Dynastische Hochzeiten zwischen polnischen und deutschen Fürstenhäusern Piasten: 1148 Judith von Polen
Am 6. Januar 1148, dem Dreikönigstag, oder in der Zeit danach heiratet Judith also in Kruszwica in Kujawien, einem Ort mit einer Inselfestung der Piasten und einer Stiftskirche und zu dieser Zeit vermutlich Sitz des Bischofs von Kujawien, ihren künftigen Ehemann, Otto von Brandenburg, den Nachfolger von Albrecht I. dem Bären (um 1100-1170), Markgraf der Nordmark und ab 1150 erster Markgraf von Brandenburg aus dem Geschlecht der Askanier. Die Hochzeit erfolgt im Beisein ihrer Brüder Bolesław und Mieszko. Auch in den folgenden Generationen werden zahlreiche schlesische und großpolnische Piasten nach Brandenburg heiraten um sich den Einfluss auf die Region zu sichern (siehe Liste).
Otto I. erhält bei seiner Geburt von seinem Paten, dem slawischen Abodriten-Fürsten Pribislaw (†1178, als Lehnsmann Heinrichs des Löwen Herr über Mecklenburg und Kessin), die Zauche, das Kerngebiet der späteren Mark Brandenburg, als Geschenk. 1157 übergibt ihm sein Vater die neu gegründete Mark Brandenburg mit der Aufgabe, diese „als stabiles Fürstentum auf- und auszubauen“ (Helmut Assing, 1999). 1161 wird er erstmals als Markgraf von Brandenburg erwähnt. Zur Mark Brandenburg gehören alle ostelbischen Besitzungen der Askanier südlich von Brandenburg, im südlichen und mittleren Havelland sowie im Elbe-Havel-Winkel, außerdem vermutlich Besitzungen in der späteren Altmark. Otto, seit dem Tod seines Vaters 1170 regierender Markgraf, organisiert den bäuerlichen Landesausbau und festigt damit das Territorium. Er lässt Burgen errichten und gründet 1180-83 die Klöster Lehnin und Arendsee. An den Kämpfen der sächsischen Fürsten gegen Heinrich den Löwen beteiligt er sich auffallend wenig und kümmert sich kaum um die Reichspolitik.
Mit Judith von Polen hat er zwei Söhne, Otto II. (nach 1148-1205), Nachfolger als dritter Markgraf von Brandenburg, und Heinrich (um 1150-1192), erster Graf von Gardelegen. Judith stirbt zwischen 1171, dem Jahr, in dem sie von zeitgenössischen Quellen zum letzten Mal als lebende Person erwähnt wird, und 1176, dem Jahr, in dem die Quellen über eine zweite Ehefrau Ottos I. mit Namen Adelheid berichten, die mit ihrem Mann einen weiteren Sohn, Albrecht II. von Brandenburg (vor 1177-1220), bekommt. Dieser übernimmt die Herrschaft 1205 nach dem Tod seines Halbbruders. Judith ist offenbar im Dom von Brandenburg an der Havel beigesetzt worden; denn eine Quelle des 16. Jahrhunderts zitiert die Inschrift auf ihrem Grabstein („VIII idus Iulii obiit Iuditha, marchionissa, gemma Polonorum“), und zwar vermutlich auf einer Bodenplatte in der Mitte des Doms, die heute nicht mehr vorhanden ist. Danach ist „Judith, die Markgräfin und das Juwel der Polen“, an einem 8. Juli „dahingegangen“, wobei das Jahr offenbar nicht mehr lesbar gewesen ist. Otto I. wird 1184 im Kloster Lehnin bestattet.
Axel Feuß, Juli 2021
Literatur:
Norbert Kersken / Przemysław Wiszewski: Neue Nachbarn in der Mitte Europas: Polen und das Reich im Mittelalter (WBG Deutsch-polnische Geschichte, 1: Mittelalter), Darmstadt 2020
Norbert Kersken: Heiratsbeziehungen der Piasten zum römisch-deutschen Reich, in: Fernhändler, Dynasten, Kleriker. Die piastische Herrschaft in kontinentalen Beziehungsgeflechten vom 10. bis zum frühen 13. Jahrhundert, herausgegeben von Dariusz Adamczyk und Norbert Kersken, Wiesbaden 2015, Seite 85, 99 f., 102 f.
Johannes Schultze: Die Mark Brandenburg, 4. Auflage, Berlin 2011, Seite 96-102
Eduard Mühle: Die Piasten. Polen im Mittelalter, München 2011
Karol Maleczyński: Bolesław III Krzywousty (1975), Krakau 2010
Owald Balzer: Genealogia Piastów, 2. Auflage, Krakau 2005
Kazimierz Jasiński: Rodowód pierwszych Piastów, 2. Auflage, Poznań 2004, Seite 255-260
Helmut Assing: Otto I., in: Neue Deutsche Biographie 19 (1999), S. 675 f. [Online-Version], https://www.deutsche-biographie.de/sfz74107.html#ndbcontent (zuletzt im Juni 2021 aufgerufen)
Kazimierz Jasiński: Powiązania genealogiczne Piastów (małżenstwa piastowskie), in: Piastowie w dziejach Polski, herausgegeben von Roman Heck, Wrocław 1975, Seite 135-148