westmarken (Związek Obrony Kresów Zachodnich). 1924 stabilisierte sich die Situation der Zeitung und sie begann erneut täglich zu erscheinen. Die Anzahl der Abonnements wuchs auf über 2 000 an. Bis 1939, also bis zur Schließung der Zeitung, hatte Czesław Tabernacki die Funktion des Chefredakteurs inne. Um die Herausgabekosten zu verringern und den regelmäßigen Druck sicherzustellen, verlegte er das Blatt in die Druckerei „Katolik“ in Beuthen, dann in die Druckerei der „Nowiny Codzienne“ in Oppeln und schließlich in die Druckerei „Naród“ in Herne. Die Redaktion blieb weiterhin in Berlin. Ein wichtiges Ereignis in der Geschichte der polnischen Presse in Deutschland war die Gründung einer beim Bund der Polen in Deutschland angesiedelten Pressezentrale am 10. Januar 1927. Ihr erster Leiter wurde Tadeusz Katelbach und ab dem Jahre 1934 Edmund Osmańczyk.

Die Rettungsmaßnahmen der polnischen Presse erwiesen sich allerdings nach anfänglichen Erfolgen als unzureichend. Während des dritten Treffens der polnischen Presse in Berlin am 11. Februar 1928 befasste man sich detailliert mit dieser Angelegenheit. Der Leiter der Rechtszentrale informierte über die katastrophale Lage der polnischen Presse, auch des „Dziennik“. Seiner Meinung war der Zusammenschluss verschiedener Herausgeber in verschiedenen Gegenden eine Rettung. Von Jahr zu Jahr fiel die Zahl der Abonnements. Die Abonnenten mussten mit verschiedenen Schikanen rechnen: Gegen das Lesen dieser Presse wetterten Pfarrer auf der Kanzel, Kinder wurden in Schulen schikaniert, den Abonnenten wurde die Sachabwicklung in Ämtern erschwert und die Post lehnte es ab, die polnische Presse auszuliefern.

Die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten erschwerte die Situation der „Dziennik Berliński“ und anderer polnischer Pressetitel noch mehr. Am 14. Februar 1933 konnte man im „Dziennik“ Folgendes lesen: „Hitler gab den Journalisten bekannt, dass die Presse nicht eingeschränkt werden soll. Man darf allerdings nicht die persönliche Ehre mit Kritik verletzen […] wenn in ihr eine Nachricht erscheint, die den vitalen Interessen des Reiches gefährlich werden kann“. Auf die Zeitungen kamen immer neue Beschränkungen zu. In Zusammenhang mit den Parlamentswahlen am 5. März 1933 verordnete der Berliner Polizeipräsident am 25. Februar 1933 die Einstellung der Herausgabe polnischer Tageszeitungen bis zum 12. März des Jahres. Darüber schrieb die „Dziennik Berliński“ am 26. Februar. Diese Ausgabe war auf Grund der Einschränkungen kaum eine Seite lang.

Die rechtliche Lage der Journalisten wurde durch das Pressegesetz vom 4. Oktober 1933 geregelt. Voraussetzung zur weiteren Ausübung des Berufes war der Eintrag in die Liste des Deutschen Pressevereins. Bei Zuwiderhandlungen gegen diese Auflagen, sah das Gesetz ein Schreibverbot und die Auflösung der Redaktionen vor. Schnell trafen diese Schikanen die polnischen Zeitungsredaktionen. Durchsuchungen in den Redaktionen, Konfiszierungen einzelner Nummern und das Berufsverbot für manche Journalisten waren an der Tagesordnung. So wurde den Berliner Journalisten Stefan Dziamski und Jan Skala das Publikationsrecht entzogen. Die Auflage des „Dziennik Berliński“ verkleinerte sich von Jahr zu Jahr. 1937 erschien er in einer Auflage von 1 000 Exemplaren. Immer öfter griff die nationalsozialistische Regierung in den Inhalt des „Dziennik Berliński“ und anderer Zeitungen ein. Im August 1937, einer Zeit relativ guter deutsch-polnischer Beziehungen, erschien die Rubrik „unsere Angelegenheiten“, in der z. B. von Verfolgungsfällen, Festnahmen und anderen antipolnischen Tätigkeiten der deutschen Regierung informiert wurde. Im Oktober desselben Jahres wurde diese Rubrik auf Anordnung des Innenministers W. Frick entfernt.

Die Kontrolle der Regierung über den „Dziennik Berliński“ verstärkte sich 1939. Seit diesem Jahr wurde jede Ausgabe von einem Beamten der Gestapo überprüft. Seit Juni 1939 wurde die Zeitung dazu verpflichtet den Titel, das Datum und die Redaktionsfußzeile auf Deutsch zu veröffentlichen. Ebenfalls im Juni 1939 informierte das Innenministerium die polnische Presse, dass sie trotz des Rechts auf Darstellung der Einwände gegen die Behandlung der Minderheiten ein wahrheitsgetreues Bild der im Reich stattfindenden Ereignisse zeigen solle. Der polnische Botschafter in Deutschland schrieb am 27. Juli 1939 aus Leipzig an die Zentrale in Warschau: „[…] in einem Teil der polnischen Presse, u.a. im ‚Dziennik Berliński‘ gibt es nichts über die Verfolgungen oder die wahre Lage der polnischen Minderheit“. Die letzte Ausgabe der „Dziennik Berliński“ erschien am 1. September 1939. Einige Tage später, am 7. September, überbrachte man den im Innenministerium zusammengekommenen Vertretern Polens den Entschluss zur Schließung polnischer Organisationen und Institutionen. Der „Dziennik Berliński“ und andere polnische Zeitungen wurden geschlossen.

 

Krzysztof Ruchniewicz, Juni 2014

 

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