Dynastische Hochzeiten zwischen polnischen und deutschen Fürstenhäusern Piasten: 1115 Bolesław III. Schiefmund

Grabstätte von Władysław I. Herman und seinem Sohn Bolesław III. Schiefmund, Herzöge von Polen, in der Kathedrale Mariä Himmelfahrt/Katedra Wniebowzięcia Najświętszej Maryi Panny in Płock, Königliche Kapelle. Schwarzer Marmorsarkophag mit Alabaster-Adler nach dem Entwurf von Zygmunt Vogel (1764-1826), 1825
Grabstätte von Władysław I. Herman und seinem Sohn Bolesław III. Schiefmund, Herzöge von Polen, in der Kathedrale Mariä Himmelfahrt/Katedra Wniebowzięcia Najświętszej Maryi Panny in Płock, Königliche Kapelle. Schwarzer Marmorsarkophag mit Alabaster-Adler

Nach dem Tod von Zbyslawa entscheidet sich Bolesław III. für eine engere Bindung an das Römisch-Deutsche Reich, vermutlich auch um den anhaltenden Konflikt mit Heinrich V. zu beenden, der 1111 zum Kaiser gekrönt worden ist. 1115 heiratet er Salome, die Tochter des Grafen Heinrich von Berg aus einem zu dieser Zeit erstmals erwähnten und auf Burg Berg bei Ehingen ansässigen schwäbischen Geschlecht. Salomes Mutter Adelheid, Tochter des Markgrafen Diepold II. von Vohburg (†1078), Markgraf auf dem Nordgau und von Giengen, stammt von der westlich von Ehingen gelegenen Burg Mochental. Die Motive des Grafen von Berg, gleich drei seiner Töchter mit regierenden Fürsten im östlichen Europa zu verheiraten, liegen im Dunkeln.[4] Denn zuvor, um 1111, hat er bereits Salomes Schwester Rixa/Richenza mit dem böhmischen Fürsten Vladislav I., Sohn des ersten Königs von Böhmen aus dem Geschlecht der Přemysliden, Vratislav II., und der polnischen Prinzessin Świętosława/Swatawa, einzige Tochter von Kasimir I. Karl/Kazimierz I Karol, verheiratet. Salomes Schwester Sophia wird 1113 Herzog Otto II. von Mähren-Olmütz und Brünn zur Frau gegeben.[5]

Salome und Bolesław III. halten zeit ihres Lebens engen Kontakt nach Berg und Mochental und unterstützen die westlich davon gelegene Benediktinerabtei Zwiefalten, in der Heinrich von Berg 1116 als Mönch stirbt und begraben wird. Gemeinsam haben sie vierzehn Kinder. Bolesław IV. Kraushaar/Bolesław IV Kędzierzawy heiratet eine Kiewer Prinzessin, Mieszko III. der Alte/Mieszko III Stary Elisabeth von Ungarn und anschließend Eudoxia von Kiew, Kasimir II. der Gerechte/Kazimierz II Sprawiedliwy die Tochter eines Přemysliden-Fürsten, Richissa-Rycheza/Ryksa Bolesławówna zunächst Magnus, König von Västergötland, anschließend Wladimir, Fürst von Minsk-Grodno und zuletzt Sverker I., König von Schweden. Dobroniega Ludgarda wird um 1142 mit Dietrich von Meißen verheiratet. Judith heiratet in erster Ehe den späteren König von Ungarn, Ladislaus II., und anschließend 1148 Otto I., Markgraf von Brandenburg. Agnes ehelicht Mstislaw II., Großfürst von Kiew, Przybysława den Herzog von Pommern, Ratibor I., und eine weitere Tochter unbekannten Namens Konrad, den Grafen von Plötzkau und Markgrafen der Nordmark. Gertruda wird als Nonne in das Kloster Zwiefalten gegeben. Um 1118 wird die Schwester von Bolesław III., Adelheid/Adelajda, mit dem Bruder seiner Schwiegermutter Adelheid von Mochental, Diepold III., verheiratet, die dadurch Markgräfin auf dem Nordgau und von Nabburg, Vohburg und Cham wird.

Hochzeiten zwischen regierenden Fürstenhäusern folgen zwar außenpolitischen und dynastischen Zielen, führen aber auch zu einem regen Kulturaustausch zwischen den beteiligten Herrschaftsgebieten. Dies ist bereits bei der Heirat 1013 zwischen dem späteren König von Polen, Mieszko II. Lambert (990-1034), und Richeza von Lothringen/Rycheza Lotaryńska (um 996-1063) zu beobachten, die den Transfer kirchlichen Personals und moderner Sakralarchitektur nach Polen bewirkt und sich bei deren Enkeln, Bolesław II. und Władysław I. Herman, fortsetzt. Der Kulturtransfer anlässlich solcher Eheverbindungen wird jedoch nicht „allein in West-Ost-Richtung als einseitiges Kulturgefälle interpretiert, sondern als Austausch in beide Richtungen“, so die Göttinger Historikerin Hedwig Röckelein (*1956). Vor allem die bei Hochzeiten üblichen „Regeln des Gabentauschs verlangen nach Gütertausch in beide Richtungen, nach Reziprozität. Sieht man bei der Interpretation der materiellen wie der schriftlichen Überlieferung von modernen nationalen und patriotischen Interessen ab, so spiegeln die mittelalterlichen Kulturbeziehungen tatsächlich einen solchen reziproken Tausch.“[6]

 

[4] Kersken 2015 (siehe Literatur), Seite 93

[5] Vergleiche Weller 2004 (siehe Literatur), Seite 707

[6] Röckelein 2006 (siehe Literatur), Seite 129. Röckelein führt Beispiele für den Austausch von Paramenten, kirchlichem Gerät und kostbaren Handschriften zwischen östlichen (beispielsweise ungarischen) und deutschen Herrschaftsgebieten an, die sich heute noch in Domschatzkammern und Bibliotheken nachweisen lassen.

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